Barry Pinches: Ich liebe es, unterschiedliche Menschen zu treffen

Barry Pinches
© WPBSA

Vielen deutschen Fans ist Barry Pinches, momentan 99ster der Weltrangliste, aus Fürth bekannt, wo er 2007 die German Open gewann und auch mehrmals am Paul-Hunter-Classic teilnahm. In diesem Jahr hat er die Qualifikation zur Endrunde des German Masters geschafft. Wir haben die Gelegenheit genutzt, und ihm im Vorfeld einige Fragen gestellt. Dieses Portrait erschien ursprünglich im Programmheft zum German Masters.

In seiner Amateurkarriere verzeichnete der 1970 in Old Catton, Norwich geborene Barry Pinches einige beachtliche Erfolge. Er gewann die Britische U-19 Meisterschaft, die Englische Amateurmeisterschaft und erreichte das Finale der Amateur-WM, bevor er 1989 Profi wurde.

Auf die Frage, wie (un)zufrieden er mit seiner Karriere bislang sei, antwortet er: „Um ehrlich zu sein, hätte ich angesichts meiner Amateur-Karriere mehr erreichen können. Abgesehen davon habe ich eine lange professionelle Karriere mit etwas, das ich liebend gerne tue. Ich kann mich sehr glücklich schätzen.“

Auch wenn er zwischenzeitlich mehrmals von der Profi-Tour herunterfiel, arbeitete er sich immer schnell wieder zurück. Seine beste Position in der Weltrangliste war der 18te Platz in der Saison 2005/2006. Zu den besten Auftritten seiner Karriere zählt er den Titel beim German Open 2007 in Fürth und den Gewinn eines PTC Events 2010, wo er im Halbfinale Mark Williams und im Finale Ronnie O’Sullivan schlug. Außerdem erreichte er bei der WM 2004 mit einem Sieg über Jimmy White die Runde der letzen 16 und bei der UK Championship 2003 das Viertelfinale. Bei den Welsh Open 2000 spielte er das bisher einzige Maximumbreak seiner Karriere.

Barry Pinches, der Snooker-Spieler

Was für eine Art Spieler ist Barry Pinches? Was sind seine Stärken und Schwächen? Er selber bezeichnet sich als Spieler des ‚percentage play’. Er versucht also stets, Risiko und Nutzen eines Stoßes sorgfältig gegeneinander abzuwägen. „Ich denke, meine Stoßauswahl ist grundsätzlich sehr gut und auch mein Safety Play ist zuverlässig. Allerdings war meine Punkteausbeute über die Jahre nicht gut genug.“

Am meisten beeindrucken ihn momentan die Fähigkeiten von Mark Selby und John Higgins. „Sie spielen immer den richtigen Stoß und geben jederzeit 100%“, beschreibt Barry die beiden Spieler.

Und was bedeutet es für ihn selber, Snooker-Profi zu sein? „Im Alter von 51 bedeutet das eine Menge! Und ich genieße den Wettkampf immer noch voll und ganz.“

Zur (Weiter) Entwicklung des Sports

2010 hat Barry mit seiner Stimme dazu beigetragen, dass Barry Hearn als Chairman der WPBSA gewählt wurde, von wo aus dieser später die Führung von World Snooker übernahm. Dadurch wurde die große Wachstumsphase des Sports eingeleitet, von der auch Barry Pinches selber profitieren konnte, denn die zusätzlichen Turniere vergrößerten die Verdientstmöglichkeiten. Doch jetzt – gute zehn Jahre später – stellt sich die Frage, ob es genug Nachwuchs gibt.

Nach 2019 hat sich Barry 2021 zum zweiten Mal durch die Q-School für die Main-Tour qualifiziert. „Sich über die Q-School zu qualifizieren, ist knüppelhart, aber ich kann mir keine bessere Alternative vorstellen. Ich mache mir aber wirklich Sorgen, dass so viele gute junge Spieler es nicht schaffen, sich zu qualifizieren. Ich würde mir wünschen, dass die Tour wächst, um diesen Spielern die Gelegenheit zu geben, wenn das überhaupt möglich ist.“

Barry ist auch der Meinung, dass Amateure die Möglichkeit zur Teilnahme an Profiturnieren behalten sollen. Das sei besser, als kampflose Match-Gewinne in der ersten Runde zu haben, wenn nicht genug Profis melden. Und es sei auch für die Entwicklung des Sports wichtig, dass die Amateure sich mit Profis messen können.

