Frisches Viertelfinale mit etwas „altem Eisen“

Jack Lisowski mit zusammengepressten Lippen, mit Queue in der Hand auf dem Weg aus der Arena, nachdem der Einzug ins Viertelfinale gescheitert ist.
Lisowski kämpfte sich noch zurück, blieb am Ende aber ohne Erfolg. © World Snooker/Tai Chengzhe

Si Jiahui ist mit seinen 20 Jahren einer der Jüngsten, die je im Viertelfinale einer WM standen. Neben seinem beeindruckenden Auftritt gab es noch mehr Schönes und weniger Schönes zu sehen. und haben sich die etwas einseitigen Achtelfinals angeguckt.

Selby kommt langsam in Fahrt

Bis zum 6–6 bewegten sich Mark Selby und Gary Wilson sehr ausgeglichen vorwärts. Breaks und taktisches Spiel wechselten sich ab, ohne dass einer von beiden besondere Glanzlichter setzte. Aber dann klickte es bei Selby und er holte sich die letzten vier Frames der Session.

Dort knüpfte er zu Beginn der dritten Session nahtlos an. Ein Century brachte ihn 11–6 in Führung, doch Wilson zog nach und stellte den Vier-Frames-Abstand wieder her. Im 19. Frame konnte Wilson eine von Selby überraschend vom Punkt verschossene Pinke nicht nutzen, um den Frame zu holen. Nur noch ein Frame fehlte Selby zum Sieg. Und nach einem umkämpften Frame mit fiesem Snooker, ein paar Fouls, Freeball, einem tollen langen Einsteiger und anschließendem Mini-Break stand er im Viertelfinale. Dort trifft er morgen um 15:30 Uhr auf John Higgins.

Bei Selby ist auf alle Fälle ein Aufwärtstrend zu verzeichnen. Da ist vielleicht auch ganz gut, dass er hier noch keine Glanzleistungen abgeliefert hat, sondern sich das für später aufspart. Denn wir sehen ja zum Beispiel bei Kyren Wilson, was passiert, wenn die Form zu früh da ist.

Si Jiahui zeigt weiter keine Nerven

Seinem ersten Crucible-Sieg konnte Si Jiahui gleich noch einen zweiten hinzufügen. Im Achtelfinale traf er auf Robert Milkins. Es wurde nicht zum Krimi wie sein Sieg gegen Murphy, sondern es war typisches WM 23-Achtelfinale: einseitig, von Beginn an. Dabei profitierte Si Jiahui auch davon, dass Robert Milkins sein bestes Spiel erneut nicht so richtig abrufen konnte. Frame 1 ging noch an Milkins, dann legte Si Jiahui aber mit einigen guten Breaks einen Spurt ein und führte nach der ersten Session 6–2.

Sein furioses Auftreten konnte Si Jiahui dann zwar nicht aufrecht erhalten, aber seine Fehler blieben unbestraft. Er gewann auch die zweite Session und brauchte dann nur noch zwei Frames in der letzten Session, um den Sieg nach Hause zu bringen. Das gelang ihm und mit seinem zweiten Century des Matches machte er den ungefährdeten 13–7-Sieg perfekt.

Vor 25 Jahren hatte Matthew Stevens als 20-jähriger Debütant das Viertelfinale erreicht. Wünschen wir Si Jiahui, dass er etwas mehr Glück hat, mal den großen Titel einzuholen, wie Shaun Murphy schon orakelt hat. Neben Jak Jones ist Si Jiahui der zweite Debütant in diesem Jahr, der das Viertelfinale erreicht. Das ist seit 1988 nicht mehr passiert.

Viele sehen Si Jiahui in diesen Tagen das erste Mal spielen und denken sich: So schön und unbekümmert, wie der aufspielt. Solche Kommentare finden sich viele auf Social Media. Aber dahinter steckt sicherlich auch ein gut gelegter Fokus und womöglich ein bisschen Arbeit. Si Jiahui hat schon eine kleine Geschichte, wenn es um das Verspielen sicher geglaubter Vorsprünge geht. Und wenn wir zwei Wochen zurück denken, wirkte Si Jiahui gar nicht so abgebrüht, als Florian Nüßle in der Qualifikation gegen ihn ein Comeback startete, Umso beeindruckender, wie mental stark Si Jiahui sich in der Endrunde präsentiert. Er selbst erklärt das so: „Seit der Qualifikation fühle ich mich emotional ganz friedlich und ruhig. Ich behandle es hier wie ein unwichtiges Turnier, wie tägliches Training. Und ich versuche, das Crucible zu genießen.“

Lisowski macht den Lisowski und wacht dann doch noch auf

Warum ich, Lula, mir ausgerechnet das Spiel McGill-Lisowski vorgenommen habe, bleibt mir ein Rätsel. Ja, ich dachte mal wieder, das könnte doch eine tolle, abwechslungsreiche Partie werden. Doch – zack – führte McGill mit 7–1 und alle Lisowski-Fans weinten. Es war schon ein Fall von „erst hatte er kein Glück und dann kam noch Pech dazu“, aber Lisowski traf auch nicht immer die besten Entscheidungen bei der Stoßauswahl. Seine Safeties waren nicht zwingend genug und McGill machte seine Sache wie immer klinisch sorgfältig. Ganz nebenbei spielte er dabei drei Century-Breaks.

