Doch kein Publikum bei der WM erlaubt

Nach dem Motto ‚Rin inne Kartoffeln, raus ausse Kartoffeln‘ ist jetzt doch kein Publikum bei der WM erlaubt. Die Tickets für’s Crucible werden erstattet oder können auf nächstes Jahr umgeschrieben werden.

Beim Walk-On am ersten Tag war schon zu sehen, dass viele der erlaubten Plätze leer geblieben waren. Viele Leute fanden es offensichtlich auch keine gute Idee, sich dort ein paar Stunden reinzusetzen. Oder noch schlimmer das Risiko einzugehen, sich Urlaub zu nehmen, anzureisen, ein Hotel zu buchen … um dann doch die WM nur am TV zu gucken, wie es jetzt der Fall ist.

Barry Hearn gab ein Statement dazu ab. Ich hab’s mir nicht angehört, aber euch will ich es nicht vorenthalten:

Guter Wille reicht nicht in Corona-Zeiten

Ja, es ist eine schwierige Zeit und niemand weiß heute, was morgen kommt. Und es wäre natürlich schade, wenn es keine Zuschauer bei der WM gegeben hätte, obwohl es möglich gewesen wäre (möglich im Sinne von: vernünftig möglich). Was wir hier sehen, ist eins der großen Probleme mit der Pandemie. Die Leute verwechseln „erlaubt“ und „möglich“ mit „vernünftig“. Denn noch ist oberstes Gebot gegen die Ausbreitung: so wenig Kontakt wie möglich zwischen Menschen.

Nur, weil es Lockerungen gibt, müssen die nicht gleich dankbar umarmt und umgesetzt werden. Ronnie O’Sullivan hatte schon recht mit seiner Einschätzuung, dass alle Beteiligten Laborratten eines gefährlichen Experimentes seien. Die Verantwortlichen hätten auch sagen können: „Danke, liebe Regierung, dass ihr uns das anbietet, aber das ist vielleicht etwas verfrüht, wo doch gerade Sheffield ein Hotspot an Infektionen ist und wir wollen nicht zur Ausbreitung beitragen.“ Aber das hätte ja bedeutet, die eigenen (kapitalistischen) Interessen hinter das Wohl der Menschen zurückzustellen und wer will das schon.

Eine Frage der Verantwortung

Und die Fürsprechenden auf der Publikumsseite machen einen ähnlichen Fehler. Das Argument „ich gehe ja auch einkaufen, also kann ich auch zum Snooker gehen“ ist schon deshalb ziemlich schwach und egoistisch, weil es um die Menge an Kontakten geht. Also heißt es eigentlich umgekehrt: „Ich muss ja schon einkaufen gehen, da kann ich nicht auch noch zum Snooker/auf die Party/ins Kino gehen“.

Aber es gibt Dinge, die sind in dieser Krise dann noch zusätzlich völlig unnötig. Wie ich gestern schon geschrieben habe, wurde Anthony Hamilton für seine Absage öffentlich ‚geschlachtet‘. Und der Chairman von WST gießt noch Öl ins Feuer und fällt in den Chor der Kritik ein, anstatt die Entscheidung stillschweigend zu akzeptieren. Besonders bitter ist es natürlich, dass Hamilton unter den neuen Umständen sicherlich liebend gerne angetreten wäre, aber das ist jetzt nicht mehr möglich. Ich kann mir seine Enttäuschung kaum vorstellen.

Eine Entschuldigung? Schön wär’s.

Monique Limbos spricht mir in ihrem Artikel End of the „experiment“ aus der Seele:

„A number of people owe Anthony Hamilton an apology, including Barry Hearn. He was branded “selfish” for being sensible. He should have been playing this afternoon. He was looking forward to it until he realised that this was too risky given his health condition. He was publicly criticised and slated. He’s 49, he may never get another Crucible opportunity. He took a very difficult decision and now he must be devastated.“

(Eine Reihe von Leuten schulden Anthony Hamilton eine Entschuldigung, inklusive Barry Hearn. Weil er vernünftig war, wurde er als selbstsüchtig gebrandmarkt. Er hätte heute Nachmittag spielen sollen. Er hatte sich darauf gefreut, bis ihm klar wurde, dass das Risiko angesichts seiner gesundheitlichen Verfassung zu groß war. Er wurde öffentlich kritisiert und geschlachtet. Er ist 49, er hat womöglich nie wieder eine Gelegenheit, im Crucible zu spielen. Er hat eine sehr schwere Entscheidung getroffen uns muss jetzt am Boden zerstört sein.)

4–5 nach der ersten Session auf allen Tischen

Am ersten WM-Tag sahen wir nur knappe Spiele mit demselben Spielstand zum Ende der ersten Session. Und alle waren ausgesprochen unterhaltsam. Ash Carty konnte sich gegen Stuart Bingham gut halten. Trotz einiger Fehler, die schmerzhaft anzusehen waren und ihn auch zwei Frames kosteten. Hier fällt die Entscheidung heute ab 11 Uhr.

Ding Junhui führte zum Midsession Interval am Nachmittag gegen Mark King mit 3–1. Doch King blieb dran, machte im 7. Frame eine 111. Den Sieger ermitteln die beiden in der Nachmittagssession ab 15:30 Uhr.

Alan McManus zeigte sich sehr konzentriert und in Form. Mark Williams ging zwar 2–0 in Führung, aber bei ihm kamen die langen Bälle anfangs überhaupt nicht und so fand er nur schwer Einsteiger in Breaks. McManus glich mit Breaks von 105 und 84 aus und ging anschließend in Führung. Danach kam Willo besser ins Spiel, doch McManus geht mit einem Frame Vorsprung in die abschließende Session heute um 20 Uhr.

100. Century der Saison für Trump

4–5 stand es auch am anderen Tisch. Dort war es Trump, der den Start total verschlafen hat und sich nach 0–3 und 2–5 gegen Tom Ford noch heranrobben konnte. Abends saßen wieder mehr lange Bälle, Ford ließ etwas nach. Er machte zwar mit 140 das bisher höchste Break der Endrunde des Turniers, aber Trump gewann 10–8. Damit hat er den ersten Schritt zur Verteidigung seines Titels gemacht und spielte dabei sein 100. Century Break der Saison. Verglichen mit dem Trubel den es bei Neil Robertson gab, als er das vor einigen Jahren schaffte, ging dieser Meilenstein für Trump ein wenig unter, finde ich.

Den Überblick über alle Spiele gibt es hier.

„Kein Publikum bei der WM“ gilt ab heute

Ab heute wird es also kein Publikum bei der WM mehr geben. Diese Beschränkung gilt bis zum 15. August. Aller Vernunft zum Trotz wird deshalb schon darüber spekuliert, dass beim Finale wieder Menschen dabei sein könnten. Hier gibt es einen Twitter-Thread mit einem detailierten Bericht von einer Person, die vor Ort war. Ich muss sagen, dass WST sich wirklich Gedanken gemacht hat und die Maßnahmen offensichtlich gut funktioniert haben. Es waren aber wie gesagt auch nur sehr wenige Menschen dort.

 

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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