WM-Quali: Erste Runde mit Rekorden und Decidern

WM-Quali: Stan Moody, sehr junger, weißer Spieler mit kurzen, blonden Haaren am Snookertisch beim Stoß.
Nein, wir sind nicht bei der U-18-WM: Stan Moody (16) in der ersten Runde der WM-Quali. © World Snooker/Tai Chengzhe

Die erste Runde der WM-Quali ist fast beendet, die zweite Runde hat schon begonnen. Die ersten unserer Favorit*innen mussten sich verabschieden und die ersten Tränen sind schon vergossen. Hier bringen euch Målin und Lula auf den neuesten Stand.

Die aussichtsreichen Profis starten ja erst in den späteren Quali-Runden. Natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass jemand vier Matches auf dem Weg zum Crucible gewinnt – so wie Michael White und Jackson Page im letzten Jahr. Målin trippt in diesem Jahr auf Dylan Emery, Lula hat keine Ahnung. Auch im ‚Tour Survival‘ geht es erst ab Runde 2 so wirklich hoch her. Sodass die erste Runde vor allem den Neuprofis und den eingeladenen Amateur-Spieler*innen gehört. Aber auch ein paar altbekannte Namen starteten in Runde 1, darunter Ex-Weltmeister Hendry und Doherty ebenso wie Marco Fu.

Leider konnte Marco Fu nicht die Leistung zeigen, die uns beim Hongkong Masters Hoffnung auf seinen Tourverbleib gemacht hatte. Er hat mit seiner 5–10-Niederlage gegen ‚Amateur‘ Martin O’Donnell seine Tourkarte verloren.

Nüßle, Boiko und Moody auf dem Vormarsch

Besonders erfreulich war das gute Abschneiden von Florian Nüßle und Iulian Boiko. Die beiden haben diese Saison eine Qualifikation für die Tour bisher knapp verpasst, sind aber derzeit die vielleicht besten Talente Kontinentaleuropas (ohne Tourkarte). Florian Nüßle konnte sich in der ersten Runde souverän mit 10–2 gegen den erfahrenen Michael Judge durchsetzen. Iulian Boiko gelang dasselbe Ergebnis gegen Muhammad Asif. Dabei spielte er auch zwei Centuries.

Sowohl Florian Nüßle als auch Iulian Boiko haben in diesem Jahr noch die Chance, sich über die Q School für die Tour zu qualifizieren. Oder sie qualifizieren sich fürs Crucible. Solange sie noch im Wettbewerb sind, muss träumen auf jeden Fall erlaubt sein! Beide spielen morgen ihr zweites Match. Florians nächster Gegner ist Si Jiahui, Iulian trifft auf Stuart Carrington.

Im Gegensatz zu den beiden ist Stan Moody durch seinen WSF Junior Titel nächste Saison sicher als Profi dabei. Er bekam hier auch die Chance, sein Debüt bei der Weltmeisterschaft zu geben und wusste sie zu nutzen. Gegen Andres Petrov ging er zunächst in Führung und behielt dann die Nerven, als Petrov ein Comeback startete. Stan Moody gewann 10–7 und Petrov hatte viel Lob für seinen jungen Kontrahenten übrig:

Wertvolle Erfahrung für junge Talente

Ein paar andere junge Talente blieben ohne Sieg, konnten aber wertvolle Erfahrungen sammeln. U-18-Europameister Révész Bulcsú verpasste den Start in sein Match, konnte nach schnellem 0–5-Rückstand aber noch ein gutes 5–10 erreichen. Filips Kalnins (16) ist hoffentlich nicht zu enttäuscht. Er blieb gegen Allan Taylor ohne Framegewinn und gab die beiden letzten Frames auch erst auf Schwarz ab. Vielleicht behält er sein Debüt hier aber trotzdem als schöne Erinnerung im Gedächtnis und konnte Erfahrungen sammeln.

Ein sehr unterhaltsames Match war die Begegnung zwischen Sanderson Lam und Liam Pullen, die sich als Trainingspartner auch gut kennen. Profi Lam behielt mit 10–7 die Überhand. Aber in einem Match auf guten Niveau konnte Liam Pullen viele Akzente setzen, darunter ein Century. Ein junges Talent, auf das wir noch Auge haben werden.

Century-Rekorde bei den Frauen

Insgesamt können wir sagen, dass keine der fünf Frauen sang- und klanglos untergegangen ist. Rebecca Kenna (gegen Alfie Burden) und Baipat Siripaporn (gegen Aaron Hill) verloren ihre Spiele mit 3–10. Bei beiden wäre mehr drin gewesen, aber für die ungewohnte Matchlänge haben sie sich gut geschlagen.

