Hossein Vafaei holt beim Shoot-Out seinen ersten Titel

Hossein Vafaei konzentriert im Stoß beim Shoot-Out 2022
Erster Titel für Hossein Vafaei. © World Snooker/Tai Chengzhe

Hossein Vafaei schlägt Mark Williams im Finalframe beim Shoot-Out 2022. Für den Iraner ist das der erste Weltranglistentitel, den er seiner kürzlich verstorbenen Großmutter widmet. Für den Sieg bekommt er 50.000 Pfund Preisgeld.

Mark Williams Weg ins Finale verlief ganz ohne die typischen Shoot-Out-Dramen. Gegen Mark King ging es in der zweiten Runde etwas enger zu, in seinen anderen Frames konnten seine Gegner aber jeweils nur eine Hand voll Punkte machen. In seinem Halbfinale gegen Namensvetter Robbie Williams machte er zwar früh einen Fehler, doch es blieb nichts Leichtes für seinen Kontrahenten liegen.

Hossein Vafaei spielte ein äußerst souveränes Shoot-Out-Turnier. In seinem Halbfinale schien er jedoch schon so gut wie ausgeschieden. Gleich zu Beginn des Frames legte er Liang Wenbo eine leichte Chance hin, aus der Liang fleißig punktete. Bei 48 Punkten im Break kam es dann zur überraschenden Wendung. Bei einer leichten Schwarzen vom Spot hatte Liang Wenbo einen Kiekser. Das Foul gab Vafaei nicht nur 7 Punkte, sondern auch Ball-in-Hand. Das folgende 54er Break sorgte für die Vorentscheidung.

Vafaei entscheidet Turbo-Finale beim Shoot-Out für sich

Das Finale des Shoot-Outs dauerte gerade einmal knapp fünf Minuten. Hossein Vafaei lochte eine sehr schwierige lange Rote von Mark Williams Break-off. Ausgerechnet! Mehr als diesen einen Stoß sollte der 3-fache Weltmeister im Finale nicht mehr spielen. Vafaei spielte ein perfektes Break und verschoss erst bei 71 Punkten. Da er schon Snooker benötigte, gratulierte Williams seinem Kontrahenten direkt zum Sieg.

Lockere Atmosphäre und unterschiedliche Persönlichkeiten

Zwar gibt es beim Shoot-Out seit ein paar Jahren Ranglistenpunkte, aber so richtig ernst nimmt sich das Turnier ja doch nicht. Und auch viele der Akteure sehen das ähnlich. Glück spielt eine große Rolle und gerade in den ersten Runden kann alles passieren. Nicht nur der Dresscode, sondern auch die Herangehensweise ist ein bisschen lockerer. Jedenfalls bei manchen. So lernte man viele der Spieler*innen mal von einer bisschen anderen Seite kennen.

Mitchell Mann hat sich in diesen vier Tagen in das Herz vieler Fans gespielt. Er nahm das Spiel als Spaß, animierte immer wieder das Publikum und lieferte dennoch nebenbei richtig gutes Snooker ab. Bis ins Achtelfinale ging die Reise für ihn.

Das komplette Gegenteil war der spätere Shoot-Out-Sieger Hossein Vafaei. Er blieb durchgängig fokussiert. Dabei gewann er seine Matches alle souverän und spielte sogar mit 123 das höchste Break des Turniers. Er sah dabei stets so aus, als würde er ganz normales Snooker spielen. Weder von der Uhr mit dem Piepen noch von dem aufgedrehten Publikum nahm er besonders Notiz. Und im Finale ließ er es uns schließlich alle vergessen:

Neue Gesichter beim Shoot-Out

Wie schon vorab erwartet, gab das Shoot-Out mal wieder vielen unbekannteren Akteuren die Gelegenheit auf sich aufmerksam zu machen. Über Wildcards und Nachrückerplätze waren dieses Jahr wieder etliche Amateure dabei. Drei von ihnen waren damit am Finalabend noch dabei: Michael Georgiou erreichte das Achtelfinale, Daniel Womersley und Billy Castle sogar das Viertelfinale. Daniel Womersley war erst kurz vor Beginn des Turniers für seinen an Covid-erkrankten Freund David Grace eingesprungen. Viel hätte zu einer Sensationsgeschichte nicht mehr gefehlt. Jetzt wünschen wir ihm viel Glück für seine höchste Priorität: endlich Profi zu werden.

