Wilson wehrlos gegen Murphy, Selby sitzt erfolgreich nach

Murphy Selby Wilson Bingham Die Halbfinalisten der Weltmeisterschaft 2021
Die vier Halbfinalisten der World Championship 2021 © WST

Nach einer ungeplanten fünften Session, viel Drama, einigen Comebacks und neuen Rekorden stehen nun endlich die beiden Finalisten um den Titel als Weltmeister 2021 fest. Der 3-fache Weltmeister Mark Selby trifft auf den „einfachen“ Weltmeister Shaun Murphy.

Mark Selby gegen Stuart Bingham

Die zwei Seiten des Mark Selby

Selby ging zum Midsession Interval (MSI) der ersten Session zwar mit 3–1 in Führung, hohe Breaks erzielte er allerdings nicht. Bingham war mit dem Spielball unzufrieden und ließ ihn austauschen. Nach der Pause holte er mit Breaks von 92 und 82 drei Frames in Folge. Den letzten Frame der Session konnte Selby dann noch zum 4–4 zum Ende der Session stehlen. Von der bisherigen Brillanz Selbys, wie wir sie in den vorangehenden Matches bewundern durften, war an diesem Tag allerdings nichts zu sehen. Sein höchstes Break lag bei 46.

Die zweite Session am Freitagvormittag versprach zunächst keine wirkliche Veränderung. Selby ließ sich den neunten Frame von Bingham stehlen und schaffte es nur mühselig, bis zum MSI den Gleichstand zu halten. Danach zeigte Selby endlich sein Können und räumte zwei Frames in Folge den Tisch jeweils mit einem Century von 134 ab. Etwas, was es so auch noch nicht gab.

Bingham ließ das natürlich nicht auf sich sitzen und spielte kurzerhand ein Century von 127. Der letzte Frame dieser Session war dann noch einmal spannend. Selby verschoss bei 44 Punkten und es sah danach aus, als würde Bingham den Frame stehlen. Allerdings verschoss dieser seinerseits nach 51 Punkten und Selby gelang es, den Frame noch zurückzuholen. Zum Ende der zweiten Session führte Selby 9–7.

Epische Länge am Abend

Bereits am Abend folgte die dritte Session in der Partie Mark Selby gegen Stuart Bingham. Und Bingham zeigte dann auch gleich, dass er das Match gewinnen wollte. Den ersten Frame des Abends sicherte er sich mit einem Century von 131. Im folgenden Frame versuchte er ein Maximum zu spielen, verschoss dann aber leider die 13. Rote. Mit einem Break von 96 holte er sich aber auch diesen Frame und glich damit aus. Der 19. Frame sollte dann der längste Frame des Matches werden. Nach ungefähr einer halben Stunde gab es eine Warnung des Referees Ben Williams an Selby, weil dieser seines Erachtens nach zu lange über einen Stoß nachdachte. Hohe Breaks wurden im Anschluss auf beiden Seiten nicht erzielt. Nach 52 Punkten für Selby versuchte Bingham sein Glück. Er brauchte zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Snooker und Selby hätte Blau gereicht. Unglücklicherweise flukte bei Bingham ausgerechnet die Blaue ins Loch, so dass er seinem Ziel nicht wirklich näher kam. Nach einer Stunde lochte er dann auch noch Pink – natürlich durch einen ziemlich guten Fluke. Es folgte der Kampf um die Schwarze, den Bingham zu seiner großen Freude gewann. Nach 63 ½ Minuten und damit dem längsten Frame der Weltmeisterschaft ging Bingham mit 10–9 in Führung. Auch die beiden folgenden Frames gewann Bingham mit Breaks von 78 und 68. Erschreckenderweise lag Selbys Lochquote zum 21. Frame nur noch bei 63 %. Welch ein Unterschied zum Viertelfinale. Im 22. Frame fanden gleich zwei Re-Racks statt und im dritten Anlauf gelang es Selby dann auch, diesen zu gewinnen. Auch den nächsten holte er sich, musste den letzten Frame des Abends aber Bingham überlassen. Mit einem Stand von 11–13 beendeten beide die dritte Session.

