Snooker Statistiken: Head-to-Head

Tortendiagramm der Head-to-Head-Statistik von Gary Wilson und Zhou Yuelong. Wilson gewann 4 Matches, Zhou 2. Von 33 Frames gewann Wilson 19 und Yuelong 14.
Head-to-Head-Statistik von Zhou und Wilson auf Cuetracker.net

Die Head-to-Head-Statistik zweier Spieler*innen gibt Auskunft, wer von beiden wie viele der bestrittenen Matches gewonnen hat. Doch Målin hat davon genug und fragt sich, was uns das eigentlich sagen soll und ob es diese Statistik wirklich braucht.

„Målin mag Zahlen und Tabellen“, sagt mein Bloggerinnen-Profil, seit ich vor drei Jahren angefangen habe, für SnookerPRO zu schreiben. Langsam wird es Zeit mit diesem Mythos aufzuräumen. Die Wahrheit ist, ich hasse Zahlen. Nicht alle, aber doch viele. Aber ich liebe Snooker und eine tolle Sache an diesem Sport ist, auf welch unterschiedliche Art und Weise er Menschen begeistert. Ich liebe die Statistik-Freaks, denn sie sind eine unglaubliche Bereicherung für den Sport. Aber über manche Statistiken kann ich nur den Kopf schütteln. Und heute nutze ich die Gelegenheit mal über Head-to-Head-Statistiken (oft kurz: H2H) abzulästern und zu erklären, warum ich finde, dass sie einen besonderen Ehrenplatz auf der Topliste der unnützesten Snooker-Statistiken verdienen.

Gary Wilson führt 4–2 im Head-to-Head gegen Zhou Yuelong,…

…las ich gestern Abend nach Abschluss des Viertelfinals bei den Scottish Open mehrfach auf Twitter.

Und wenn wir auf das heutige Halbfinal-Spiel zwischen den beiden vorausschauen, dann sagt uns das doch sehr vieles. Oder nicht? Das heißt Gary Wilson ist Favorit. Seine Chance ist doppelt so hoch zu gewinnen. Stochastik 1 durchgespielt, summa cum laude.

Spaß beiseite. Tatsächlich überraschte mich diese Statistik nicht, weil ich sie einige Stunden vorher selbst nachgeschlagen hatte. Ich Heuchlerin! Denn Teil der Wahrheit ist auch: Manchmal steht hinter diesen Zahlen doch eine interessante Geschichte oder eine Erkenntnis.

Von Angstgegner*innen und Schere-Stein-Papier

Bei der Weltmeisterschaft 2018 rumpelten Ali Carter und Ronnie O’Sullivan sowohl verbal als auch physisch aneinander. Ich habe die komplette WM damals verpasst und rückblickend und ohne Kenntnis des Kontextes empfand ich das sehr bizarr. Aber ein Teil des Kontextes war leicht nachzuvollziehen: Nach drölfzigtausend Niederlagen, darunter so unwichtige wie zwei WM-Final-Niederlagen, konnte Ali Carter erstmals einen Sieg gegen O’Sullivan erringen. Und bei diesem einen blieb es dann bislang auch. Dass jemand da gegen seinen absoluten Angstgegner spielt, erklärt schon einen Teil der besonderen Spannung.

Tortendiagramm der Begegnungen zwischen O'Sullivan und Carter. O'Sullivan gewann 18 Matches, Carter eines. Außerdem gewann O'Sullivan knapp zwei Drittel aller Frames. O'Sullivans Anteile sind in grüner Farbe dargestellt.

Wenn O’Sullivan und Carter backen, wird die Torte sehr grün. (Via Cuetracker.net)

Wer, genauso wie ich, nicht alle Snookerergebnisse auf der eigenen biologischen Festplatte im Kopf gespeichert hat, kann mit einem Blick auf die H2H-Statistik mitunter mögliche Angstgegner*innen identifizieren. Bei den Northern Ireland Open setzte sich Chris Wakelin im Halbfinale gegen Jack Lisowski durch. Zuvor hatte er gegen ihn noch kein Match gewinnen können. Das hatte ich nicht gewusst und ich bin zur Abwechslung mal sehr froh, dass H2H-Fans es mich haben wissen lassen.

