Steven Hallworth: Shoot-Out-Märchen für Amateur

Steven Hallworth beim Shoot-Out mit SnookerPRO-Logo am Oberarm
Wir waren bei Stevens Spielen quasi hautnah dabei.

Er war so nah dran an der Sensation, doch dann hat es nicht ganz gereicht. Steven Hallworth erreicht beim Shoot-Out sensationell das Halbfinale. Wir blicken zurück und sprechen dabei nicht nur über Spaß und höchst merkwürdige Nicknames, sondern auch über Geld.

Mit Siegen über Jamie Jones, Mark Joyce, Alexander Ursenbacher, Long Zehuang und Dominic Dale hatte Steven am Samstag Abend das Halbfinale erreicht, wo er gegen den späteren Sieger Mark Allen ausschied.

Ehrlich gesagt war ich nach dem Halbfinale sprachlos, sodass meine Kollegin Målin den Finalartikel übernehmen musste. Sie hat dabei schon über die meisten Highlights des Turniers berichtet.

Ich konnte nach der Achterbahn der Gefühle kaum einen klaren Gedanken fassen und fragte mich, wie es Steven selber jetzt wohl geht. Seine Antwort war ganz klar: „Ich bin enttäuscht. Ich dachte, ich würde vielleicht den Pokal mit nach Hause nehmen, aber Mark war einfach zu gut.“ Das kann ich gut verstehen. Doch über die Enttäuschung sollte er nicht vergessen, was ihm Tolles bei diesem Turnier gelungen ist.

Als wir den Sponsoring-Pool gestartet haben, um Steven mit den Kosten für die Teilnahme am Shoot-Out zu helfen, haben wir nicht zu träumen gewagt, dass er die Chance so dermaßen gut nutzen würde. Wir dachten vorsichtig an ein gewonnenes Match. Vielleicht zwei. Eine der Spenderinnen antwortete zwar im Vorfeld auf meine Bermerkung, Steven solle sich endlich wieder für die Tour qualifizieren „Das könnte mit dem Titel beim Shoot Out über das Jahresranking klappen. 😉“ Aber wirklich dran geglaubt? Nein, eher nicht. Doch es wurden viele Daumen gedrückt und heftig mitgefiebert.

Steven Hallworth souverän in ersten Runden des Shoot-Out

Seine erste Partie gegen Jamie Jones brachte er (von außen gesehen) ganz kontrolliert mit 48–14 über die Bühne. Meine Chats waren voller Bizeps-Emojis und Party-Popper. Ich war nur leicht irritiert über Stevens Vorstellung als „Lincolnshire Sausage“:

Bei der Partie am nächsten Tag gegen Mark Joyce war ich schon etwas aufgeregter, aber Steven brachte sie mit 51–12 nach Hause. Ich suchte nach unserem Logo auf Stevens Oberarm, das leider trotz seiner langen Zeit am Tisch kaum zu sehen war. Nach dem Sieg tanzte ich vor Freude auf dem Tisch. FINALTAG!

Am Finaltag wurde es dann noch aufregender. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen, dass ich noch BEIDE favorisierten Spieler im Rennen hatte, Mark Davis und Steven Hallworth. Steven musste gegen Alexander Ursenbacher ran und aus der Lincolnschen Wurst war inzwischen „Sizzling Steven Hallworth“ geworden. Twitter badete in Wurst-GIFs.

Gleich der erste lange Ball von Steven ging nicht rein und der Spielball öffnete die Roten. Doch auch Alex Ursenbacher tat sich schwer. Er verstellte sich und das Break war schnell zu Ende. Dreieinhalb Minuten vor Schluss zeigte der Spielstand ganze 9 Punkte Unterschied. Am Ende war es wieder ein exzellenter Einsteiger, der Steven den entscheidenden Vorteil inklusive Framegewinn brachte. Von mir anschließend nach dem Zustand seiner Nerven gefragt, antwortete er kurz und knapp: „In bits. 😂“

Muffensausen und Daumendrücken

Im Achtelfinale gegen Long Zehuang spielten sie zwei Minuten Safeties, bevor Long den Spielball versenkte. Aus der Ball-in-Hand-Situation machte Steven einen Vorsprung von 34–0, bevor er safe aussteigen musste. Genau zur Hälfte der Spielzeit blieb mir fast das Herz stehen: Steven zeigte ein Foul auf Rot an und Long bekam Ball-in-Hand. Und machte daraus genau einen Punkt, denn er verschoss Schwarz vom Spot. Steven baute seinen Vorsprung aus und auch wenn Long zwei Minuten vor Schluss noch an den Tisch kam, reichte es nicht mehr, um diesen noch einzuholen. Neal Foulds und Phil Studd philosophierten zu diesem Zeitpunkt schon über Stevens Rückkehr auf die Tour, falls er das Shoot-Out gewinnen würde. Mein Adrenalinspiegel war langsam am Limit. Dass Mark Davis parallel auch seine Partien gewann, ließ mich vergleichsweise kühl.

