Nicht nur ein Spiel oder halbes SnookerPRO-Team in Tränen

Zhou beim German Masters am Trainingstisch im Tempodrom
Nur mit der Lupe zu sehen, warum Kollegin Målin hiervon geträumt hat. © Lula Witzescher

Die Qualifikation zum German Masters sollte für und vom SnookerPRO-Team etwas Licht ins Dunkel bringen. Stattdessen hat sie viele Nerven gekostet und am Ende blieben beide am Boden zerstört zurück. Dieser Artikel ist eine Co-Produktion von beiden.

„Es ist doch nur ein Spiel!“ Wer kennt nicht diesen ignoranten Kommentar von Menschen, die einfach keine Ahnung haben, wovon sie sprechen. Natürlich ist es manchmal nur ein Spiel oder es ist nur EIN Spiel. Aber manchmal hängt an diesem einen Spiel eben, ob ein Spieler von der Tour fliegt, ob die Spielerin endlich ihren ersten Sieg einfährt, ob sie ein Turnier gewinnt oder eben: Ob du die Gelegenheit bekommst, deine Lieblinge live zu sehen oder nicht.

Am Anfang ist Målin voller Hoffnung und Vorfreude

Ich war noch nie live bei einem Snookerturnier vor Ort dabei. Enttäuschend für einen Fan wie mich. Würde sich das beim German Masters 2023 ändern? Ich wusste es noch nicht, ob ich es einrichten kann, aber ich hatte die Hoffnung. Während alle die letzten Runden der UK Championship verfolgten, war ich gedanklich schon eine Woche weiter: Wer würde sich für das German Masters qualifizieren?

Eine gute Enttäuschung beginnt natürlich schon, bevor der erste Ball rollt. Genau, bei der Auslosung. Und gerade für die eigenen liebsten Underdogs ist Glück bei der Auslosung schon oft die halbe Miete. Peter Lines musste in der Quali also gegen den Mann der Saison Mark Allen antreten. Oli Lines, diese Saison komplett außer Form, spielte sein erstes Match gegen Joe Perry, der ja kurz zuvor bei der UK Championship einen guten Lauf hatte. Mein Optimismus hielt sich in Grenzen.

Aber ich mag ja nicht ausschließlich Außenseiter. Mark Selby war zuletzt in ganz ordentlicher Form (ein schlechtes Match bei der UK Championship kann man ja mal ignorieren). Am Dienstag Abend spielte er gegen Rookie Peng Yisong. Beim Zuschauen wurde leider direkt klar: Ein Feuerwerk von Mark Selby wird das hier heute Abend nicht. Aber Durchkämpfen kann sich Mark wie fast kein Zweiter. Ich machte mir Hoffnung. Es sah zwischenzeitig nicht gut aus, aber er konnte sich noch in den Decider retten. Das Match bis dahin war von beiden schwach, im Decider spielte Peng Yisong dann aber richtig gut. Schön für ihn, schlecht für Mark, sehr enttäuschend für mich. Die Niederlage hätte Mark auch schneller einfahren dürfen, noch Hoffnungen im Decider zu haben, war nur unnötig quälend.

Dann beerdigt sie ihren Optimismus

Einmal durchatmen, die Nacht drüber schlafen. Und mich selbst ein bisschen beschwichtigen: Am liebsten möchte ich Zhou Yuelong live im Tempodrom sehen. Am wichtigsten ist also, dass er sich qualifiziert.

Kommen wir zurück zu Ärgernissen der Auslosung (Spoiler: Lula wird darauf auch nochmal zurückkommen). Das blödeste ist dabei, wenn zwei, die man mag, schon in der ersten Runde aufeinander treffen. Wenigstens eine*r kommt dann weiter – sagen jedenfalls optimistische Menschen. Ich sage: Meh. James Cahill gehört zu meinen liebsten Underdogs. Diese Saison hatte er aber noch keine Bäume ausgerissen. Damit ist er aber vielleicht auch ein leichter Anfangsgegner für Zhou Yuelong? Ich versuchte mir die Situaton schön zu reden. Langer Rede kurzer Sinn: James begann gut in den ersten beiden Frames, ab Frame 3 spielten dann beide furchtbar. Nach der Pause habe ich von dem Match auch nicht mehr viel mitbekommen, weil ich beschäftigt war, meine Tränen zu trocknen und panisch im On Demand Video vorzuspulen. Lass es bitte nur schnell enden! (Ein Gefühl, was sicherlich nicht uns Fans, sondern auch den Spielenden selbst bekannt ist. Die können nur leider nicht vorspulen und dürfen eigentlich auch nicht abbrechen:)

Ja, genauso fühle ich mich auch manchmal, Dave.

