Selbys Matchplay im Finale verhindert Murphys Zauberei

Shaun Murphy steht im Finale der Weltmeisterschaft. Vorschaubild, im Vordergrund kreidet Murphy sein Queue, im Hintergrund ballt er die Faust und jubelt.
Shaun Murphy erhält sich alle Chancen im Finale © World Snooker/Tai Chengzhe

Mark Selby geht mit einem 14–11-Vorsprung in die letzte Session des Finales der Weltmeisterschaft und hat gute Chancen auf seinen vierten Titel. Nach einer verbesserten Vorstellung in der dritten Session erhält sich Shaun Murphy aber die Chance auf ein Comeback.

Der Jester from Leicester zeigte sich im Finale etwas entspannter als noch im Halbfinale gegen Stuart Bingham. Aber schaffte es der Magician zu zaubern? Steve Davis bezeichnete das Duell vor dem Finale als Harry Potter gegen den Dementor. Mark Selby zeigte seine Dementor-Qualitäten in der ersten Abendsession. Unklar ist noch, was Shaun Murphy heute Abend aus dem Zauberer-Hut ziehen kann.

Nervöse erste Session im Finale

Die erste Session des Finales begann mit einigen überraschenden Fehlern beider Spieler. Verständlich, da es für beide hier um viel Geld, aber noch viel mehr Ruhm geht. Außerdem hatten beide erst am Vorabend ihr Halbfinale beendet. Nach zwei Wochen Weltmeisterschaft ist es dann auch sicherlich nicht leicht, den Fokus aufrecht zu erhalten.

In den ersten Frames des Finales gab es daher Chancen und kleinere Breaks für beide Spieler. Am Ende lagen noch ein paar der Farben auf dem Tisch, der Framescore war einigermaßen ausgeglichen und abschließende Safety-Duelle entschieden über den Ausgang. In den beiden ersten Frames setzte Shaun Murphy sich dabei durch. Im dritten Frame hatte er eine gute Chance sich auf 3–0 abzusetzen. Doch nach 65 Punkten verschoss er und ließ Mark Selby die Chance, den Frame noch zu stehlen. Was dem, trotz nicht ganz einfachem Bild auf dem Tisch, gelang. Zur Pause glich Selby anschließend mit dem ersten frameentscheidenden Break aus.

Nach der Pause gewannen Murphy und Selby je einen Frame aus einer Chance. Murphy den fünften Frame nach einem starken Longpot, Selby den sechsten Frame nach einem verpassten Longpot seines Gegners. Bis zum 3–3 stand es also ausgeglichen. Mit dem siebten Frame setzte sich Murphy wieder ab. Im letzten Frame der Session hatte Selby die Chance auf eine seltene Clearance mit 16 Roten, hatte aber kein Glück beim Split. Murphy nutzte seine Chance zum Steal, auch durch einen Fluke. Aber erst, nachdem beide auf die letzten Bälle noch ein paar unerwartete Fehler eingestreut hatten.

Matchstatistik nach der ersten Session: Selby 3–5 Murphy; Locherfolg: 88% Selby, 87% Murphy; Locherfolg für lange Bälle 33% Selby, 50% Murphy

Insgesamt war es eine erste Session auf solidem Niveau, beide Spieler waren etwas nervös, beiden fehlte das Quäntchen Glück beim Split, aber vor allem verschossen beide einen Großteil ihrer versuchten langen Bälle. Der Vorteil der ersten Session lag beim Magician: 5–3.

Hartes Matchplay bringt Selby die Führung über Nacht

In den ersten Frames des Abends hatte jeweils Murphy die erste Chance. Im ersten Frame verlor er nach dem Split die Stellung und Selby gewann das anschließende Safety-Duell, um den Frame im Anschluss zu stehlen. Den zehnten Frame des Finales gewann Murphy aus seiner ersten Chance, er verpasste aber das erste Century des Finales knapp. Der folgende Frame verlief erneut ähnlich wie der vorherige. Murphy legte vor, doch Selby räumte dann den Tisch ab. Aber nur fast, denn Grün verschoss er. Überraschenderweise kam Murphy nochmal an den Tisch, obwohl er schon drei Snooker benötigte. Am Ende snookerte Selby Murphy auf Braun, dieser beging selbst ein Foul und gab den Frame danach auf. Auch der letzte Frame vor der Pause ging dank einer 86er Clearance an Selby zum ausgeglichenen 6–6-Zwischenstand. Insgesamt war es in der ersten Phase relativ schwierig, das Match und das Momentum richtig zu erkennen. Kathi fasste das auf Twitter sehr treffend zusammen:

Selby-Dominanz nach der Pause

Den ersten Frame nach der Pause holte sich dann wieder Shaun Murphy und ging damit vorübergehend wieder in Führung. Den Rest des Abends dominierte Mark Selby aber nach Belieben. Er spielte noch ein paar höhere Breaks, vor allem aber zog er das Niveau seines Safety-Spiels gnadenlos an. Murphy hatte kaum noch die Chance irgendeinen Ball zu lochen und Selby gelang es immer wieder, die Situation auf dem Tisch schwierig zu gestalten. Shaun Murphy hielt im Safety-Austausch zwar gut dagegen, doch am Ende war es immer Mark Selby, der die Oberhand behielt und die Frames entschied.

