Das Erfolgsgeheimnis von Zhao, Yan und Fan (und Peng)

Zhao, Yan, Victoria und andere Spieler der Akademie an einem Snookertisch, auf dem eine Geburtstagstorte steht.
v.r. Victoria Shi, Yan Bingtao, Mink Nutcharut, Dechawat Poomjaeng, Zhao Xintong und Anton Kazakov. © Vic Snooker Academy

Wenn es um junge Profis und ihre Erfolge geht, ist in letzter Zeit immer häufiger die Rede von Victoria’s Snooker Academy in Sheffield. Vor dem European Masters im August habe ich mit der Inhaberin Victoria Shi gesprochen und sie nach dem Erfolgsrezept befragt. Außerdem kommt Zhao Xintong, eins ihrer „Wunderkinder“ zu Wort.

Viktoria hat lange Jahre Erfahrung mit dem Snooker-Sport, sowohl als Journalistin wie auch als Managerin – unter anderem von Ding Junhui, dem ersten chinesischen Top-Spieler. Sie erkannte, wo der besondere Bedarf liegt und entwickelte daraus die Idee für ein Rundum-Angebot. „Wir beschlossen, eine Akademie zu eröffnen, die Räume mit Weltklasse-Ausstattung im Zentrum von Sheffield anbietet. Wir wollten es den Profis so einfach wie möglich machen, Snooker zu spielen und dabei in einer britischen Großstadt zu leben. Im Frühjahr 2016 haben wir die Akademie eröffnet. Unser Erfolg wurde immer größer, deshalb sind wir 2019 in größere Räumlichkeiten umgezogen.“

Sammelplatz für Aktive „fern der Heimat“

Momentan trainieren Yan Bingtao, Zhao Xintong, Zhang Anda, Fan Zhengyi, Si Jiahui, Lü Haotian, Lukas Kleckers, Mink Nutcharut, Iulian Boiko, Anton Kazakov und Ashley Hugill in der Akademie. Doch die Liste wird ständig länger.

„Die Spieler, die du erwähnst, sind die wichtigsten. Und es sind jetzt auch die jungen chinesischen Profis Peng Yisong und Chen Zifan bei uns. Außerdem haben wir regelmäßig englische Amateure hier sowie den jungen Ukrainer Peter Sydorenko. Zusätzlich kommen andere Top-Profis wie Ronnie O’Sullivan vorbei, um Xintong and Bingtao zu helfen.“ Ende Juli ist noch Cao Yupeng hinzugestoßen und auf einem Facebook-Foto konnten wir auch Marko Fu beim Training entdecken.

Aber was ist denn nun eigentlich das Besondere an Victorias Snooker Academy? „Die Profis bei uns bekommen Unterstützung in jedem Lebensbereich“, sagt Victoria. „Dazu gehören auch Unterkunft, Reisen und Visa. Wir machen es den Profis so einfach wie möglich, sich vollständig darauf zu konzentrieren, worin sie gut sind: Snooker zu spielen. Sie fühlen sich in Sheffield zu Hause. Und wenn sie sich im Alltag wohlfühlen und auf das Spiel konzentrieren können, dann erreichen sie mehr.“

Trainerin, Managerin, Motivatorin und Elternersatz in Personalunion

Victoria hält den Profis komplett den Rücken frei. Sie ist nicht nur diejenige, die sich um die Logistik kümmert, sondern auch Trainerin und Mutterfigur. Außerdem tröstet sie, treibt zum Training an und räumt hinter ihnen auf, wenn sie zwar die Bälle vor dem Training aber nicht die Küche putzen. Sie regelt die Turnieranmeldungen, bucht Trainingstische und verlängert im Falle eines Sieges das Hotelzimmer. Besonders für sehr junge Aktive, die aus einem anderen Land nach England kommen und die Sprache nicht gut beherrschen, ist die Akademie eine große Hilfe. Durch die Gemeinschaft, in der zusammen gegessen und Geburtstage gefeiert werden, ist das Heimweh nicht so groß und die Eingewöhnung leichter. Doch auch der Wettbewerb untereinander gehört zum Konzept.

„Die Resultate sprechen für sich. Die Profis haben sich durch das Training bei uns massiv verbessert. Die Konditionen sind perfekt. Die Tische werden regelmäßig neu bezogen. Im Untergeschoss ist immer ordentlich was los mit sechs Tischen und viel Kameradschaft zwischen den Spieler*innen, die froh über die Gelegenheit sind, gegeneinander zu spielen und voneinander zu lernen. Oben gibt es mit drei weiteren Tischen die Möglichkeit für Einzeltraining.“

Doch die Räumlichkeiten sind nicht nur den Profis und engagierten Amateuren vorbehalten. „Unsere Akademie ist offen für alle. Wir laden alle deutschen Snookerfans ein, uns auf Social Media zu folgen oder vorbeizukommen, wenn sie in Sheffield sind.“

Victoria’s Snooker Academy findet ihr auf Twitter, Instagram und neuerdings auch auf YouTube mit tollen Videos aus der Akademie.

Zhao Xintong: Einer von drei Turniersiegern der Akademie

Mit Yan Bingtao (Masters 2021), Fan Zhengyi (European Masters 2022) und Zhao Xintong (UK Championship 2021 und German Masters 2022) kommen drei erstmalige Titelgewinner der jüngsten Zeit aus der Snooker Academy in Sheffield.

