Weltmeisterschaft mit Hindernissen – und ohne Hamilton

Judd Trump, Sieger der letzten Weltmeisterschaft
Judd Trump darf nun doch noch als Weltmeister ins Crucible einlaufen. © Monique Limbos

Morgen um 11 Uhr geht’s los, die Endrunde der Weltmeisterschaft. Der amtierende Champion Judd Trump trifft auf Tom Ford und Stuart Bingham spielt gegen den Neuling Ash Carty. Der spielt ohne Druck und will sein Debüt genießen.

In diesem Jahr startet die WM an einem Freitag, deshalb ist das Finale in zwei Wochen am Samstag und Sonntag. Das ist wenigstens etwas Positives an Corona, dass wir uns keinen Tag frei nehmen müssen, um alle Sessions des Finales zu sehen.

Spannende Duelle zum Auftakt der WM

Am Nachmittag starten Ding Junhui und Mark King, während abends Mark Williams und Alan McManus an den Tisch kommen. McManus ist in diesem Jahr der ‚Senior‘ im Crucible. 29 Jahre nach seinem ersten Auftritt hier konnte er sich nach drei Jahren Pause erneut qualifizieren. Ronnie O’Sullivan steigt mit seinem Auftakt gegen Thepchaiya Un-Nooh am Sonntag ins Geschehen ein. Den Abschluss machen Barry Hawkins und Alexander Ursenbacher am Dienstag Abend.

Die vollständige Endrunde der Weltmeisterschaft im praktischen Überblick gibt es hier auf snooker.org zum Ausdrucken und Eintragen. Unseren Turnierüberblick mit Spielpaarungen, -zeiten und (Zwischen-)Ergebnissen findet ihr hier.

Die erste Runde wird wie immer Best of 19 gespielt. Die Qualifikanten erhalten im Falle einer Niederlage ein Preisgeld von £ 20.000, die gesetzten Spieler bekommen nichts.

Corona macht die Weltmeisterschaft zur Wundertüte

Wer konnte während des Lockdown trainieren? Wem hat die Pause mental zugesetzt, wer ist gut durchgekommen? Das sind die beiden Hauptfragen, die wir uns stellen, um wenigstens irgendeine Einschätzung vornehmen zu können.

Judd Trump tritt hier mit Tom Ford nicht nur gegen einen extrem zähen Gegner an, sondern auch gegen den Crucible Curse. Es wäre schon ein ziemlicher Knaller, wenn er hier der Erste (von 20 Spielern) wäre, der seinen ersten WM-Titel verteidigt. Er konnte aber im Gegensatz zu manch anderem Spieler im Vorfeld trainieren.

Mark Williams, die Nr. 3 der Welt, ist angeblich besser vorbereitet als je zuvor. Er sagt, er hätte in den vergangenen Monaten sehr viel gespielt. Wir hoffen, er sprach dabei von Snooker und nicht von Golf. Sonst wird es für ihn gegen Alan McManus, der warmgespielt aus der Qualifikation kommt, nicht einfach. Auch Neil Robertson sagte im Interview, dass er den Lockdown für eine gute Vorbereitung genutzt hat. „Ich könnte nicht besser in Form sein. Ich fühle mich wirklich gut.“ Er hatte auf alle Fälle Gelegenheit, mit Trump abwechselnd im Club zu spielen.

Shaun Murphy war letzte Woche noch in Portugal auf der Beerdigung seines Freundes und Coachs Brandon Parker. Eigentlich hätte er in eine 14tägige Quarantäne gehen müssen, aber durch eine Sonderregelung konnte er direkt nach Sheffield reisen und sich dort isolieren. Das war bestimmt keine optimale Vorbereitung.

Von den anderen Top-Spielern war nicht viel zu hören oder zu sehen. Außer von Ding Junhui, der ein Interview gegeben hat, von dem ich aber leider kaum ein Wort verstehen konnte. Er meinte wohl, er hätte nur wenig Zeit zur Vorbereitung gehabt.

Wer wetten möchte und eine fachkundige Einschätzung sucht, ist bei Snookerbacker richtig.

Hamilton sagt Teilnahme ab und wird dafür vom Boss gebasht

Anthony Hamilton hatte schon vor einigen Tagen seine Skepsis geäußert, ob das Spielen vor Publikum für ihn als Asthmatiker wirklich sicher sei. World Snooker Tours hat viele Anstrengungen unternommen und die Regeln schienen zuerst auch vernünftig. Aber plötzlich war die Rede davon, dass beim Publikum keine Temperatur gemessen wird. Und auch Mund-Nasen-Bedeckungen sind nicht obligatorisch. Als Hamilton daraufhin seine Teilnahme absagte, wurde er von Kollegen und Barry Hearn zum Beispiel auf Twitter kritisiert. Er hätte hätte gar nicht zur Quali antreten dürfen, er hätte anderen den Platz gestohlen, sich unfair verhalten, er hätte es früher sagen müssen … Die Liste der Vorwürfe war lang und unqualifiziert.

In meinen Augen ist seine Entscheidung völlig in Ordnung. Er ist ein professioneller Spieler, der seinen Job machen möchte. Ich finde es völlig nachvollziehbar, dass er selbstverständlich zur Qualifikation antritt. Ohne Publikum war das Risiko einer Ansteckung gering und es gab ja auch Geld zu verdienen. Und vielleicht hat er gar nicht damit gerechnet, sich wirklich zu qualifizieren. Dass er nach diesen stressigen Tagen seine Entscheidung noch einmal in Ruhe überdenkt und revidiert, ist nachvollziehbar und logisch. Wer jetzt meint, Hamilton hätte auf die Qualifikation ‚verzichten‘ müssen, verlangt vielleicht doch ein bisschen viel. Und Hearn bestätigt ja auch, dass Hamilton keine Regel verletzt hat. Damit sollte das Thema erledigt sein.

Für seinen Gegner Kyren Wilson bedeutet die Absage, dass er kampfos in der zweiten Runde steht. Was nicht unbedingt ein Vorteil sein muss, wenn er dort auf einen eingespielten Gegner trifft.

Ronnie O’Sullivan findet den Plan mit dem Publikum übrigens auch ziemlich daneben. Er fühle sich wie eine Laborratte. Doch er tritt trotzdem an, jedenfalls nach dem momentanen Stand der Dinge. Wir werden sehen, wie die Versuchstiere dieses riskante Experiment überstehen.

Hier demonstriert Rob Walker, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um dieses Experiment doch so sicher wie möglich für alle Beteiligten zu gestalten.

Immer nur an den nächsten Ball denken

Und hier noch nachgereicht das After-Match-Interview, dass Ashley Carty nach seinem für ihn selber überraschenden Gewinn der Qualifikation gab. Noch nie hätte er unter so einem Druck gestanden wie im Spiel gegen Robert Milkins. Hätte er nicht Menschen um sich gehabt, die ihm wertvollen Rat gegeben haben, würde er wohl nicht morgen im Crucible stehen. Wir wünschen ihm, dass er das Beste aus dieser Chance macht und die Erfahrung genießen kann.

 

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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