Langer Abend und neuer Century-Rekord

Heute Nachmittag sollte dann endlich die Entscheidung zwischen Mark Selby und Stuart Bingham fallen. Selby legte gut los und stahl sich mit einem Break von 68 den Frame von Bingham. Im 25. Frame gab es recht zügig ein Re-Rack. Da beide mit dem neuen Bild auf dem Tisch aber auch nach ca. 30 Minuten nicht wirklich zurecht kamen, erfolgte ein weiterer Re-Rack. Selby gelang der Einsteiger. Allerdings durch einen Fluke, der Selby emotional so richtig aus dem Häuschen brachte. Er spielte dann kurzerhand ein Century von 125 und stellte damit den bisherigen Century-Rekord bei den Weltmeisterschaften ein. Bingham zog mit einem Century von 100 nach und stellte damit vorerst den neuen Rekord auf. Zum MSI gelang Selby dann noch der Ausgleich zum 14–14. Der erste Frame nach der Pause dauert dann wieder etwas länger. Letztlich ging er an Selby. Zu diesem Zeitpunkt war dann schon fraglich, ob dieses Halbfinale tatsächlich noch vor Beginn des anderen Halbfinales zu Ende gespielt werden würde. Selby gab alles, erzielte mal eben ein Century von 132 und ging damit 16–14 in Führung. Weil dieser Frame knapp vor 19 Uhr zu Ende war, durften die beiden noch einen weiteren Frame spielen. Nicht zuletzt Selby hoffte natürlich, dass dies dann auch der letzte Frame sein würde. Allerdings hatte Bingham etwas dagegen und holte sich diesen Frame mit einem Break von 85. Sie mussten also nach der regulären Abendsession ihr Match zu Ende spielen.

Selby und Bingham müssen nachsitzen

Zum ersten Mal in der Geschichte des Crucible kam es zu einer fünften Session in einem Halbfinale. Als es dann endlich soweit war, legte Selby auch gut los. Nach 41 Punkten war dann aber erst einmal Schluss. In der Folge lochte Bingham diverse Bälle, geriet dann aber auch aus der Spur. Zum Schluss entbrannte ein Kampf um die Farben, den Selby gewann und das Match mit 17–15 für sich entschied. Selby startet morgen um 14 Uhr als Finalist und wird alles versuchen, seinen vierten Titel als Weltmeister zu holen.

Bingham sagte anschließend: „Es ist hart, ein Spiel so knapp zu verlieren. Glückwunsch an Mark, er hat den Sieg heute verdient. Wie ich immer gesagt habe, scheine ich während der WM immer einen schlechten Tag zu haben und das war offensichtlich heute.“

Kyren Wilson gegen Shaun Murphy

Überragender Start von Kyren Wilson

In der ersten Session begann Murphy vielversprechend mit einem Framegewinn. In der Folge musste er dann aber fast machtlos zusehen, wie Wilson sich mit Breaks von 110, 70, 127 und 121 einen Vorsprung von 5–2 aufbaute. Murphy machte nicht viel falsch, Wilson gelang halt einfach ein überragender Start. Einen Frame konnte Murphy noch holen, am Ende der ersten Session stand es aber 6–2 für Wilson.

Auch in der zweiten Session am Freitagnachmittag zeigte sich zunächst kein anderes Bild. Ein Highlight für Murphy und seine Fans dürfte allerdings der 10. Frame gewesen sein. Dort legte Murphy einen so genialen Snooker, dass es Wilson einfach nicht gelang, ihm zu entkommen. Murphy erhielt von Wilson sage und schreibe 53 Foulpunkte und freute sich darüber natürlich wie Bolle. Als dann auch noch ein Freeball auf dem Tisch lag, scherzte er darüber zur Freude des Publikums mit dem Referee Brendan Moore. Der Frame ging an ihn.

