WM 2023: Die zweite Runde ist die schönste

Si Jiahui steht am Snookertisch, Shaun Murphy wendet sich gerade ab.
Kann Si Jiahui seinen Siegeszug fortsetzen? © World Snooker/Tai Chengzhe

Gestern startete mit Brecel gegen Williams und Allen gegen Bingham die zweite Runde der WM. Heute steigen auch O’Sullivan und Vafaei ins Geschehen ein. Die Spiele werden länger, die Preisgelder höher, die Nerven dünner. Was können wir in Runde zwei erwarten?

Irgendwie hat sich bei mir die zweite Runde zur Lieblingsrunde der WM rauskristallisiert. Grob hat sich in Runde eins schonmal die Spreu vom Weizen getrennt und ich habe einen Überblick, wer hier wie drauf ist. Die Anzahl der Spiele wird langsam übersichtlich und ich bin nicht mehr ganz so überfordert mit dem parallelen Geschehen, denn drei Sessions bei Best-of-25 lassen mich früher oder später in jedes Spiel reinkommen. Es ist ja bekannt, dass ich auf Prognosen verzichte, wenn es sich vermeiden lässt, aber jetzt wage ich doch vorsichtig einen Blick voraus.

Offensivkräfte am Werk

Bei Luca Brecel gegen Mark Williams können wir auf alle Fälle attraktives Snooker erwarten. Auch wenn Williams in dieser Saison ein bisschen untergegangen ist: Bei der WM ist einfach immer mit ihm zu rechnen. Der 6–6-Zwischenstand verspricht ein weiterhin ausgeglichenes Spiel. Heute Morgen erwischte Williams den besseren Start, weil Brecel wie immer Genie und Fahrlässigkeit munter abwechselt, aber er fand mit zwei Centuries sofort den Anschluss und ist jetzt sogar in Führung gegangen.

Leider können wir hier zum Start jeder Session ein Lied hören, in dem eine Frau von ihrem Lebenspartner ermordet wird und alle klatschen fröhlich mit. Ich würde mir wünschen, dass Williams sich bald mal von „Delilah“ verabschiedet. Darum gebeten wurde er schon mehrfach.

Parallel dazu startete heute Morgen Neil Robertson gegen Jak Jones. Im ersten Frame neutralisierten sie sich eine Stunde lang gegenseitig, aber ich denke, hier wird es noch schöne Duelle geben. Robertson ist mit Feuerwerk gegen Wu Yize ins Turnier gestartet. Aber er muss seine Crucible-Aversion in den Griff bekommen und beim Stoß seinen Hintern ein bisschen einziehen. Und wenn der angebliche Underdog Jak Jones weiterhin so ein tolles Long-Potting zeigt wie gegen Hawkins und Carter, wird er seine Chancen in diesem Match bekommen.

Als Jugendlicher hat er hier im Crucible schon ein Pot-Black-Finale gespielt, also hat er ja schon Erfahrung. (😉) Aber mal im Ernst, er wirkt hier, als hätte er noch nie etwas anderes getan, als auf dieser Bühne zu spielen. So ist seine 3–0-Führung keine große Überraschung für mich.

Vafaei gegen O’Sullivan: Das Duell der Großmäuler

Die Medien freuen sich natürlich, dass mal wieder jemand etwas gesagt hat, woraufhin jemand anders auch was gesagt hat und dann der andere wieder etwas gesagt hat. Wir kennen das. Ich freue mich einfach auf das Spiel, denn im Gegensatz zu anderen denke ich, dass der ganze Zirkus Ronnie O’Sullivans und Hossein Vafaeis Motivation nicht geschadet hat. Keiner von beiden wird dem anderen das Feld überlassen wollen. Und da der Ronald ja langsam auch gelernt hat, Safeties zu spielen, wird das bestimmt abwechslungsreich. Sie steigen heute Nachmittag ins Geschehen ein.

Die unmöglichen Titelträger

Besonders nach seiner guten Saison wäre natürlich der WM-Titel für Mark Allen endlich fällig. Aber sein Gegner Stuart Bingham hat es vorgemacht, dass das Offensichtliche nicht immer eintritt. Wer hatte 2015 schon Bingham auf dem Zettel, als er Weltmeister wurde? (Ja, ich. Aber sonst ja niemand.) Keine Ahnung, wer sich hier durchsetzen wird. Nach der ersten Session hat Mark Allen mit einer 5–3-Führung nur einen leichten und bei dieser Matchlänge unbedeutenden Vorteil.

Bei Anthony McGill gegen Jack Lisowski haben wir zwei Kandidaten, die eigentlich irgendwann auch mal für einen WM-Titel fällig wären. Ich gebe zu, dass mein Vertrauen diesbezüglich bei Lisowski gegen Null tendiert. Er wartet ja noch immer auf überhaupt einen Titel. McGill mit seiner offensichtlichen Liebe zum Crucible traue ich da mehr zu. Aber vor allem erwarte ich hier ein attraktives Spiel, da beide nicht so für’s Verkullern und Festspielen bekannt sind. Sie starten morgen früh um 11 Uhr.

Die Wundertüten

Ja, Mark Selby musst du bei einer WM immer auf dem Zettel haben. Aber wir wissen nicht, ob er nun wirklich wieder in Form ist oder ob seine mentalen Probleme noch nachhängen. Gegen Matt Selt hat er in der ersten Runde seine üblichen Stärken gezeigt, hauptsächlich im Durchbeißen. Gary Wilson ist für mich ebenso ein Überraschungspaket. Er kann Titel gewinnen und ist hier ja auch schon mal weit gekommen. Aber gegen Slessor gab es doch ein bisschen Auf und Ab. Samstag, 20 Uhr ist hier Anstoß.

Si Jiahui und Robert Milkins haben in Runde eins für ordentlich Aufsehen gesorgt. Milkins kommt mit einer starken Saison im Rücken und viel Erfahrung. Und sein grandioses Kommzurück gegen Perry hat ihm bestimmt einen Schub an Selbstsicherheit gegeben. Si kommt mit einer gewissen Furchtlosigkeit, allerdings auch mit ein bisschen Unreife. Aber damit hat er Shaun Murphy erneut eins auf die Nase gegeben. Natürlich drücke ich hier dem Youngster die Daumen. Auch sie spielen morgen Abend ihre erste Session.

Die Letzten

Kyren Wilson spielt seine erste Session gegen John Higgins am Sonntag. Wie immer fliegt er ein bisschen unter dem Radar, trotz guter Leistung und Maximum-Break. Higgins hatte mit David Grace noch nicht den Gegner, der ihm alles abverlangte. Auch wenn ich weiß, dass Higgins aus jedem Spiel irgendetwas zu machen weiß, egal wie er spielt, bin ich hier nach Prognose und Sympathie eher bei Kyren Wilson. Ich habe eben keine Angst vor ebdonschen Spielweisen, da ja jederzeit auch ein Break-Feuerwerk kommen kann.

Ihr könnt alle Paarungen, Zeiten und (Zwischen-)Ergebnisse auf unserer Turnierseite einsehen. Wann Eurosport im TV überträgt, erfahrt ihr hier.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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