Wer will denn das sehen? – Die erste Runde der WM

McManus Ruhestand, Alan bei der WM 2015 in Tartan-Kombination am Snookertisch
Alan McManus ganz in Tartan-Look. © Monique Limbos

Kaum waren die ersten Frames im Spiel Ding Junhui-Mark Davis gespielt, ging es nicht nur im Netz mit den Bemerkungen los: Was für ein langsames Spiel! Was für ein langweiliges Spiel!! Die Klage über den mangelnden Unterhaltungswert gipfelt in einem Kommentar von John Parrott auf BBC. Er tat seine Meinung kund, dass er Spieler, die sich am TV-Tisch schwer tun, nicht sehen möchte. Und er meinte damit nicht Dark Mavis. Ich frage mich auch schon die ganze Zeit, warum wir uns diesen Mist in Echtzeit angucken müssen. Best of 19. Wer will denn sowas überhaupt sehen? Erste Sessions, in denen nix entschieden wird.* Wen interessiert denn, wie ein Rückstand/Vorsprung zustande gekommen ist, wenn es einen Entscheidungsframe gibt? Und wer will denn diese ganzen langweiligen Spieler sehen???

Im Fußball schaffen sie doch auch, das Ganze vernünftig zu organisieren und angemessen zu berichten. In schönen Zusammenfassungen von 90 Sekunden werden die ganzen Hilflosigkeiten ausgeblendet, die weniger erfolgreichen Züge zusammengeschrumpft und die Höhepunkte werden in Superzeitlupe aus drei verschiedenen Perspektiven wiederholt. Das fühlt sich dann nach einem tollen Spiel an und es bieten sich zudem viele Pausen für die Werbung an. Was für ein Elend dagegen muss ich sehen, wenn ich mich alle 100 Jahre mal auf einen Fußballplatz begebe und mir ein Spiel in voller Länge live anschaue. Ohne Zeitlupen, ohne Großaufnahmen, ohne diese geistreichen Kommentare der moderierenden Zunft. Womöglich noch zweite Liga, wo sie ja so dermaßen sch***e spielen… Bewahre!

Das ließe sich doch wunderbar auf Snooker übertragen: Wenn diese langen Distanzen aus unerfindlichen Gründen unvermeidlich sind, dann sollten die ersten Sessions generell in irgendeinem Kellerloch gespielt werden, den ganzen Kamerakram und so kann man einsparen. Die jeweils letzten Sessions eines Spiels werden aufgezeichnet und am Ende werden die entscheidenden Bälle zusammengeschnitten: Anstoß, Einsteiger, Frameball – aus die Maus! Ach ja, nicht zu vergessen, dass die wirklich unterhaltsamen Dinge des Spiels dann zuschauerfreundlich aufbereitet werden könnten. Ich denke da an eine Endlosschleife des Augenblicks, in dem Ding vergessen hat, dass er auf Maximumkurs ist. Da schafft man eine Partie Davis-Ding in drei Minuten und wir hätten viel mehr Zeit, um uns spannendere Sportarten im Fernsehen anzuschauen. Oder einen ausführlichen Bericht über O’Sullivans Schuhe.

Ding Junhui WSC2015

Bei dem Ding mit dem vergeigten Maximum muss Ding Junhui Humor beweisen. © Monique Limbos

Ok, Ende der Ironie. Fast alle hier wissen ja, dass ich ein Faible für Dark Mavis, Alan McManus und Mark Selby habe, die nun für alles andere als eine rasante Spielweise bekannt sind. Und dass ich darüberhinaus gerne unbekannte Spieler, ja, sogar Amateure anschaue. Ja, auch wenn es unglaublich klingt, ich hätte gestern sogar liebend gerne die Spiele der WM der Frauen gesehen. Ich gehöre zu diesen Menschen, die so etwas sehen wollen. Ich finde das nicht langweilig, auch wenn es manchmal weh tut, dabei zuzuschauen. Im Gegenteil, ich finde es äußerst spannend zu beobachten, wie sich die Körperhaltung verändert, wenn ein Spieler nach einer 4-0-Führung sieben Frames in Folge verliert. Wie jemand reagiert, wenn seine Führung unter dem Kommzurück eines Gegners zusammenschrumpft und selbst die einfachsten Bälle nicht mehr fallen. Wie jemand die Bälle an die Bande kullert, damit der Gegner sie nicht spielen kann. Wie zwei Spieler sich in einem 75 Minuten währenden Frame eine Safety- und Snookerschlacht liefern. Und ich weiß, dass ich nicht allein bin. Ich kenne sogar jemanden, der ist Fan von Rod Lawler. Also Leute, falls ihr euch mal wieder fragt, wer sowas denn sehen will, denkt daran: ICH.

Der Rest in Kürze

Tschüß, Dark Mavis!

Tschüß, Dark Mavis!

Ding Junhui hat das Spiel übrigens 10-7 gewonnen und ich habe ein wenig über das Ausscheiden von Mark Davis getrauert.