Weder Mark Selby noch Zhou Yuelong haben sich fürs Tempodrom qualifiziert. Für mich war ab dem Moment alles schon so blöd, dass mir fast egal war, ob sich James Cahill oder Barry Hawkins überhaupt noch qualifizieren. Ich war ohnehin fatalistisch-pessimistisch und sollte am Ende natürlich vollends Recht behalten. Was für ein großer Käse!

Und nun?

Im Februar wird es bestimmt vieles tolles Snooker in Berlin zu sehen geben. Und auch ohne Zweifel die ein oder andere Geschichte, für die ich mich dann begeistern kann. Ich bin eben doch ein Bilderbuch Snooker-Geek. Aber werde ich das endlich mal live vor Ort verfolgen? Mal schauen. Meine dafür dringend notwendige Motivation, alles Wichtige mal abzuklären und dann konkret zu planen, hat einen empfindlichen Dämpfer erfahren.

Lulas Wechselbad der Gefühle endet in bitterer Enttäuschung

„Es ist November und der Regen kriecht durch die Kleider auf die Haut …“ Schlagersängerin Alexandra fängt die Stimmung, in der ich mich während der Quali-Woche befinde, ganz gut ein. Nicht nur ist es draußen grau, sondern mein Burnout mit Depression hat mich immer noch fest im Griff. Ich konnte etwas Aufmunterung gut gebrauchen und beim letzten German Masters hat das ja auch gut geklappt. Dass Lukas Kleckers nach seinem Auftaktsieg dann im zweiten Spiel doch ausschied, war zwar eine bittere Pille, aber ich versuchte, mich wacker im Keine-Erwartung-Modus zu halten.

Nach der Auslosung Judd Trump gegen Mark Davis hatte ich mir nämlich nicht viele Hoffnungen gemacht. Natürlich wollte ich liebend gerne meinen Lieblingsspieler im Tempodrom spielen sehen. Zudem würde ich ihn auch gern mal wieder treffen und mit ihm schnacken. Doch meine Hoffnung war so gering, dass ich mir nicht einmal das Spiel ansah, sondern nach meinem Kinobesuch nach Hause kam und völlig überrascht das Ergebnis sah. Mark hatte im Decider gegen Trump gewonnen. Ich tanzte eine Stunde auf dem Tisch und wartete auf meine Partygäste.

Nur noch ein Spiel, dann nur noch einen Frame entfernt …

Der nächste Gegner war Joe O’Connor. Joe schien mir mit Position 50 in der Weltrangliste gegen Mark (Rang 64) weder glasklarer Favorit noch leichter Gegner. Doch die Aufgabe schien machbar. Ich sah mich vor meinem inneren Auge schon mit Mark beim Kaffee gegenüber des Tempodroms sitzen. Und das war überhaupt nicht gut. Denn wie meine Kollegin so absolut treffend beschrieb: „Hoffnung ist einfach das beschissenste Konzept überhaupt. Du wappnest dich gut mit gesundem Pessimismus und dann kommt so ein Hoffnungs-Laster und überrollt dich einfach.“

Ich habe von dem Spiel nur die ersten vier Frames gesehen. Die kurze Euphorie über Marks 2–0-Führung hielt nicht lange an. Die Safetyduelle in Frame drei und vier gewann beide O’Connor und mir kroch die Angst den Nacken hoch. Ich hielt es vor dem Bildschirm nicht aus und ging ins Bett. Nachts checkte ich den Score und mir kamen sofort die Tränen. Wieder hatte es einen Decider gegeben, doch Mark hatte ihn nicht gewonnen.

