Turkish Masters Halbfinale nach einer Woche voller Decider.

Ding Junhui läuft im Achtelfinale beim Turkish Masters um den Tisch. Im Hintergrund wirfst sein Gegner Si Jiahui einen Blick auf die Situation auf dem Tisch.
Ding Junhui zum ersten Mal nach seinem UK Championship Titel 2019 wieder im Halbfinale. © World Snooker/Tai Chengzhe

Wir hatten eine ereignisreiche Woche beim Turkish Masters mit vielen spannenden Entscheidungen, ein paar Überraschungen und ein paar alten Champions, die sich nach einer schwachen Saison nun kämpferisch zurückmelden. Ding Junhui, Matthew Selt, Judd Trump und Shaun Murphy bestreiten heute das Halbfinale beim Turkish Masters.

Die Tour gibt ihren Einstand in der Türkei

Zum ersten Mal findet ein Turnier der Snooker Main Tour in der Türkei statt. Und, fragwürdige politische Entscheidungen mal ignorierend, es ist wirklich schön zu sehen, dass die Snookerwelt größer wird und Snookerfans aus anderen Teilen der Welt die Chance haben, live vor Ort dabei zu sein. Vorausgesetzt sie können es sich leisten, die Karten sollen nämlich nicht ganz günstig sein. Das könnte auch die zum Teil sehr leeren Ränge am zweiten Tisch in der Halle erklären. Das ist zwar wundervoll Pandemie-kompatibel aber dennoch etwas schade.

Nach einer Saison in Milton Keynes, in der die Abwechslung zwischen den Turnieren darin bestand, dass die farbigen Lichtkugeln an den schwarzen Vorhängen im Hintergrund ausgetauscht wurden, ist die Tour wieder auf Achse. Die Turniere haben wieder ein bisschen ihren eigenen Flair, einfach dadurch, dass sie irgendwo sind. Und auch dadurch, dass da irgendein Teppich liegt. Der Teppich beim Turkish Masters ist sicherlich Geschmackssache, aber wenigstens mal was anderes. Dass die Spieler beim Einlaufen in die Arena eine weibliche Begleitung zur Seite gestellt bekommen, wirkt ein bisschen in der Vergangenheit stecken geblieben. Aber vielleicht ist das ja auch tatsächlich nötig, wie oft haben wir schon Profis falsch abbiegen gesehen.

Viele knappe Entscheidungen

Dramaturgisch sticht das Turkish Masters durch einen besonderen Reichtum enger und dramatischer Entscheidungen hervor. Nach fünf Tagen und vier Runden gibt es für einen kurzen Artikel schon viel zu viele Momente, die es Wert wären, darauf zurückzublicken.

Gestern am „Moving Day“ wurden sowohl die Partien des Achtelfinals als auch am Abend die des Viertelfinals gespielt. Judd Trump konnte sein Achtelfinale gerade mal rund eine halbe Stunde vor dem geplanten Starttermin der Abendsession gewinnen. Der Start wurde dann jedoch leicht nach hinten geschoben, sodass er dann noch ein wenig Verschnaufspause hatte. Klingt nach ziemlich harten Bedingungen für die Profis. Aber wer denkt eigentlich an uns Fans? Da fiebert man im Achtelfinale mit Zweien mit, einer gewinnt im Decider, der andere verliert im Decider, und kaum hat man diese Spannung verdaut, geht es direkt weiter. So ein Moving Day ist nichts für schwache Nerven.

Erstes Viertelfinale für Oliver Lines

Die Überraschungsgeschichte dieses Turniers ist Oliver Lines, der hier sein erstes Viertelfinale eines Ranglistenturniers erreichen konnte. Gegen Xiao Guodong in der ersten Runde und vor allem gegen Yan Bingtao im Achtelfinale zeigte er Nervenstärke. Er setzte sich jeweils im Decider durch, nachdem die beiden ein Comeback gestartet hatten. Von den dunklen Außentischen kommend, bekam er dann die Möglichkeit sich in seinem ersten Viertelfinale gegen Shaun Murphy am Haupttisch zu beweisen. Lines lieferte Murphy ein gutes Match, konnte seine Chancen im Decider dann jedoch nicht nutzen. Das gab Shaun Murphy die Gelegenheit seinerseits Nervenstärke zu zeigen und mit einer starken Clearance den Decider auf die letzte Schwarze noch zu stehlen. Das Erreichen des Viertelfinales dürfte für Oli Lines aber den angenehmen Nebeneffekt haben, dass sein Tourplatz für die kommende Saison nun gesichert sein sollte.

Ein paar alte Bekannte melden sich zurück

Shaun Murphy hatte als Vizeweltmeister bisher eine Saison zum Vergessen. Dass er sehr unter Druck stand, merkte man ja schon nach seinen etwas zweifelhaften Äußerungen nach seiner Erstrundenniederlage bei der UK Championship. Insofern ein beeindruckendes Comeback: Mit dem Erreichen des Halbfinals meldet er sich wieder in der Weltspitze zurück. Und wer weiß, vielleicht ist er morgen der erste Sieger des Turkish Masters.

Die andere Große Comeback-Geschichte des Turniers ist Ding Junhui. Mit den Turniersiegen von Zhao Xintong und Fan Zhengyi in dieser Saison standen die Zeichen auf Wachablösung im chinesischen Team. Jetzt meldet sich Ding Junhui zurück. Gestern setzte er sich erst im Decider gegen seinen jungen Landsmann Si Jiahui durch, der erst kürzlich WSF Champion wurde und Ding auch gestern einiges abverlangte. Am Abend im Viertelfinale setzte er sich dann souverän mit 5–1 gegen Graeme Dott durch. Auf dem Weg ins Halbfinale hatte er zuvor auch schon Kyren Wilson besiegt. Das Ende des Matches war sicherlich das dramatischste in einer Woche voller dramatischer Entscheidungen.

Im Halbfinale spielt er jetzt im Moment gegen Matthew Selt, der sich ein bisschen heimlich und ungesehen ins Halbfinale vorgekämpft hat. Nach einem Sieg auf die letzte Schwarze im Decider gegen Alexander Ursenbacher ließ er einige weniger enge Siege unter anderem gegen Zhao Xintong und Martin Gould folgen. Im Moment steht es 1–0 für Matthew Selt und Ding Junhui kämpft im zweiten Frame noch um Snooker.

Judd Trump zeigt Kämpferherz

Sonst bekannt für Zauberbälle und „Naughty Snooker“, muss Judd Trump in dieser Saison kämpfen. Er hat seinen Platz an der Spitze der Weltrangliste verloren, ebenso wie seinen Status als Dauersieger. Er spielt nach wie vor nicht sein bestes Snooker, zeigt aber großen Willen sich durchzukämpfen. Am Sonntag unterlag er noch im Finale der Welsh Open gegen Joe Perry, dann ging es für ihn direkt rüber in die Türkei. Über die Woche konnte er sich durch einige harte Matches durchbeißen. Er schaffte das Comeback gegen Liang Wenbo und Zhou Yuelong, gegen die er sich schließlich im Decider durchsetzte. Nach dem Achtelfinalsieg gegen Zhou blieb ihm dann nicht viel Zeit zur Vorbereitung für sein Match gegen Ali Carter. Doch abermals war er siegreich.

Jetzt steht er erneut unter den letzten Vier. Er hat also noch alle Chancen endlich die für ihn lange Durststrecke bei den Ranglistentiteln zu beenden. Heute Abend um 18:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit trifft er im Halbfinale auf Shaun Murphy.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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