Damit kam es doch zum prognostizierten ‚Clash of Styles‘ und Mark Selby gelang es hervorragend, mit seinem Spiel das Match zu dominieren. Während manche Fans des schnellen Offensivsnookers darüber nicht so glücklich waren, gab es auch Bewunderer dieses Spiels. Phil Haigh amüsierte sich auf Twitter ein bisschen über die Begeisterung von Alan McManus, der die Session für die BBC kommentierte.

Am Ende bedeutete das einen 7–2-Sieg für Mark Selby in dieser Session. Mit diesem wandelte er seinen Rückstand in eine 10–7-Führung um.

Keiner mit Vorteil am zweiten Nachmittag

Alle Experten, in der Kommentatorenkabine, in den Fernsehstudios, und ebenso die „Expert*innen“ auf Socal Media waren sich einig: Wenn Shaun Murphy noch eine Chance auf den Sieg haben wollte, müsse er sein eigenes Spiel auf den Tisch zaubern. Sollte er sich auf ein Taktik-Duell gegen Mark Selby einlassen, würde dieser im Finale die Oberhand behalten.

Murphy machte bei der Wiederaufnahme auch direkt den Eindruck, sein erfolgreiches Spiel aus den vorherigen Runden wieder aufnehmen zu wollen. Von Selbys Break-off lochte er eine fantastische lange Rote und hatte sofort die erste Chance. Der Split von Grün misslang dann jedoch, er musste eine Safety spielen. Durch einen verschossenen Longpot von Selby bekam Murphy aber erneut die Chance und gewann den Frame mit einem Break von 77 Punkten.

Schon der zweite Frame des zweiten Nachmittags sollte hochdramatisch werden. Im Vergleich zum Vortag war Murphys überragendes Lochspiel langer Bälle wieder so zuverlässig wie in den Runden zuvor. Damit erarbeitete er sich abermals die erste Chance im Frame, das Break endete jedoch nach 42 Punkten. Selby versuchte den Frame zu stehlen. Er lochte Braun im Endspiel auf die Farben – das war der Frameball. Murphy spielte weiter und bekam die Foulpunkte. Auf Blau gelang ihm ein Fluke, dann lochte er eine starke Pinke, bekam jedoch keine gute Position auf Schwarz. Murphy versuchte Schwarz vom Spot langsam auf die Mitteltasche zurollen zu lassen. Doch er verfehlte hauchdünn und ließ Schwarz für Selby vor der Tasche liegen. Selbstverständlich lag sie dort nicht lange, 11–8 für Selby.

Spinne, Schwan und vielleicht entscheidende Millimeter

Die beiden letzten Frames vor der Pause teilten sich die beiden Kontrahenten abermals. Zunächst gewann Murphy einen umkämpften Frame, danach spielte Mark Selby das erste Century-Break des Finales, sodass Selby mit 12–9 seinen Vorsprung von 3 Frames behielt. Für Kontroversen sorgte eine Situation aus dem umkämpften Frame. Selby war eng hinter Braun gesnookert und kämpfte mit allerhand lästigem Besteck inklusive Verlängerung. Beim ersten Versuch nutzte er die Spinne, dann den Schwanenhals. Beide Male rutschte er mit dem Queue am Spielball ab und spielte keinen ordentlichen Stoß. Beide Male wurden die Bälle zurückgelegt. Beim dritten Versuch wählte er dann das normale Hilfsqueue. Offensichtlich waren die Bälle nicht auf den Millimeter korrekt zurückgelegt worden. Keiner der Beteiligten schien aber zu hinterfragen, warum es plötzlich möglich war, den Ball mit dem normalen Hilfsqueue neben Braun zu spielen, anstatt den Spielball über Braun anspielen zu müssen. Da Shaun Murphy letztlich den Frame gewann, war diese Situation zumindest nicht vorentscheidend.

Selby vereitelt Murphy Comeback

Nach der Pause konnte Selby seinen Vorsprung sogar auf 4 Frames ausbauen. Das Finale schien schon vorentschieden. Auch im folgenden Frame bekam Selby durch Murphys Anstoß direkt einen Einsteiger auf die Mitteltasche, dann verschoss er jedoch eine Grüne beim Versuch mit dem Spielball zurück zu den Roten zu kommen. Murphy nutzte die unerwartete Chance für sein erstes Century-Break des Finales. Offensichtlich tankte er dadurch viel Selbstvertrauen. Den folgenden Frame gewann er ebenfalls dank einiger starker langer Bälle.

Plötzlich schien das Momentum auf Murphys Seite. Er spielte höhere Breaks und sein fantastisches Longpotting eröffnete ihm erneut einige Chancen im Match. Doch zu einem richtigen Comeback kam es nicht. Abermals brachte der Anstoß die erste Chance: Selby lochte eine lange Rote, spielte ein vorentscheidendes Break und behielt die Oberhand im anschließenden Safety-Duell, sodass er den Frame im zweiten Anlauf sicher machte. Seine alte Führung ist damit geblieben. Mit 14–11 geht Selby als Favorit auf dem Titel in die entscheidende Session heute Abend.

Wer wird Weltmeister?

Der Vorsprung für Mark Selby ist gut. Aber es ist auch keine Selbstverständlichkeit. Shaun Murphy hat sich heute Nachmittag besser und zuversichtlicher präsentiert als am ersten Finaltag. Bekommt er einen Lauf, ist für ihn noch alles drin. Die Experten sowohl von Eurosport als auch von der BBC glauben noch an ein mögliches Murphy-Comeback. Vielleicht hat aber Lanis Mozzarella-Orakel längst zugunsten von Selby entschieden.

 

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

SnookerPRO folgen