Leider hat auch Alan McManus sein Auftaktspiel verloren, allerdings hat er auch nicht zweitrundenreif gespielt und so geht der recht deutliche 10-5-Sieg von Allister Carter völlig in Ordnung. McManus hinterher: „Ali war stärker heute. Meine langen Bälle haben nicht gesessen. Ich habe mein Spiel nicht gefunden. Du hast schlechte und gute Tage und heute lief es nicht. Dabei habe ich mich gut gefühlt. Sogar beim 9-4 hatte ich den Eindruck, noch im Spiel zu sein und es gewinnen zu können. Aber ich habe es nicht auf den Tisch bringen können. Ich bin enttäuscht.“

Nach dem spannenden Auftakt von Selby-Maflin bekamen wir noch zwei weitere Entscheidungsframeentscheidungen zu sehen: Anthony McGill warf in einer äußerst spannenden Partie Stephen Maguire aus dem Turnier und Barry Hawkins sicherte sich nach einer Achterbahnpartie (2-2, 7-2, 9-4, 9-9) gegen Matthew Selt den Einzug in die zweite Runde.

In der ersten Session im Spiel des Vormittags geht es nicht gerade rasant, aber doch sehr einseitig zu: Joe Perry führt 8-1 gegen Zhang Anda.

Steadman, Craig WCS2015Heute machte Ronnie ’The Socket’ O’Sullivan mit einem 10-3 in einem nicht überzeugenden Spiel gegen Craig Steadman sein Weiterkommen klar. Steadman sagte „Es ist phantastisch, hier im Crucible Theater zu spielen. Ich war nicht einmal besonders nervös, auch wenn alles ungewohnt war. Es ist so eng hier, dass ich die Wand ein paar Mal touchiert habe. Über das Ergebnis bin ich ein bisschen enttäuscht. Ich hatte meine Chancen, ich hätte mehr daraus machen müssen.“
Der Boulevardhöhepunkt war hier natürlich sein Frame, den O’Sullivan auf Socken spielte, wofür er wahrscheinlich eine Strafe wegen des Verstoßes gegen den Dresscode bekommt. Irgendwer fand dieses Spiel offensichtich sehr langsam und machte sich deshalb einen kleinen Scherz.

Alle Ergebnisse in der Übersicht wie immer hier.


* Abgesehen davon, dass ein Spieler natürlich in der ersten Session das Spiel schon verlieren kann, aber bekanntlicherweise kann kein Spieler es da schon gewinnen. Was unter übertragungspolitischen Überlegungen natürlich nicht nur ein Klischee, sondern totaler Quatsch ist.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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4 Gedanken zu „Wer will denn das sehen? – Die erste Runde der WM

  1. Tapioka

    Kann ich auch nicht nachvollziehen. Ich finde ohnehin die meisten der englischen Kommentatoren eher langweilig oder total vom Thema abschweifend. Beispiel eben O’Sullivans Schuhe heute morgen, da waren auch so zwei Pappnasen am Werk. Ewig am philosophieren, welchen Spieler denn Ronnie als nächstes treffen wird, wenn die und die Konstellation in den anderen Spielen zustande kommt. Dass da ja auch noch Steadman spielt, hatten sie scheinbar völlig ausgeblendet. Finde ich schlimm, ganz egal wie gut/schwach Steadman im Vergleich zu Ronnie war, denn überraschende Wendungen gibt es im Snooker wohl reichlich.

    Aber um noch mal ein Kommzurück zum Thema zu machen: Ich gebe mir diese langen Frames, also das TV-Gift, auch gerne. Ein Spiel entscheidet sich halt nicht (oder nicht komplett) im Decider am Ende, sondern auf dem Weg dahin. Und da möchte ich auch keine Minute verpassen, selbst wenn beide Spieler innerlich zusammenbrechen und nur noch auf Sparflamme spielen (eben weil es mentalen Stress zeigt und damit genau das Gegenteil von „null Spannung“ ist). Soll Parrot eben seinen Platz räumen und mehr TV-Time für Joe Johnson übrig lassen, den finde ich nämlich aus irgendeinem Grund noch am kompetentesten :).

  2. Birgit

    Auch ich möchte gerne alles sehen. Das ist vielleicht nicht cool oder angesagt, aber ich liebe es, mich richtig einzulassen auf alles, was mir da gerade geboten wird. Und ich genieße es.

  3. Maxi

    Schließe mich der Meinung an. Ich würde gerne noch mehr Snooker sehen. Egal ob die Frames lange dauern, egal ob Mann oder Frau spielt, ob Amateur oder Profi. Mir gefällt der Sport und das Spiel an sich! Die Persönlichkeiten und Spielweisen der Spieler sind für mich persönliich 2.rangig.
    Was gibt es denn spannenderes als ein Spiel über die volle Distanz um dann im „decider“ zu sehen welcher Spieler unter diesem Druck die nerven behält? Und wenn die Spieler langsam und überlegt anstatt schnell und aggresiv spielen gewinne ich doch als Zuschauer, da ich mehr Snooker zu sehen bekomme, oder nicht? :-)
    Im übrigen bevorzuge ich die Snooker-Sonderkanäle im Eurosport Player ohne Kommentator.

    LG

  4. Conny

    Liebe BBC, Eurosport und andere Übertragungsstationen: Macht einfach weiter wie bisher, damit wir noch viele von diesen wunderbaren bissigen Kommentaren lesen dürfen. Sonst kommt die Autorin vor lauter Sehvergnügen gar nicht mehr zum Schreiben.
    Herzliche Grüße

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