Wir lassen uns die schlechte Laune nicht verderben!

Screenshot eines Testbildes mit dem Text: Please stand by. We are experiencing technical difficulties.
Der einzige Screenshot der Snooker-Übertragung, den wir (hoffentlich) ohne Copyright-Verletzung posten dürfen.

Jedes Jahr dasselbe … plötzlich ist der erste Titel vergeben und wir sind noch gar nicht richtig am Start. Dieses Mal ist Shaun Murphys Erfolg in der Championship League fast völlig an uns vorbeigegangen.

Richtig verpasst haben wir ihn eigentlich nicht. Diese Championship League ist ja das perfekte Format zum Aufwärmen für die Saison. Es wird wochenlang in Gruppen gespielt, mal guckst du rein, mal verpasst du ein Spiel. Jeden Tag dieselbe Routine: Die ersten Spiele sind ein bisschen egal, bei den nächsten kristallisiert sich schon etwas heraus und am Ende des Tages kaust du auf deinen Nägeln oder es ist eh schon alles entschieden. So geht das mit so vielen Gruppen, dass du völlig den Überblick verlierst und dann kommt Phase zwei und Phase drei und plötzlich ist Finaltag. Am Ende spielen Shaun Murphy und Mark Williams im Finale. Murphy gewann 3–0 und zeigte, dass er sein Formhoch über die Sommerpause mitgenommen hat.

Was hängengeblieben ist: Michael Holt hat die erste Phase überstanden und schied dann nur ganz knapp aus, Gary Wilson war irgendwie nicht so gut und Mark Davis versaut es wieder mit einem letzten Ball. Außerdem machten die Neulinge Liu Hongyu und Long Zehuang auf sich aufmerksam. Überraschungs-WM-Halbfinalist Si Jiahui ist trotz vieler Presseanfragen über die Sommerpause mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben und legte einen passablen Saisonstart hin.

Spaßverderber World Snooker Tour und Matchroom

Was allerdings am meisten in Erinnerung bleibt, ist die Frage, ob die Veranstalter WST und Matchroom auch schon gemerkt haben, dass die neue Saison losgegangen ist. Auf der Webseite der Championship League standen falsche Spielansetzungen, weil Absagen und Nachrückende nicht aktualisiert wurden. Die Social Media Konten blieben weitgehend stumm. Der Live-Stream von Tisch 2 wanderte per Zufallsprinzip von Plattform zu Plattform und ich habe keine Ahnung, was auf Matchroom los war. snooker.org war der einzige Ort mit Livescores, auf der Seite von World Snooker standen tagelang falsche Resultate. Dass das erste Ranglistenturnier der Saison lief, sahen wir erst nach einigen Tagen, als die falschen Banden mit der Aufschrift „Championship League Invitational“ endlich gegen die richtigen ausgetauscht wurden.

Es war, als wären die Fans und die Spieler*innen die Einzigen, die sich für das Turnier interessierten. Und bei uns kam deshalb auch nicht so richtig Spaß auf. Nach der letzten Saison mit Wettskandal und anderen Widrigkeiten hatten wir auf einen frischen Neustart gehofft.

Livescoring, das keins ist

In Ermangelung von Live-Scores von WST zählte das Team von snooker.org mit Hilfe der Live-Streams. Nicht wenige Menschen stellten fest, dass sie ohne diesen Service aufgeschmissen wären.

Mit einigen Tagen Verspätung ging dann das Livescoring-System an den Start. Es ist allerdings immer noch so unzuverlässig, dass es den Namen nicht verdient hat.

Angeblich wird es laufend verbessert. Aber noch immer gibt es keine Anzeige für die Punkte, die noch auf dem Tisch sind, geschweige denn 50+ Breaks. Immerhin gibt es jetzt einen Kalender. Es wäre nur ganz praktisch, wenn die Einträge darin nach irgendetwas sortiert wären.

World Snooker Tour benutzt das alte System nicht mehr, da der Vertrag ausgelaufen ist. Doch das neue System war zum Saisonstart nicht fertig. Über die Gründe können wir nur spekulieren, doch wahrscheinlich haben sie sich einfach zu spät um Ersatz gekümmert. Deshalb hantieren sie nun mit einem sogenannten Übergangssystem, bis die neue Webseite inklusive Livescoring fertig ist. Im Snookerscene-Podcast mit Dave Hendon sagte der neue Media-Mensch beängstigenderweise, dass „die Arbeiten am neuen System bald schon beginnen werden“. Seiner Prognose zufolge wird es zu British Open Ende September an den Start gehen. Das wäre ja „das erste große Turnier der Saison“. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir wäre so etwas extrem peinlich, wenn ich dafür verantwortlich wäre.

Wer verdient eigentlich was?

Das Ganze ist eine gute Gelegenheit, um nochmal zu erwähnen, dass unheimlich viel der Arbeit rund um Snooker ehrenamtlich oder nur minimal bezahlt gemacht wird. Ob es die Referees und Sicherheitsleute bei Turnieren oder die Teams von snooker.org oder Cuetracker sind. Auch Snooker-Blogs, Podcasts und die Autor*innen für die Programmhefte tragen zur Bekanntheit und Information über Snooker bei, ohne dafür bezahlt zu werden. Es ist offensichtlich ganz normal, dass Leute arbeiten, während WST, Matchroom und andere das Geld verdienen.