Worüber kann die H2H-Statistik noch Auskunft geben? Vielleicht ist ein bestimmter Spielstil besonders wirkungsvoll gegen einen anderen oder aber er wird durch diesen neutralisiert. Zum Beispiel hat Mark Allen eine recht ausgeglichene Statistik gegen Mark Selby. Obwohl Selby der ungleich erfolgreichere der beiden Marks ist. Ich vermute, weil Allen besonders gut darin ist, das Bild auf dem Tisch offen zu halten, um langwierige Safetyschlachten auf komplizierten Tischen zu vermeiden. Daher ist es vielleicht auch nicht verwunderlich, dass der etwas taktischer und weniger offensiv spielende Mark Allen der Saison 22/23 zwar erfolgreicher war, im WM-Halbfinale gegen Mark Selby dann dennoch den Kürzeren zog.

Meine liebste Head-to-Head-Beobachtung ist bei der „Class of 92“. Warum auch immer, bilden O’Sullivan, Higgins und Williams eine Art Schere-Stein-Papier-Trio. Mark Williams geht in aller Regel gegen Ronnie O’Sullivan unter, ist aber stark gegen John Higgins(*). Während John Higgins nach sehr vielen Begegnungen mit Ronnie O’Sullivan zumindest noch eine ausgeglichene Bilanz hat und damit einem Angstgegner für O’Sullivan noch am nächsten kommt.

(*) Faktenscheck: Fakten scheren sich nicht um meine Gefühle: Williams Bilanz gegen Higgins ist auch nur annähernd ausgeglichen. Da machen mir die echten H2H-Statistiken sogar noch diese schöne Geschichte kaputt!

Wagen wir einen genaueren Blick

Kommen wir zurück zum anstehenden Halbfinale zwischen Gary Wilson und Zhou Yuelong. Von insgesamt 6 Begegnungen gewann Wilson 4 und Zhou 2. Was für Matches waren das?

  • Euro Tour 5 2014, Runde 1: Wilson 4–2 Zhou
  • European Masters 2020(1), Halbfinale: Zhou 6–5 Wilson
  • World Grand Prix 2020, Runde 1: Wilson 4–1 Zhou
  • Championship League (invitational) 20/21, Gruppe 1 Round-Robin: Wilson 3–2 Zhou
  • Championship League (Invitational) 21/22, Gruppe 1 Round-Robin: Wilson 3–2 Zhou
  • Shoot Out 2023: Zhou 1–0 Wilson

Vier dieser Matches sind augenscheinlich schreiend uninteressant: zum einen das bezahlte Training bei der Championship League (das waren noch nicht mal K.O.-Matches), zum anderen aber auch das Match beim Shoot Out (Erklärung nicht nötig) und das Match bei der Euro Tour in Lissabon, das kein wichtiges Match war und so lange zurück liegt, dass Zhou damals noch ein 16-jähriger Neuprofi war.

Es bleiben die beiden Matches aus der Saison 2020/21. Das deutlich wichtigere der beiden gewann Zhou Yuelong. Damals begegneten sie sich ebenfalls im Halbfinale und Zhou konnte in sein erstes Finale einziehen. Das alleine ist eine viel interessantere Geschichte als nur die Zahlen: „Head-to-Head: 4–2“

Was zählen und was nicht zählen?

Vermutlich wird man es sich auch bei Eurosport nicht nehmen lassen, im Vorfeld der Begegnung auf diese Statistik hinzuweisen. Aber dort wird nicht 4–2 stehen. Denn es gibt unterschiedliche Strategien Matches zu berücksichtigen. Championship League und Shoot Out werden bei Eurosport ausgeschlossen, vielleicht auch die Euro Tour. Die Zahlen können also erheblich abweichen, je nach dem, wer die Statistik aufstellt. Um alles, was ich in diesem Artikel behaupte zu überprüfen, bin ich auch dem Eurosport-Weg gefolgt und habe diverse Matches ausgeschlossen.