Zhao Xintong ist mir beim Paul Hunter Classic 2017 in Fürth das erste Mal aufgefallen und seitdem haben wir bei SnookerPRO ein Auge auf ihn. Zhao ist seit 2016 auf der Main Tour und hat sich seitdem beständig in der Weltrangliste hochgearbeitet. Im letzten Jahr gewann er mit aufsehenerregenden Auftritten bei den UK Championship seinen ersten Titel und Anfang 2022 legte er beim German Masters mit einem 9:0 im Finale gegen Yan Bingtao nach. Kurz darauf gewann er sein erstes Match bei der WM im Crucible Theatre. Damit gelang dem 25-Jährigen endgültig der Sprung in die Top-Ränge und er beendete die Saison auf Platz 6 der Weltrangliste.

Ein namhafter Mentor

Schon vor einigen Jahren hatte Ronnie O’Sullivan Zhao unter seine Fittiche genommen und ihm immer wieder mit Rat zur Seite gestanden. „Er hat mir schon sehr geholfen“, erzählt Zhao. „Er hat meine Spiele in der Championship League angesehen und mir gesagt, was ich verbessern kann. Er sagte auch, ich hätte gut gespielt. Das war sehr nett von ihm.“

Die Hilfe bezieht sich hauptsächlich auf das Mentale. Zhao hatte O’Sullivan gefragt: „Wie kann ich das Spiel kontrollieren und meinem Gegenüber Druck machen?“ Hinterher sagte O’Sullivan, Zhao hätte sich die Frage selber beantwortet. „Wenn du gut spielst und Selbstvertrauen hast, spürt dein Gegenüber automatisch den Druck. Aber du musst ruhig bleiben und das ist sehr schwer. Ronnie sagte, beim Snooker ist nicht Snooker zu spielen das Wichtigste, sondern dein Herz und deinen Geist zu kontrollieren.“

Den Druck lieben

Zhao ist ein offensiver Spieler voller Selbstvertrauen mit einem natürlichen, flüssigen Stil. Er scheut sich zu Recht nicht, sich mit seinem berühmten Mentor zu vergleichen und sagt: „Ronnie ist unglaublich. Er ist ein Top-Spieler, eine Legende, einfach der Beste. Ich möchte zukünftig so spielen wie er. Natürlich möchte ich auch weitere Titel gewinnen. Doch ich möchte nicht nur an Pokale denken. Ich möchte Spaß haben und die Leute mit meinem Spiel erfreuen. Dann werden auch die Titel kommen. Doch dafür muss ich mich noch verbessern, mehr trainieren und besser spielen als letztes Jahr. Mit jedem gewonnenen Match steigt mein Selbstbewusstsein.“

Letzteres kann er gut gebrauchen. Denn seine Ziele sind ambitioniert. „Ich möchte nach meinen ersten Titeln nicht ein paar Jahre auf den nächsten warten. Ich möchte die Nummer eins der Weltrangliste und Weltmeister werden. Ich wusste nicht, wie sich das anfühlt, aber jetzt fühle ich, dass der Druck wächst. Das ist normal. Ich denke, wenn du berühmt und erfolgreich sein willst, dann musst du das genießen. Und das tue ich. Ich finde es toll, dass die Leute mich kennen. Vielleicht ändert sich das, wenn der Druck weiter wächst.“

Zhao: „Snooker macht mich glücklich“

Doch nach großem Druck sieht es momentan nicht aus, wenn Zhao um den Tisch schwebt und das Breakbuilding so einfach aussehen lässt wie sein Vorbild. „Snooker macht mich glücklich. Wenn ich spiele, fühle ich mich wohl und selbstbewusst. Weil ich so schnell spiele, denken die Leute, dass ich nicht viel nachdenke und es total einfach ist, aber das ist es nicht.“

Auch Zhao betont, wie gut Victorias Akademie für die ansässigen Aktiven ist. „Es ist sehr schön dort, nicht zu groß, mit freundlicher Atmosphäre. Wir helfen uns gegenseitig. Wenn ich gut spiele, dann werden auch die anderen selbstbewusst und denken, dass sie es auch können. Sie werden alle Turniere gewinnen. Ashley Hugill zum Beispiel ist sehr viel besser geworden als vorher. Er hat bei der letzten WM gegen Neil Robertson sehr gut gespielt.“

Die Zitate von Zhao Xintong haben wir mit freundlicher Genehmigung von Phil Haigh aus seinem Interview für Metro entnommen und ins Deutsche übersetzt.

Zhao schwächelt, Peng mit starker Leistung

Seit seiner Corona-Infektion vor dem Hongkong Masters war Zhao Xintong nicht richtig wieder in die Gänge gekommen. Besonders bitter war das frühe Ende seiner Titelverteidigung bei den UK Championship durch seine Erstrundenniederlage. Doch auch beim Champion of Champions konnte er nicht an gewohnte Leistungen anknüpfen. Umso erfreulicher ist es, dass er sich mit zwei Siegen für das German Masters qualifizieren konnte. Wir hoffen, dass seine Titelverteidigung hier unter einem besseren Stern stehen wird.

Bei der Qualifikation zum German Masters zeigte sich der nächste Spieler aus der Akademie in guter Form. Peng Yisong, der seine erste Saison auf der Main Tour spielt, hatte bisher erst eine Partie gewonnen. Und nun qualifizierte er sich mit Siegen über Ian Burns und Mark Selby für die Endrunde in Berlin. Dort trifft er im Februar 2023 auf Jimmy White. Und auch Yan Bingtao schaffte die Quali und wird wieder im Tempodrom dabei sein. Wir hoffen, dass er sich (und uns) eine Klatsche wie im letzten Finale erspart.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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