Doch um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen, gibt es immer wieder Interventionen gegen dieses Engagement. Mit großem Bedauern haben wir miterlebt, dass Kanäle wie Snooker-Room, die Aufzeichnungen von Partien veröffentlicht haben, abschalten mussten. Statt sich darum zu kümmern, ihr Business vernünftig auf die Reihe zu bekommen, verschickt WST an Leute, die zum Beispiel das Twitter-Schweigen der offiziellen Kanäle mit Screenshots und kurzen Video-Clips von der Qualifikation gefüllt haben, nette Aufforderungen: „Können Sie es unterlassen, Material zu posten, woran Sie keine Rechte besitzen?“ Auf die Anmerkung, dass es doch vielleicht ein bisschen beim Marketing helfen würde, kam die Antwort: „Wir verstehen den Gedanken. Bitte folgen Sie unserer Anweisung.“ Ich bewundere die edle Zurückhaltung der Person, der das widerfahren ist. Ich hätte wahrscheinlich etwas zurückgeschrieben, das mit „fuck“ anfängt und mit „off“ aufhört.

Gespielt wird auch noch

Genug gemeckert. Der Kalender füllt sich nun langsam auch wieder mit Events in Asien. Die jüngste Ergänzung war die International Championship, die im November in China stattfindet. Momentan spielen die Aktiven um eine Teilnahme an den Last 64 des European Masters (im August in Nürnberg). Dabei konnte Sean O’Sullivan mit einem brillanten Maximum-Break ein besonderes Highlight setzen. Auch wenn er leider das Match gegen Barry Hawkins verlor, freut es mich, dass er hier nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch etwas Selbstvertrauen tanken konnte.

Lukas Kleckers ist leider an Ricky Walden gescheitert. Aber Reanne Evans konnte endlich einen Sieg verbuchen. Besonders beeindruckt hat uns Ben Mertens, der Gary Wilson im Decider schlagen konnte. Beim Stand von 3–4 und 0–60 brauchte er schon Snooker und das Bild auf dem Tisch war alles andere als leicht. Doch er konnte Frame und Match noch stehlen. Evans und Mertens werden wir also in Nürnberg sehen können.

Dieses Jahr werden die Spiele der Top 8 der Weltrangliste als Held-Over-Matches in Nürnberg gespielt. Somit wird das Publikum sicher in den Genuss von Kyren Wilson als Titelverteidiger sowie Judd Trump, Ronnie O’Sullivan, Mark Selby, Shaun Murphy, Neil Robertson, Mark Allen und Weltmeister Luca Brecel kommen. Wir sind guter Dinge, dass die Menschen vor Ort mit ihrer Begeisterung für eine tolle Stimmung sorgen und damit auch den Spielern endlich wieder die verdiente Snooker-Atmosphäre bescheren werden. Damit rücken auch die sportlichen Leistungen wieder in den Mittepunkt.

SnookerPRO leider nicht beim European Masters

Leider wird niemand aus dem SnookerPRO-Team in Nürnberg vor Ort sein. Trotzdem haben wir ein paar schöne und/oder interessante Artikel für das Programmheft geschrieben. Målin hat die Urteile zum Wettskandal zusammengefasst und eingeordnet, ich habe über Snooker-Podcasts und Mark Davis und die Invitational Tourcards geschrieben. Werft also unbedingt einen Blick hinein, wenn ihr vor Ort seid.

Målin und ich sind also ein bisschen hin- und hergerissen. Einerseits sind wir traurig, genervt und frustriert von den oben genannten Geschehnissen in unserem Lieblingssport. Und davon, dass wir wegen Krankheit, Ausbildung und Geldmangel in Nürnberg nicht dabei sein können. Andererseits freuen wir uns natürlich sehr, dass Zhou Yuelong und Mark Davis sich qualifiziert haben.

Aber wir haben beschlossen, uns unsere schlechte Laune nicht durch den Erfolg unserer Favoriten verderben zu lassen.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

SnookerPRO folgen

5 Gedanken zu „Wir lassen uns die schlechte Laune nicht verderben!

  1. Pünktchen

    Der Artikel stimmt mich sehr wehmütig. Es scheint, nicht nur Twitter, sondern auch unser Lieblingssport wird mit jeder kleinen oder großen ‚Neuerung‘ systematisch etwas mehr kaputt gemacht.

    Alles sehr traurig. Aber meine aktuelle Stimmung hast du mit diesem Artikel wieder einmal auf den Punkt eingefangen.

  2. Lula Witzescher Artikelautor

    Tut mir leid, wenn ich dich damit traurig stimme. Wahrscheinlich ist es am besten, wieder dahin zurückzukehren, einfach nur wahllos irgendwelche Spiele zu gucken, keine Hintergrundinfos einzuholen, keine Erwartungen zu haben … einfach nur selig meditierend dem Klack-Klack und dem Lauf der bunten Kugeln zu folgen.

    Wirst du denn in Nürnberg sein? Falls ja, grüß den Mark Davis von mir und amüsier dich gut.

  3. Pünktchen

    Back to the roots? Ja, da werde ich wohl auch bald wieder ankommen.

    Nein, ich fahre leider auch nicht nach Nürnberg. Obwohl ich so gerne den Sheriff (und natürlich auch ein paar andere) dort live gesehen hätte.

Kommentare sind geschlossen.