Publikumsliebling Dominic Dale hatte im Viertelfinale die erste Chance und spielte bei 19–0 safe. Mit Geduld erspielte Steven sich eine gute Chance, verstellte sich aber bei 19–9 auf die Farbe und hätte anschließend beinahe den Spielball gelocht. Noch waren 2:45 Minuten auf der Uhr, aber meine Nerven waren schon extrem angespannt. Dale kam an einen offenen Tisch. Und spielte das böseste Misscue, das du in so einer Situation haben kannst. Der Spielball hüpfte über den Tisch, ohne Rot zu treffen. Foul, Ball in Hand für Steven. Den Rest der Zeit nutzte er für ein schönes Break zum Sieg.

Persönliche Bestleistung!

Zum ersten Mal in seiner Karriere stand er im Halbfinale eines Ranglistenturniers! Ich gönnte mir wieder ein Tänzchen auf dem Tisch und im Chat mit den anderen kamen zu den Bizeps jetzt die Partygesichter. Mark Davis‘ Ausscheiden nahm ich gelassen, obwohl ich ihm von Herzen einen Ranglistentitel gegönnt hätte. Aber wen hätte ich denn anfeuern sollen, wenn Steven und er im Finale aufeinandergetroffen wären?

Im Halbfinale musste Steven zum ersten Mal in diesem Shoot-Out den Anstoß spielen und ließ prompt etwas für Mark Allen liegen. Wie es weiterging, könnt ihr hier gucken. Suboptimale Safety und wenig Glück für Steven und am Ende stand es 60–8 für Allen.

Experiment Spenden/Sponsorship ein voller Erfolg

Der Hauptgrund, warum ich bei diesem Turnier so extrem mit Steven mitgefiebert habe, ist natürlich die Tatsache, dass SnookerPRO und einige Menschen aus der Community ihn für das Shoot-Out finanziell unterstützt haben. Mir war es wichtig, dass Menschen sich beteiligen und sich anschließend an seinem Erfolg mitfreuen konnten – was sie auch getan haben! Und ich selbst habe schon lange nicht mehr so viel Freude an einem Snookerturnier gehabt.

Dank von Steven Hallworth für Shoot-Out-Sponsoring: Thank you so so much for the support and help, couldn't have done it without you. It means the world and made it all possible.Steven ist für die Unterstützung sehr dankbar. Ich möchte diesen Dank ausdrücklich an die Menschen weitergeben, die sich beteiligt haben. Wir haben es möglich gemacht, dass Steven hier ein gutes Preisgeld mitnehmen konnte und in der nächsten Zeit weniger finanziellen Druck hat.

Außerdem haben wir viel gelernt über den Unterschied von Sponsoring durch Geschäftsleute und Spenden von Privatpersonen. Steven konnte erleben, dass wildfremde Menschen sich für seine Entwicklung interessieren und bereit sind, dafür Geld zu geben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Und die Beteiligten haben die Erfahrung machen können, dass es keine Riesensummen braucht, um etwas zu bewegen.

Doch der nächste Schritt ist, für ihn ein Sponsoring durch eine Firma zu finden. Denn das Preisgeld fließt zum Teil in Stevens Lebensunterhalt, da er letztes Jahr seinen anderen Job verloren hat und die Kosten für die Turnierteilnahmen stehen weiterhin im Raum. Wer eine Firma kennt oder selber besitzt, die an einem Sponsoring gegen Preisgeldbeteiligung interessiert ist, schreibt mir bitte auf Mastodon oder eine E-Mail.

Weiter geht’s mit den Scottish Open

Ab morgen gibt es dann wieder ‚richtiges‘ Snooker, also mit mehreren Frames pro Spiel. Und einem Publikum, das sich die 3‰ nicht so lautstark anmerken lässt. Die ersten Partien, die Held-Over-Matches der Qualifikation, starten um 11 Uhr mit Titelverteidiger Gary Wilson gegen Elliot Slessor, Jimmy Robertson gegen Amaan Iqbal, Mark Selby gegen Sean O’Sullivan und Ding Junhui gegen David Grace.

Alle Partien im Überblick findet ihr auf unserer Turnierseite.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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