Murphy kann doch zaubern

Bis zum MSI erzielten beide Spieler jeweils noch einen Frame, inklusive des bis dahin höchsten Breaks von 88 für Murphy. Es stand 8–4. Nach der Pause gewann Wilson die ersten beiden Frames, einen davon mit einer Total Clearance von 131. Murphy holte sich die anderen beiden Frames. Vor allem im letzten Frame bewies er, dass er seinem Spitznamen „The Magician“ zu recht trägt: Mit einem Break von 86 stahl er Wilson den Frame und zeigte, dass er doch zaubern kann. Es stand 10–6.

Die 53 Foulpunkte aus einem einzigen Snooker sind rekordverdächtig. Im Crucible gab es zwar eine längere, aber vermutlich keine teurere Foul-und-Miss-Serie. Bei der UK Championship 2003 spielte Mark King 15 aufeinanderfolgende Fouls. Das entspricht auch mindestens 60 Punkten. Aber am Erstaunlichsten ist es, dass es im Snooker immer noch interessante mögliche Rekorde gibt, über die gar nicht so genau Buch geführt wird.

Wie Phönix aus der Asche

Mit einem Vorsprung von vier Frames für Wilson ging es heute Vormittag in die dritte Session. Der 17. Frame ging zwar noch an Wilson. Dann aber sollten wir alle Zeugen des fast schon nicht mehr für möglich Gehaltenen werden. Shaun Murphy begann die Aufholjagd. Der 18. Frame wurde mit ungefähr 40 Minuten der bis dahin längste Frame dieses Matches. Es war ein reines Safety-Battle, dass Murphy am Ende gewann. Den nächsten Frame holte er sich mit einem Break von 79 und auch den 20. Frame konnte er bei einem Punktestand von je 60 beim Kampf um die Schwarze sichern. Zum MSI hatte Murphy seinen Rückstand auf 11–9 reduziert. Nach der Pause zeigte Wilson dann, was er von dem Comeback Murphys hielt und gewann den Frame kurzerhand mit einem Break von 86. Murphy ließ sich davon jedoch weder einschüchtern, noch von seinem Vorhaben abhalten. Er erspielte ein Century von 120 und gewann dann auch noch die letzten beiden Frames dieser Session. Wie Phönix aus der Asche kam Shaun Murphy zurück und glich zum 12–12 aus.

In der finalen Session heute Abend machte Murphy dann auch genau da weiter, wo er aufgehört hatte. Er gewann sämtliche Frames vor dem MSI souverän mit Breaks von 78, 91, 117 und 77 und baute damit seine Führung aus. Die Quote seines Loch-Erfolges lag in dieser Session bei 99 %. Zur Pause stand es 12–16 und es fehlte nur noch ein Frame, um die Sensation perfekt zu machen. Und es gelang. Im letzten Frame des Matches kämpfte Wilson zwar noch, allerdings war er gegen Murphys Macht am Ende wehrlos. Shaun Murphy gewinnt 17–12 und zieht als Anwärter auf seinen zweiten WM-Titel mit in das Finale ein.

Wer wird den Titel holen?

Mark Selby und Shaun Murphy stehen beide nicht zum ersten Mal im Finale einer Weltmeisterschaft. Selby hat den Titel als Weltmeister bereits dreimal gewonnen, Murphy bislang nur einmal. Wer wird dieses Jahr als Weltmeister gekrönt werden? Die Statistiken sprechen für sich: Spielzeiten und Zwischenergebnisse findet ihr hier.

Zuwachs bei der BBC

Wir berichteten ja, dass Anthony Hamilton bei Eurosport neu im Kommentatoren-Team dabei ist. Aber auch bei der BBC gibt es Neuzugänge. Jack Lisowski und Judd Trump dürfen nicht nur als Experten im Studio dabei sein. Beide hatten mittlerweile auch ihre Debüts als Kommentatoren. Frischer Wind also bei der BBC. Ob Anlass dafür dieses Interview und die damit verbundene Kritik Judd Trumps war, lassen wir einfach mal so dahinstehen. Auf jeden Fall haben beide Spieler ihren neuen Job sehr gut gemacht.

 

AutorIn: Hjördis

Hjördis unterstützt das Team von SnookerPRO im Hintergrund, schreibt den ein oder anderen Artkel und ist ansonsten zuständig für das Aktuell-Halten der Turniere. Twitter: @HjördisHH

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