Die zweite Session begann genauso katastrophal. Ein taktischer Fehler von Lisowski und McGill stahl den ersten Frame auf Schwarz. Auch die nächsten beiden gingen an ihn. Doch dann wachte Lisowski auf und ich kam doch noch auf meine Kosten. Es gelang ihm, vier Frames in Folge zu gewinnen, bevor McGill den letzten Frame holen konnte. Dabei versuchte Lisowski sogar noch ein Maximumbreak, scheiterte aber leider an der 13. Schwarzen. Mit Lisowski 5–11 McGill ging es in die letzte Session.

Dort gelang es ihm tatsächlich, Druck aufzubauen und die ersten zwei Frames in einem Rutsch zu gewinnen. Im 19. Frame zeigte McGill dann richtig Nerven. Erst verschoss er Schwarz vom Punkt, später eine Rote auf die Ecktasche. Zwei Chancen reichten für Lisowski zum erneuten Framegewinn. Nun stand es nur noch 8–11. Der 19. Frame war umkämpft und wir sahen Fehler, einen versenkten Spielball und zufällige Safeties. Am Ende war McGill der erleichterte Sieger. Das Publikum freute sich, dass es noch ein Midsession Interval gab, denn mittlerweile war das Spiel am anderen Tisch schon beendet.

Die erste Chance nach der Pause hatte McGill, doch nach drei Punkten durfte Lisowski wieder an den Tisch. Ein blöder Fehler seinerseits machte aber seine ganze Arbeit des Kommzurücks zunichte und McGill besiegelte das 13–8. Damit stand er im Viertelfinale, wo er morgen um 15:30 Uhr auf Si Jiahui trifft.

Higgins macht es kurz, aber schmerzvoll für Kyren Wilson

Fast hätten wir dieses Achtelfinale ganz vergessen. Während sich manche Matches über drei Tage zogen, begann das Achtelfinale zwischen John Higgins und Kyren Wilson am Sonntagvormittag und war schon am Abend in der zweiten Session zu Ende. Higgins startete stark mit zwei Centuries und gewann dann auch einfach alle anderen Frames der Session. Den maximalen Wilson der Vorrunde suchten wir vergebens. Wann immer er mal in die Bälle kam, fand er entweder eine Gelegenheit, einen Bock zu schießen oder hatte einfach Pech. Dazu passen dann auch die Gerüchte, dass er zwischen den Sessions wohl sein Queue irgendwie runtergeschmissen und dabei beschädigt habe. Zwei Frames konnte er am Abend immerhin noch holen, aber am Ende war es ein äußerst souveräner 13–2-Sieg für John Higgins.

Wir alle wissen, bei einer Weltmeisterschaft dürfen wir John Higgins nicht abschreiben. Das gehört zum klassischen Snooker-Grundwissen. Nach einer eher bescheidenen Saison stand der Schotte zu Beginn der WM aber nicht bei vielen sehr weit oben auf der Favoritenliste. Das dürfte sich nach seinen zwei starken Performances und diesem überzeugenden Einzug ins Viertelfinale aber geändert haben.

Die Paarungen im Viertelfinale lauten

Ronnie O’Sullivan gegen Luca Brecel
Mark Allen gegen Jak Jones
Anthony McGill gegen Si Jiahui
John Higging gegen Mark Selby

Alle Spiele in der Übersicht findet ihr auf unserer Turnierseite. Die Eurosport-Sendezeiten sind hier. Und hier gibt es weitere Möglichkeiten, die Spiele zu verfolgen.

Ruhe in Frieden, Beardy Medal Man

Zum Schluss noch eine traurige Nachricht. Viele kannten ihn aus dem TV, Peter Lewis, den Mann mit dem weißen Bart, der immer eine Medaille um den Hals trug. Meist stand Peter in den letzten Jahren bei den Übertragungen im Wintergarten, wo er große Bekanntheit erlangte. In diesem Jahr war er nirgends zu sehen und auf Twitter wurde schon nach ihm gefragt. Heute erfuhren wir, dass er vor einigen Wochen verstorben ist.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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