Um das Head-to-Head zwischen Selby und Allen zu erstellen, wähle ich alle professionellen Matches aus Ranglisten- und Einladungsturnieren aus. Ligenmatches, 6-Reds und weitere sind ausgeschlossen.

Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst auf Cuetracker.net zusammengestellt hast.

Problematisch finde ich, dass diese einander mitunter stark widersprechenden Statistiken oft gemütlich nebeneinander existieren, ohne dass die Verbreitenden erklären, welche Matches berücksichtigt wurden. Gemäß dem Gesetz der großen Zahlen sollten sich Abweichungen irgendwann ausgleichen. Nur: Sechs ist gar keine große Zahl.

Und auch wenn man Shoot Out Matches mit Shot Clock ausschließt: Ist ein Halbfinale ebenso zu werten wie ein Erstrundenmatch? Sind jüngere Begegnungen nicht spannender als solche, die 10 Jahre zurück liegen? Vermutlich erinnern sich beide Beteiligten nicht mehr daran und Spielstil und Niveau dürften sich auch weiterentwickelt haben.

Und vielleicht sind auch ungezählte Matches relevant und interessant. Bevor Zhou Yuelong jüngst bei der UK Championship John Higgins besiegte, mutmaßten manche, dass es eine besondere Herausforderung für ihn sei gegen sein Idol zu spielen. Zumal er auch nur 1 von 7 zurückliegenden Matches gewonnen habe. Neben ein paar Championship League Matches wurde hier auch ein weiteres wichtiges Match unterschlagen: 2015 gewann Zhou mit Yan im Team den World Cup im Finale gegen Higgins/Maguire. Zhou holte dabei den entscheidenden Frame zum Sieg gegen Higgins und fiel diesem unmittelbar danach im freudigen Überschwang um den Hals. Eine solche Erinnerung überlagert doch sicherlich jede schlechte Bilanz.

Alternative: Grundsolide, handgemachte Kaffeesatzleserei

Abschließend bleibt nur zu sagen: Leider steht es außerhalb meiner Macht, einzelne Statistiken zu verbieten. Solltet ihr völlig unverständlicherweise Freude an Head-to-Head-Statistiken haben, lasst euch diese von mir bloß nicht nehmen, aber fühlt euch dennoch verachtet. Aber schaut dann wenigstens mal auf Cuetracker.net vorbei, um euch eure persönliche Lieblingsstatstik dort selbst rauszusuchen.

Und nehmt es mir nicht übel, dass ich für fast den gesamten Artikel meinen Lieblingsspieler als Beispiel hergenommen habe. Das war pragmatisch kaum anders zu lösen, da ich H2H-Statistiken so langweilig finde, dass ich sie in vollster Verachtung ignoriere. Deswegen fällt mir selten auf, wenn mit dieser Statistik Schindluder betrieben wird.

Aber apropos, blicken wir nochmal voraus auf das Halbfinale. Ich bin überzeugt, dass eine Vorhersage aus dieser ausgesprochen eng gefassten Auswahl eintrifft:

  • Gary Wilson gewinnt 6–0, weil er einfach so weiter spielt wie gegen Wakelin.
  • Zhou Yuelong gewinnt 6–1, weil Wilson nicht so weiter spielt und ein Zhou in guter Form ihn dafür abstraft.
  • Gary Wilson gewinnt 6–4, weil er einfach so weiter spielt wie gegen Wakelin, aber Zhou sich nicht komplett abfrühstücken lässt.
  • Zhou Yuelong gewinnt 6–5, weil er gezeigt hat, dass er im Decider nervenstark bleiben kann. Und weil ich ignoriere, dass Wilson auch schon drei Decider diese Woche gewonnen hat.
  • Gary Wilson gewinnt 6–3, weil das einfach deren H2H auf best-of-11 hochgerechnet ist.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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