Auf Ronnie O’Sullivans kürzlich wiederholte Kommentare, er würde seinen Kindern davon abraten, eine Snooker-Karriere anzustreben, reagiert Barry mit Kopfschütteln. „Mein Sohn Luke versucht, Profispieler zu werden und hat momentan viel Freude am Spiel. Ich würde Ronnie O’Sullivan bei diesem Thema auf keinen Fall zustimmen und war von seinen Kommentaren überrascht. Junge, talentierte Spieler sollten ermutigt werden, Snooker zu spielen, besonders wenn es ihnen Spaß macht. Ich glaube nicht, dass es jemals eine bessere Zeit gegeben hat, um Snooker-Profi zu sein. Allerdings ist das Amateurspiel – ökonomisch gesehen – extrem hart im Vergleich zu der Zeit in den 80ern, als Ronnie und ich Amateure waren.“

Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Sports befürwortet Barry auch, dass die Frauen-Tour jetzt ein offizieller Weg der Qualifikation für die Main-Tour ist. Er würde die Plätze allerdings auf eine Person beschränken. Er sieht den Nutzen im steigenden Interesse nicht nur an der Frauen-Tour, sondern an Snooker generell.

Auf die Frage, ob es für ihn einen Unterschied macht, gegen eine Frau zu spielen, antwortet er: „Für mich würde es keinen Unterschied machen. Ich habe für alle, gegen die ich spiele, immer den größten Respekt am Tisch.“

Der Kampf ums finanzielle Überleben

Barry Pinches kennt die finanziellen Schwierigkeiten, die Spieler in der unteren Hälfte der Weltrangliste haben, aus eigener Erfahrung. Nicht umsonst nennt er neben seinem besten Freund Paul, seinem verstorbenen Mentor und dessen Frau seine Frau Ashley als diejenige Person, die ihn am meisten unterstützt – unter anderem durch ihr Einkommen.

In der Diskussion um die Preisgeldverteilung gibt es verschiedene Standpunkte. Während die einen sagen: „Wer Geld verdienen will, muss auch gewinnen“, sagt die andere Fraktion: „Snookerspielen ist ein Job, da sollen die Aktiven nicht auch noch ein Minus machen“. Wir haben Barry gefragt, ob er der Meinung ist, Spieler der Main-Tour müssten genug Geld verdienen können, um davon zu leben oder wenigstens die Kosten der Turnierteilnahmen damit zu decken. Seine Antwort darauf ist deutlich: „Ja, ich glaube absolut, dass die Profis eine garantierte Summe bekommen sollten, auch wenn sie in der ersten Runde verlieren. Die Preisgeld-Struktur dient auf der Snooker-Tour im Vergleich zu anderen Sportarten hauptsächlich den Top-Spielern. Meiner Meinung nach braucht es keine große Veränderung und die meisten Profis unterstützen eine Umverteilung zu Gunsten der schlechter platzierten Aktiven.“

Die Person Barry Pinches

LW: Wofür schlägt dein Herz abseits des Snooker-Tisches?
BP: Ich bin ein großer Sport-Fan und ich liebe Musik. Allerdings bin ich kein Fan von modernem Mainstream.

LW: Würdest du dich als glückliche Person bezeichnen?
BP: Ich denke schon. Wenn du morgens gesund aufwachst, hast du eine Menge Gründe, um dankbar zu sein.

LW: Was magst du am liebsten oder findest du am interessantesten, wenn du in einem anderen Land bist?
BP: Die Menschen. Ich liebe es wirklich, unterschiedliche Menschen zu treffen.

LW: Sagen wir, du könntest mit vier beliebigen Menschen der Geschichte zu Abend essen: Wer ware das und warum?
BP: Mein Vater, um mit ihm noch mal richtig lachen zu können. Mein Ex-Coach und Mentor David Deakes, weil ich nie die Gelegenheit hatte, mich von ihm zu verabschieden. Und meine beiden Großeltern, die schon lange tot sind. Sie waren großartige Persönlichkeiten.

Wir bedanken uns, dass Barry sich die Zeit für unsere Fragen genommen hat und den Fans in Deutschland die Gelegenheit gibt, ihn etwas besser kennenzulernen.

Die letzte Frage an ihn war: Was ist dein größter Wunsch für die Zukunft? „Dass meine Familie und Freunde gesund bleiben und ich das German Masters gewinne. [lacht]“ Wir drücken die Daumen und wünschen viel Spaß in Berlin.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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