Neil Robertson gewinnt die Tour Championship mit furiosem Comeback

Mit zurückgelegtem Kopf und geschlossenen Augen genießt Neil Robertson den Flitterregen. Die Trophäe der Tour Championship hält er dabei in die Höhe.
Neil Robertson verteidigt seinen Tour Championship Titel. © World Snooker/Tai Chengzhe

In einem hochspannenden Finale setzt sich Neil Robertson bei der Tour Championship mit 10–9 gegen John Higgins durch. Dabei lag er schon 4–9 zurück. Das ist Robertsons vierter Titel der Saison. Neben der Trophäe streicht er 150.000 Pfund Preisgeld ein.

Top-Niveau am Nachmittag

Am Nachmittag ging es zunächst etwas schleppend los. Keiner der beiden Spieler konnte aus seinen Chancen eine vorentscheidende Menge Punkte sammeln. Am Ende entschied Neil Robertson ein langes Safeduell auf Grün für sich, verpasste dann aber die Clearance. John Higgins lochte Pink und Schwarz und holte sich damit den ersten Frame.

Danach wandelte sich das Match komplett. In den folgenden sechs Frames wurden unfassbare fünf Century-Breaks gespielt. Drei von John Higgins, zwei von Neil Robertson. Was für ein atemberaubendes Niveau! Dabei ging Higgins zunächst 3–0 in Führung, ehe Neil Robertson auf 3–3 ausgleichen konnte. Im sechsten Frame scheiterte Robertson sogar nur knapp an einem Maximum Break. Die letzten beiden Frames des Nachmittags gingen dann aber wieder an den Schotten, der sich so einen Vorsprung herausarbeitete. Den letzten Frame gewann Higgins mit einer schnöden 80. Wir waren zu diesem Zeitpunkt alle schon ein bisschen verwöhnt.

Sogar Brendan Moore als Referee blieb neben seinem Job noch ein bisschen Zeit zum Staunen:

Dramatisches Kommzurück

Die Session am Abend zeigte eine etwas andere Facette des Snookersports. Es gab zunächst nicht die ganz großen Breaks wie am Nachmittag. Dafür gab es einen John Higgins, der nahezu fehlerfrei spielte und Neil Robertson nicht mal an einer Chance schnuppern lassen wollte. Wie am Nachmittag holte er die ersten drei Frames und baute damit seinen Vorsprung auf ein sehr deutliches 8–3 aus. Zwar konnte Robertson mit einer 91 vor der Pause verkürzen, aber danach holte sich Higgins erneut den Frame mit einer 84. Higgins brauchte nur noch einen Frame zum Titel und der Vorsprung war riesig.

Der folgende Frame war umkämpft. Im Duell auf Gelb bekam John Higgins eine Chance auf eine Clearance zum Steal, verschoss jedoch Gelb denkbar knapp auf die Mitteltasche. Neil Robertson räumte ab und startete damit eine unwahrscheinliche Aufholjagd. Im folgenden Frame spielte er mit einer 108 das einzige Century der Finalsession. Im Folgenden wirkte John Higgins etwas nervös. In den nächsten Frames hatte er Chancen, verschoss dann aber etwas überraschend einige Bälle. Neil Robertson hingegen wurde immer sicherer und lochte die entscheidenden Bälle. Breaks von 72 und 93 brachten ihn letztlich in den Entscheidungsframe.

Neil Robertson gewinnt erneut die Tour Championship

Im Decider lochte John Higgins zunächst einen fantastischen langen Einsteiger, verschoss kurz darauf aber Schwarz. Nach einem Lochfehler Robertsons bekam er eine weitere Chance, doch er konnte den leichten Einsteiger nicht lochen. Neil Robertson ließ sich danach jedoch nicht zweimal bitten. Mit einer 72 entschied er dann den Decider für sich und machte das Comeback perfekt.

Mit der Titelverteidigung ist Neil Robertson der erste Spieler, der die Tour Championship ein zweites Mal gewinnen kann. Nachdem Robertson schon die Players Championship in dieser Saison gewann, bringt ihm der Titel bei der Tour Championship auch den Bonus der Cazoo Series.

Nach dem Sieg mit der Trophäe in der Hand, ließ er sich vom Grinsen in die Kamera gar nicht mehr abhalten. Und doch hat er noch Gelegenheit zu erzählen, wie er es schafft, solche Rückstände aufzuholen und weiterhin an den Sieg zu glauben.

Ng On Yee gewinnt Winchester Women’s Open

Am Abend fand auch noch ein Finale der World Women’s Snooker Tour statt. In diesem konnte sich Ng On Yee souverän mit 4–0 gegen Weltmeisterin Nutcharut Wongharuthai durchsetzen. Für beide Finalistinnen geht es in der nächsten Woche dann um die Qualifikation zur Teilnahme der Weltmeisterschaft der WST. Nutcharut ‚Mink‘ Wonghaurhtai trifft am Montag 15:30 Uhr MESZ auf Duane Jones, Ng On Yee am Dienstag um 10:30 Uhr auf Rory McLeod.

Alles bereit zum Saison-Höhepunkt

Neil Robertson geht mit diesem Titel im Rücken jetzt als Topfavorit für seinen zweiten Titel in die Weltmeisterschaft, die in knapp zwei Wochen beginnt. Bevor es im Crucible los geht, startet heute erstmal die Qualifikation. 127 Spieler*innen (voraussichtlich ohne Liang Wenbo) treten an, nur 16 können sich für die Endrunde qualifizieren. Wie in den beiden Jahren zuvor gibt es wieder ein gestuftes Draw und (leider) abermals nur best-of-11-Matches in den ersten drei Runden. Dafür werden in diesen Runden alle vier Tische im Eurosport Player gestreamt. Wir haben also die volle Auswahl.

Alle Infos dazu gibt es wie immer auf unserer Turnierseite. Wer fragwürdige Experten-Tipps bestaunen und uns später auslachen möchte, kann sich ja mal angucken, wen Lula und ich für die erfolgreiche Qualifikation unter dem Hashtag #MyCrucibleQualifiers auf Twitter getippt haben.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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