Mink Nutcharut war richtig nahe an einer Sensation. Beim Stand von 7–8 hatte sie den Ausgleich quasi auf dem Queue, doch musste sie die Führung im Frame noch an Poomjaeng abgeben. Danach war dann die Luft raus und Poomjaeng gewann 10–7. Allerdings machte sie im 13. Frame ein Century-Break von genau 100 Punkten: Das erste Century einer Frau bei einer WM, seit Kelly Fisher 2002 gegen Ryan Day eine 106 spielte.

Diese geschichtsträchtige Leistung wurde einen Tag später von Ng On Yee in den Schatten gestellt. In ihrer Partie gegen Michael Holt spielte sie eine 115. Das war nicht nur ihr erstes Profi-Century, sondern auch das höchste Break, das eine Frau je bei einer WM-Qualifikation erzielt hat. Das Break könnt ihr hier angucken. Das Spiel wird heute Abend entschieden. Zu Zeit steht es Ng On Yee 4–5 Michael Holt. (Update: Ergebnis Holt 10–8 On Yee)

Lula mit gemischten Gefühlen bei Late Night Decidern

Gleich am ersten Abend habe ich meine gesamte Nervenstärke für die WM-Quali aufgebraucht. Steven Hallworth, den ich wirklich gerne spielen sehe und wieder auf der Tour hätte, lag schon 3–7 zurück und meine Hoffnungen waren im Keller. Aber dann startete er ein tolles Kommzurück und ging sogar 9–8 in Führung. Aber John Astley erzwang nicht nur den Entscheidungsframe, sondern gewann diesen auch. Morgens um halb eins war ich am Boden. Diese Enttäuschung musste ich erstmal verkraften.

Aber gleich am nächsten Abend ging es in meinem nächsten Favoritenmatch wieder über die ganze Distanz. Sean O’Sullivan ging nach 0–2 und 2–3 Rückständen 9–8 in Führung. Doch der 18. Frame hatte es in sich: Sieben Foul/Miss produzierte O’Sullivan auf Gelb, bis sein Vorsprung dahin war und er den Frame an Liam Graham abgeben musste. Doch im Entscheidungsframe hatte er das bessere Ende für sich und ich konnte einigermaßen beruhigt schlafen gehen.

Målin und das Hendry Comeback

Zugegeben ein paar flapsige Kommentare habe ich mir hier und da auch nicht verkneifen können. Im Großen und Ganzen habe ich persönlich das angeblich große Comeback aber eher mit einer Portion Desinteresse verfolgt. Bis heute, denn heute spielte Hendry gegen einen meiner Lieblings-Underdogs: James Cahill.

Cahill war – für ihn ungewöhnlich – zuletzt gut drauf, Hendrys Comeback verlief bisher im Sande. Ich dachte also, da brennt nichts an. Beide starteten nervös mit vielen Fehlern in Spiel, bis sich Stephen Hendry dann mal zusammen riss und ein Century spielte, sein insgesamt 777-tes. Ich malte mir Horrorszenarien aus, auf Social Media begannen Fans des Crucible Kings zu träumen. Doch diese Träume zerplatzten schnell, Hendry machte weiter viele Fehler, Cahill fand dafür ins Spiel. Der „Giant Killer“ führt nach der ersten Session 7–2. Das Spiel läuft noch, aber es sieht gut aus für meine Nerven. (Update: Ergebnis Cahill 10–4 Hendry)

Ansonsten habe ich die erste Runde Snooker so geschaut, wie ich es am liebsten mag: Ohne großen Erwartungen in ein Match einzuschalten und im Verlauf immer emotionaler zu werden und immer mehr Partei zu ergreifen. So habe ich mich ganz besonders über Anton Kazakovs Sieg gefreut und mit Gao Yang mitgelitten, der seinen Decider gegen Andrew Pagett verlor.

WM-Quali, Runde zwei

Am Nachmittag starteten die ersten Spiele der Runde zwei. Entscheidungen fallen dort erst morgen. Hier könnt ihr alle Ansetzungen im Überblick finden, mit Sessionzeiten und Zwischenergebnissen. Lula wird bei der Partie Sean O’Sullivan gegen David Grace hoffentlich ohne Sauerstoffzelt auskommen, weil sie beide eine Runde weiter sehen möchte und es ja mindestens einer schaffen wird. Und Målin freut sich schon auf eine mögliche Begegnung der beiden jungen Belgier Julien Leclercq und Ben Mertens, weil es ihr absolut egal ist, wer das dann gewinnt.

Barry Pinches in der WM-Quali 2023

Barry Pinches machte mit einer 140 das bisher höchste Break im Turnier.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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