WM-Finale 2023: The Clash of the Sty … oh, nicht schon wieder

Selby und Brecel vor dem Finale, schütteln sich mit dem Pokal am Tisch die Hand, im Hintergrund Schiri Brendan Moore
Selby und Brecel vor dem Finale, mit Photobombe von Brendan Moore © World Snooker/Tai Chengzhe

Das WM-Finale zwischen Selby und Brecel wurde schon wieder überall als das „Spiel der unterschiedlichen Stile“ angekündigt. So wie das Halbfinale Allen-Selby. Und das waren die Stile dann gar nicht so unterschiedlich.

Es ist ja hinreichend bekannt, dass Mark Selby seinem Gegenüber gerne den eigenen Stil aufdrückt. Im Vorfeld war deshalb viel die Rede davon, dass Luca Brecel sich trauen müsste, sein offensives Spiel durchzuziehen, auch wenn Selby es ihm taktisch schwer machen sollte. Die Frage lautete: Kann Luca Brecel dem Granit-Spiel von Mark Selby etwas entgegensetzen?

Die Antwort der ersten Session: Absolut!

Brecel legte gleich mal richtig los und machte ohne zu Zögern eine 77 zum Auftakt. Im zweiten Frame wolte er das wiederholen, aber leider war bei 66 Punkten Schluss und das reichte noch nicht zum Framegewinn. Natürlich verwickelte Selby ihn in ein langwieriges Safety-Duell, zwang ihn mit einem kniffligen Snooker zu einem Fehler und erarbeitete sich damit die erste Chance. Aber nach einer guten halben Stunde stand es trotzdem 2–0 für Brecel.

Im dritten Frame schien Brecel dann die perfekte Strategie gegen Selby gefunden zu haben: Du wartest, bis dieser bei 28 Punkten Schwarz vom Spot verschießt und machst dann eine 90. Ich fand das eine kluge Kombination mit der von mir vorgeschlagenen Strategie, das 11-Frame-Mega-Rekord-Kommzurück einfach gleich am Anfang zu spielen. Nach einer Stunde war Brecel 3–0 in Führung.

Im nächsten Frame wollte er die Strategie verfeinern und das Ganze etwas spannender machen und ließ Selby 40 Punkte Vorsprung, bevor er sein Break begann. Ups, und dann fiel bei 38 Punkten Rot nicht, sondern blieb vor der Mitteltasche liegen. Für ein Best-of-35 war es aber natürlich ganz schön, dass Selby auch ein bisschen mitspielen durfte. Mit Brecel 3–1 Selby ging es in die Pause.

Brecel stark, Selby müde

Es sah also so aus, als könne Brecel dem Spiel durchaus seinen Stempel aufdrücken. Von seiner Schwierigkeit, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren, war nichts zu sehen. Nach der Pause erhöhte er auf 4–1. Im sechsten Frame gab es dann ein munteres Hin und Her und die beiden präsentierten uns die gesamte Palette an Stilen. Es wurden Bälle versenkt, Chancen verschenkt, Bälle verfehlt und Mini-Breaks gezählt. Keine Ahnung wie (mein Stream dachte, er könne mal kurz streiken), aber am Ende hatte Brecel den Frame gewonnen. Dann wurde es Selby zu bunt und er wechselte seine Taktik. Im siebten Frame spielte er eine 62, die eigentlich framegewinnend war. Aber irgendwie punkteten sie dann doch noch ein bisschen, bis der Frame letztendlich an Selby ging. Doch den letzten Frame der Session gewann mit einem 70er Break wieder Brecel. Endstand der Session: Brecel 6–2 Selby.

Ich war nicht die einzige Person, die fand, dass Selby müde wirkte. Für mich war er während dieser Session noch nicht komplett in der Partie angekommen. Was angesichts des späten Halbfinal-Endes letzte Nacht auch nicht verwunderte. Von daher konnte ich nach dieser Session zwar bestätigen, dass Brecel hier sein Spiel über weite Strecken zeigen konnte. Aber ob er das auch über die nächsten drei Sessions beibehalten würde, wagte ich zu bezweifeln. Zu oft habe ich schon einen zurückliegenden Selby zurück ins Spiel kommen sehen. Bei beiden ist in allen Bereichen auch noch viel Luft nach oben.

Um 20 Uhr geht es mit der zweiten Session weiter, morgen um 14 und 20 Uhr folgen Session drei und vier.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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