Aber nicht nur Amateure bekamen eine Bühne. Dean Young konnte sich im Sommer für die Tour qualifizieren. Bis zum Shoot-Out konnte er kein Spiel auf der Tour gewinnen. Heute erreichte er hier erstmalig das Achtelfinale eines Ranglistenturniers. Und dabei zeigte er, dass er ein Talent ist, von dem wir in Zukunft noch vieles erwarten.

Am Donnerstag hatte der 15-jährige Stan Moody einen tollen Einstand auf der Tour gegeben. Er gewann sein erstes Match 55–24 gegen Lu Ning. Und zwar richtig cool und abgeklärt. Gleich zu Beginn lochte er ein paar richtig schwierige Bälle. Auch die Shot Clock brachte ihn nicht aus der Ruhe. Die Aufmerksamkeit des Publikums genoss er sichtlich. Zwei weitere junge Talente mit Wildcard konnten ihr erstes Match gewinnen: Paul Deaville bezwang Chen Zifan mit 59–50 und Ross Bulman setzte sich souverän mit 75–1 gegen Martin O’Donnell durch.

Der Rekord bleibt in der Familie

Für den neuen Fan-Favoriten Stan Moody war es in der nächsten Runde dann aber auch schon wieder vorbei. Sein Freund und Trainingspartner Oli Lines war nicht in der Stimmung ihm irgendwelche Chancen hinzustellen. Lines konnte selbst nur 11 Punkte erzielen, es reichte aber um seinen kleinen Vorsprung durch gutes taktisches Spiel über die Ziellinie zu bringen. Mit den 11–2-Sieg hält Oli Lines nun auch den Rekord für den Shoot-Out-Frame mit dem niedrigsten Gesamtpunktestand. Dieser Rekord bleibt damit in der Familie. Hamim Hussain und Peter Lines hatten im Vorjahr den alten Rekord auf 16 Punkte „verbessert“.

Yuan Sijun und Lukas Kleckers mit „blauen Elfern“

Auch in diesem Jahr gab es wieder einige enge Matches, die erst in den letzten Sekunden entschieden wurden. Zweimal gab es in diesem Jahr einen Gleichstand. Das bedeutet „Elfmeterschießen“ mit langen Blauen.

Zum ersten kam es in der ersten Runde zwischen Tom Ford und Yuan Sijun. Und irgendwie war es der typischste Shoot-Out-Frame: Einige stark gelochte Bälle, einige überflüssige Fehler, ein ständig wechselndes Momentum. Zehn Minuten, in denen man nicht weiß, wo oben und unten ist. Und wenige Sekunden vor Ende springt Yuan Sijun noch zur Seite, damit Tom Ford eine lange Rote zum Ausgleich lochen kann. Beim Shoot-Out behielt Yuan Sijun die besseren Nerven. Aber wie sehr sich Tom Ford und Yuan Sijun währenddessen selbst feierten, war mein persönliches Highlight dieses Jahr. Man kann den ganzen Frame auf dem Eurosport Channel auf Youtube gucken.

Auch Lukas Kleckers erreichte in letzter Sekunde das Blue-Ball-Shoot-Out gegen Tian Pengfei. In England hatte ohnehin keiner daran gezweifelt, dass der Deutsche beim Elfmeterschießen die Nase vorn haben würde. Und Lukas bestätigte dieses Klischee. Tian verschoss prompt und Lukas nutzte seine erste Chance. Am beeindruckendsten war aber die Art, wie Lukas überhaupt das Unentschieden noch erreichte. So eine Pinke aus schlechter Position mit Hilfsqueue in nur wenigen Sekunden muss man erstmal lochen.

Ein etwas anderes Event geht zu Ende

Einmal im Jahr ist das Shoot-Out eine schöne Abwechslung auf der Tour. Es gibt immer viele tolle Geschichten und wie in diesem Jahr auch wieder verdiente Überraschungssieger. Jetzt bleiben uns ein paar Tage, die Sonderregeln des Shoot-Out wieder zu vergessen. Denn am Mittwoch startet das German Masters in Berlin. Lula hat für uns schon mal einen Blick voraus geworfen.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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