Das bisschen Trost, dass mir die Vorfreude auf ein Wiedersehen hätte spenden können, war damit im Eimer. Alexandra hat auch dafür eine unbedingte Wahrheit parat: „Doch der, der Trost sucht, sollte lernen: Er ist vergänglich wie das Glück.“

Sweet memories

Auf Empfehlung einer guten Snooker-Freundin versuche ich, mich trotzdem auf das Turnier zu freuen. Immerhin hat sich ein potentieller Interviewkandidat qualifiziert, daneben auch Titelverteidiger Zhao Xintong, auf den ich hier auch ein Auge habe. Und außerdem habe ich in den letzten Jahren immer schöne Erinnerungen aus dem Tempodrom mitgebracht, ob es die zahlreichen Maximumbreaks, knisternde Viertelfinalabende oder Überraschungssiege waren.

Bei seinem vorletzten Auftritt im Tempodrom spielte Mark Davis sogar am TV-Tisch. Und ich wurde auf Twitter durch diese kurze Szene auf Eurosport berühmt, die mir den Namen Dark Mavis Lady einbrachte. Das mit der Lady hat sich ein bisschen überholt, aber egal.

German Masters im Tempodrom: Mark Davis und Lula Witzescher mit Dark-Mavis-T-Shirt in einer TV-Überblendung

Dark Mavis und die Dark Mavis „Lady“

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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4 Gedanken zu „Nicht nur ein Spiel oder halbes SnookerPRO-Team in Tränen

  1. Bernd

    Ich finde, wir Snookerfreunde sollten uns schon ein bisschen von „Fußballfans“ unterscheiden. Snooker ist ein Präzisionssport und in der aktuellen Weltrangliste (und wie gesehen, sogar Amateure) kann defacto jeder jeden besiegen, zumindest theoretisch. Da spielen viele Faktoren eine Rolle und schlimmstenfalls ist es die Erkältung von Zhao Xintong oder das Verdauungsproblem von Mark Williams. Fußballfans zerschlagen schon mal Einiges, zerlegen die Einrichtungen der Züge und zwar unabhängig davon ob gewonnen oder verloren.
    Selbst ein 7-facher Weltmeister bleibt halt mal in der Quali liegen, na und? Und wir sehen so manches mal von einem Spieler, den wir zumindest vorab schon mal ein bisschen mit Missachtung „strafen“, dem wir vor dem Spiel schon als Verlierer sehen, brilliantes, hochklassiges Snooker und darüber sollten wir uns freuen, sonst wird’s nämlich langweilig.

  2. Lula Witzescher

    Hi Bernd,
    findest du, dass wir in dem Artikel zu sehr wie Fußballfans klingen? Unser Schmerz betrifft (in meinem Fall zumindest) jemanden aus der Mitte der Rangliste. Das ist im Fußballvergleich vielleicht Tennis Borussia Berlin oder so.

    Wie du unseren Artikeln sicher entnehmen kannst, sind wir voll und ganz deiner Meinung, dass es keine Weltmeister*innen braucht, um spannende Spiele zu produzieren. Und wenn es auch nicht die Nummer eins bis sechszehn sind, der wir hinterherweinen, so gibt es doch die, bei denen wir Niederlagen einfach etwas weniger gut wegstecken.

    Oder war dein Kommentar eher allgemein und gar nicht auf unseren Artikel bezogen?

  3. Bernd

    Natürlich war der Kommentar allgemein gemeint. ich z.B. hätte mich gefreut wenn die Frauen etwas besser abgeschnitten hätten, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass diese ( noch nicht) dem Druck gewachsen sind, NgOnYee heute z. B. blieb sehr deutlich unter ihren Möglichkeiten. Was mich eben ein bisschen ärgert, dass man wie z.B. bei der Qualifikation German Masters kaum noch Kommentare bei Eurosport lesen konnte. Und ich fände es gut ( wahrscheinlich bin da wohl eine Seltenheit), wenn mehr über die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter wüsste, die heute z.B. dabei waren, die findet man teilweise nicht in den offiziellen Listen. na gut, ich bin da wohl etwas kleinlich…;-))

  4. Bernd

    Rolf Kalb hat in seinem Blog heute mal einen brillianten Kommentar zum „German Masters“ abgegeben. Da sollte man doch mal Stellung beziehen! Ansonsten, wie es ausschaut, war’s das mit Berlin!

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