WM 2023: Qualifikanten mit beeindruckenden Auftritten

Qualifikant Pang Junxu bei der WM 2023, im Hintergrund O'Sullivan
Pang Junxu war nicht weit weg von der Sensation. © World Snooker/Tai Chengzhe

Die Qualifikanten haben bisher bei der ersten Runde der WM 2023 teilweise beeindruckende Leistungen gezeigt. Hossein Vafaei beendete Ding Junhuis Titelambitionen, Jak Jones gewann sein Debüt gegen den gesetzten Carter.

Zwar konnten nur diese beiden bisher ihr Erstrundenmatch gewinnen, der bisherige Rekord von acht Favoritenstürzen in der ersten Runde ist damit in weiter Ferne. Aber auch in anderen Matches gab es gute Leistungen der nicht gesetzten Spieler zu sehen.

Jak Jones und Hossein Vafei mit starkem Spiel

Sowohl Jak Jones gegen Ali Carter wie auch Hossein Vafei gegen Ding Junhui (jeweils 10–6) spielten hier extrem stark auf. Während Vafei erst spät ins Spiel fand, wurde seine zweite Session durch die Bank als eine seiner besten Performances gelobt.

Fluch und Segen der langen Spiele

Die Partie zwischen dem Titelverteidiger O’Sullivan und Debütant Pang Junxu wäre in einem anderen Turnier einfach eine Klatsche geworden. Mit 0–5 lag der Qualifikant zurück und außer einem schönen 50er Break im ersten Frame hatten wir von ihm nicht viel gesehen – außer Unsicherheiten. Doch dann knallte er mal kurz eine 133 in die Löcher und fing damit an, im Spiel Fuß zu fassen. Ab da bot er O’Sullivan ordentlich Paroli. Und am Ende standen auf seinem Zählzettel immerhin das Century, sechs 50+-Breaks und sieben gewonnene Frames. Bei einem Best-of-7-or-9 hätten wir uns nur gefragt, was der denn da will. So gab es aber mal eine schöne Gelegenheit, mehr von ihm zu sehen, auch wenn es am Ende nicht zur Sensation gereicht hat.

Ein ähnliches Bild sahen wir in der ersten Session von Fan Zhengyi gegen Mark Allen. Auch hier lag Fan schnell 0–5 zurück, bevor er mit einer 122 sein 3-Frame-Kommzurück einleitete und dieses mit einer 110 abschloss. Allen konnte den letzten Frame der Session zum 6–3 holen. Diesen Vorsprung konnte Fan nicht mehr wettmachen. Am Ende gewann Allen 10–5. Fan ist übrigens der einzige chinesische Spieler außer Ding Junhui, von dem ich ein Interview (auf Chinesisch mit Untertiteln in Englisch) gefunden habe.

Für Jimmy Robertson war es genau anders herum. Er startete stark gegen Mark Williams und führte nach der ersten Session mit 5–4. Er hatte seine Chancen gut verwertet und gute Breaks gespielt. Doch am nächsten Tag lief gar nichts für Robertson. Aus den wenigen Chancen, die Williams ihm gab, machte er nur kleine Breaks. Ja, es war auch etwas Pech dabei. Aber ich denke, dass die steigende Frustration auch keinen guten Einfluss auf seine Leistung hatte. Robertsons Schwester hatte so etwas schon geahnt, wie ihr hier lesen könnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben.

Immerhin, einen sensationellen Stoß von ihm konnten wir sehen.

Williams gewann alle sechs Frames der Session zum 10–5-Sieg. Er zeigte sich anschließend gewohnt selbstbewusst. „Heute habe ich gut gespielt und einige gute Breaks gemacht. Meine Form ist ziemlich gut. Ich hab nur keine Turniere gewonnen, aber das ist einfach auch schwierig. Ich bin gefährlich für jeden, denn ich bin immer noch hier und kämpfe und bin schwer zu schlagen.“

Schwimmende und ertrinkende Qualifikanten

Bei David Grace gegen John Higgins hat der Qualifikant leider nicht so viel Zählbares erreicht, aber wir hoffen, er kann es trotzdem genießen. Er hätte dem Higgins nicht wirklich so viele Chancen hinlegen müssen, der kann das ohne Hilfe ja auch ganz gut. Immerhin war das andere Spiel so früh zu Ende, dass nach Hochfahren der Zwischenwand die beiden in ein verfrühtes One-Table-Set-Up kamen. Hier steht es Higgins 7–2 Grace. Update: Endergebnis Higgins 10–3 Grace.

Stuart Bingham setzte mit einem 10–4 seine 100%ige Siegesserie gegen David Gilbert fort. Gilbert sagte nach seiner Niederlage: ‚It is what I deserve really. I have to go and sort my life out, have been far too big a mess for far too long. I will never be able to play snooker again the way I am. I need to go away and do a lot.‘ Es tut mir leid zu hören, dass es bei ihm offensichtlich auch abseits des Tisches nicht gut läuft. Allerdings habe ich den Eindruck, dass das irgendwie schon ein Motto bei Gilbert ist.

Erleichterung & Rekord

Luca Brecel konnte endlich seinen ersten Crucible-Sieg einfahren. In einem ausgeglichenen Spiel besiegte er Ricky Walden im Entscheidungsframe.

Wu Yize musste den Großteil seines Matches gegen Neil Robertson von seinem Stuhl aus gucken. Bei seiner 3–10-Niederlage kam er aber in den Genuss eines Rekordes: Neil Robertson spielte zwei der seltenen 146er Breaks. Davon wurden im Crucible bisher insgesamt nur vier gespielt. Und natürlich noch niemals zwei von einem Spieler in ein und demselben Match.

Medienzirkus

Da das Spiel selber so langweilig ist, muss natürlich von den Medien immer ordentlich über Dinge berichtet werden, die dessen nur begrenzt würdig sind. Darüber habe ich ja schon einmal geschrieben. Dabei handelt es sich meistens um sogenannte Coping-Mechanismen, also Verhaltensweisen von Profis, um mit dem Druck im Turnier fertig zu werden. Da wäre einmal die Strategie zu behaupten, man würde nicht trainieren, dann die Strategie zu behaupten, Snooker interessiert einen nicht (Quellen hinreichend bekannt) bis hin zum großmäuligen Gegner-Bashing.

Und dann natürlich die most annoying überflüssige Suche nach überflüssigen Spitznamen für Spieler, die das eigentlich für ziemlich blöd halten. Alles medienwirksam und vielkommentiert, aber letztendlich nicht besonders interessant.

Aber in den Tiefen des Netzes finden sich doch auch etwas interessantere Geschichten. Wie zum Beispiel die von Robert Milkins, der hier beim Hund-Ausführen in Gummistiefeln von Rob Walker interviewt wird. Und mit BBC Radio 5 über Sporting Chance gesprochen (eine Organisation, die bei der Bewältigung von Problemen hilft) hat.

Und Peter Devlin hat über den Traum und die Enttäuschungen eines Snookerspielers ein tolles und berührendes Lied geschrieben. Wer wie ich kurz vor Weihnachten schon einmal mit einem jungen, extrem einsamen Profi gechattet hat, weiß, dass das die bittere Realität ist.

Spielabbruch bei Perry gegen Milkins

Kontrovers diskutiert wird natürlich auch der Protest von ‘Just Stop Oil’ , der das Spiel zwischen Joe Perry und Robert Milkins am Abend zum Abbruch brachte. Aber ich weiß, wohin einen die Verzweiflung treiben kann, mit den eigenen Anliegen nicht gehört und beachtet zu werden, egal wie nett oder nicht nett sie vorgetragen werden.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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