Yan Bingtao schlägt Titelverteidiger Selby in Rekord-Match

Yan schlägt Selby. Yan Bingtao jubelt nach Sieg über Titelverteidiger Mark Selby. Selby gibt ihm einen anerkennenden Tap auf die Schulter.
Zum ersten Mal im WM-Viertelfinale: Yan Bingtao. © World Snooker/Tai Chengzhe

Für Ronnie O’Sullivan geht’s mit einem komfortablen Siegen ins Viertelfinale. Yan Bingtao erkämpft sich stark einen Sieg über Titelverteidiger Mark Selby. Aber der Star des Achtelfinals ist eine Taube.

Selby gegen Yan hält alle Versprechen

Wir haben ein enges Duell mit vielen Safeties erwartet und genau das haben Yan und Selby geliefert: Keiner wollte den anderen auch nur den Blick auf einen Millimeter Objektball gewähren. Lange unerbittliche Safety-Austausche dominierten von Anfang an des Geschehen in diesem Match – immer mal wieder durchbrochen durch einzelne flüssige Breaks. Meistens von Mark Selby.

Beide duellierten sich auf Augenhöhe. Nach der ersten Session stand es unentschieden, in der zweiten konnte sich Yan Bingtao dann leicht absetzen. Mit zwei Framegewinnen zu Beginn der dritten Session konnte er sich dann gleich auf 11–7 absetzen. Aber das Match hielt wirklich alles, was es im Vorfeld versprach  inklusive einem Kommzurück von Mark Selby. Ein Century und zwei 80er Breaks später war er wieder bis auf einen Frame herangekommen.

Neuer Rekord-Frame Highlight der Weltmeisterschaft

Der folgende Frame war nicht ganz unwichtig. Steht es 11–11, dann ist das Spiel wieder offen und Selby hat das Momentum auf seiner Seite. Bei 10-–12 steht Yan kurz vor dem Matchgewinn. Und so schauten alle gebannt zu. Yan ging zunächst im Frame in Führung. Der Vorsprung war nicht groß, aber die Roten hatten Massenversammlung an der Kopfbande. Kein schönes Bild für einen Steal. Geduldig arbeitete Selby daran, den Rückstand aufzuholen. Dass er nach toll gelochten Roten nie Stellung auf Farbe bekam, konnte er darüber ausgleichen, dass er Yan immer fiese Snooker legte und Foulpunkte bekam. Die Spannung stieg und auch die Anspannung der Spieler. Beide verpassten ein paar Chancen, den Frame sicher zu machen. Selby sah wie der sichere Sieger aus, verschoss aber Pink, Yan konnte dann Pink lochen, verschoss aber Schwarz. Natürlich lief alles in diesem Frame auf eine Entscheidung durch eine Respotted Black hinaus. Dachte ich jedenfalls, doch ich irrte. Selby versuchte sich an einer sehr schwierigen Schwarzen, die dann etwas unglücklich nicht sicher liegen blieb. Yan Bingtao gewann den Monster-Frame.

Und damit gab es sogar einen neuen Rekord. Und ich hab’s überhaupt nicht kommen sehen, ich war viel zu gebannt beim Zuschauen, um noch eine Idee zu haben, wie lange sie schon um diesen einen Frame kämpfen. Angaben über die tatsächliche Länge des Frames variieren noch, aber wir glauben hier mal Tatiana Woollastons 84 Minuten 41 Sekunden.

Der Frame erwies sich so entscheidend wie angenommen. Yan Bingtao war das gesamte Match über der Selby-gere der beiden gewesen und zweigte das auch in Frame 23: Von dem langen kraftzehrenden Frame hatte er sich gut erholt und spielte eine locker-flockige 112, um das Match nach Hause zu bringen. Aus für den Titelverteidiger und erstes Viertelfinale für Yan Bingtao.

Immer mal wieder was Neues: Federvieh im Crucible

Sportlich interessiert ja vor allem, was auf dem Tisch passiert. Manchmal sind es aber auch die Geschichten abseits des Tisches, welche die meiste Aufmerksamkeit bekommen. Zum Beispiel, ob es ein „Crucible 2“ geben kann. Manchmal fällt das aber schön zusammen, weil die Nebengeschichten wortwörtlich auf dem Tisch stattfinden:

Erst flatterte die Taube an Yan Bingtaos Kopf vorbei. Dann wurde sie von Rob Spencer vom Tisch verscheucht, nur um Mark Selby einen riesigen Schreck einzujagen, der gerade zurück in die Arena kam. Nachdem sie sicher aus dem Theater geleitet wurde, entwickelte sie allerdings Star-Allüren. Eine schöne erheiternde Geschichte am Rande der Weltmeisterschaft.

Wie kam sie aber rein? Vielleicht ein gut ausgearbeiteter Plot, in der Arena ein Zeichen für Frieden zu setzen, nachdem unverständlicherweise Jack Lisowski das Tragen einer ukrainischen Flagge an der Weste verwehrt wurde?

O’Sullivan und Williams Top-Favoriten, Maguire mit Überraschungssieg

Nachdem Williams sich schon so souverän gegen Page durchsetzte, machte Ronnie O’Sullivan es ihm gleich. Mit 13-–4 fertigte er Mark Allen ab und ließ ihm dabei kaum eine Chance. Ein in der Höhe vielleicht etwas unerwartetes Ergebnis. Könnte ein gutes Jahr sein, den siebten Titel zu holen und mit Hendry gleichzuziehen. Aber auch Williams gesellt sich nach zwei tollen Matches in den Kreis der absoluten Topfavoriten.

Etwas überraschender kommt Stephen Maguires Sieg über Zhao Xintong. Nach dessen toller Saison mit den ersten beiden Titeln ist bei der Weltmeisterschaft im Achtelfinale Schluss für ihn. Aber bei seiner zweiten Endrundeteilnahme gelang ihm sein erster Sieg. Stephen Maguire war diese Saison aus den Top 16 gefallen. Und das sogar im absoluten Sturzflug. Bis auf Platz 40 rutschte er ab. Mal schauen, wie weit es für ihn bei der Weltmeisterschaft noch gehen kann.

Vier Ergebnisse stehen noch aus.

Morgen gehen die letzten vier Matches des Achtelfinals zu Ende. Judd Trump führt 10-–6 gegen Anthony McGill. Beide weit weg von ihrem besten Niveau, aber stark erkämpfte Führung von Judd Trump. Etwas überraschend führt Jack Lisowski mit 9-–7 gegen Vorab-Turnierfavorit Neil Robertson.

Gerade spielen John Higgins und Noppon Saengkham (9-–4 für Higgins) sowie Kyren Wilson und Stuart Bingham (7-–5 für Bingham) ihre zweite Session. Beste Chancen auf den ersten Decider gibt es damit morgen wohl zwischen  Robertson und Lisowski oder Wilson und Bingham. Ergebnisse und Zwischenstände gibt es auf unserer Turnierseite.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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2 Gedanken zu „Yan Bingtao schlägt Titelverteidiger Selby in Rekord-Match

  1. Lula Witzescher

    Da gehen die Meinung zum Glück auseinander. Wir fanden es kein bisschen langweilig. Aber wir messen den Unterhaltungswert auch nicht an der AST. Für uns heißt das Spiel ja nicht ohne Grund „Snooker“ und nicht „schnelles Potten am laufenden Band“.

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