Snooker ist der beste Balsam für die Seele

Snooker-Heimat Tempodrom: das Zelt von außen im Sonnenschein
Immer wieder eine Einladung zur Meditation: das Tempodrom © Lula Witzescher

Vielleicht habe ich es schon mal erwähnt. Mein erster Artikel hier auf SnookerPRO sollte den scherzhaft-philosophischen Titel tragen „Tötet Snooker Gehirnzellen?“. Doch der damalige Bloginhaber Daniel bat mich damals um Änderung, denn er hatte Angst, unsere Lesenden hier würden sich davon abgeschreckt fühlen.

Doch für mich steht es außer Frage, dass es etwas mit uns, unserem Körper und unserer Psyche macht, wenn wir einige Tage im Tempodrom sitzen und auf grüne Tische starren. Und niemals wurde das deutlicher als in diesem Jahr, zwei Jahre nach Pandemiebeginn, beim ersten Live-Snooker-Turnier außerhalb der UK.

Aus der Welt treten und in die Stille abtauchen

Guido Hermann, der in diesem Jahr das Mikro in der Arena in der Hand hielt, machte einen tollen Job. Er fand eine angemessene Balance zwischen den Hygiene-Hinweisen und dem Anheizen der Stimmung. Für so bekloppte Ideen wie mit den angeblichen Deutschlandfarben im Lichtkonzept kann er ja nix. Ganz besonders fand ich aber, dass er quasi zu Beginn jeder Session Werbung für mich und SnookerPRO machte. Nein, im Ernst. Er zitierte mehrfach aus meinen Berichten und der Fokus lag dabei immmer darauf, wie gut uns dieses Turnier tut.

Wie immer hatte Thomas Cesal mit seiner Firma Snookerstars das Ganze hier auf die Beine gestellt. Ich habe jedes Jahr mitbekommen, was für ein Stress das für ihn ist. Doch in diesem Jahr hat er das Unmögliche möglich gemacht. Es waren noch mehr Hürden zu nehmen, alles war unsicher und konnte sich täglich ändern. Dafür gebührt ihm mein aufrichtiger Dank, der ebenso an alle anderen geht, die dieses Turnier möglich gemacht haben. Auch TC hatte im Vorfeld betont, wie sehr er das Turnier – besonders für die Seele – brauchte. Und das hörte ich im Verlaufe meiner Tage im Tempodrom von so vielen verschiedenen Menschen.

Wenn Snooker Glück bedeutet …

Diana Schuler war praktisch fast die ganze Zeit am Informationsstand zu treffen und stand dort den zahlreichen Fans Rede und Antwort. Sie sagte, dass ihr während der letzten zwei Jahre Snooker wahnsinnig gefehlt hätte. „Es ist, als wäre ein Teil von mir genommen worden.“ Sie hatte hier sogar die Möglichkeit, in den Genuss von Chris Henrys Coachingkünsten zu kommen und war anschließend völlig beglückt. Es war toll zu sehen, wie sie mit Guido Hermann in der Arena Werbung für die Frauentour machte und ihre Begeisterung für den Sport so mit allen teilte. Wir hoffen, dass viele Mädchen und Frauen ihrem Aufruf folgen und zukünftig ein Queue in die Hand nehmen.

Diana und ich in einer ihrer wenigen Pausen. © Lula Witzescher

… sogar beim Zuschauen

Doch um glücklich zu sein, muss eins nicht unbedingt selber am Tisch stehen. Schon die reine Anwesenheit im Tempodrom hat viele Menschen aus ihrer momentan oft sehr stressigen Welt herausgeholt. Felix ist von Beruf Sportlehrer und schon viele Jahre hier im Tempodrom als einer der unauffälligen schwarzgekleideten Menschen dabei, die einem wahlweise die Tür öffnen oder den Durchgang verweigern – abhängig von der jeweiligen Tür. Im Vorfeld war er sich unsicher, ob er das Risko eingehen wollte. Er befürchtete, dass zu viele Leute vor Ort uneinsichtig sein und sich nicht an die Regeln halten würden. Doch dann hat er sich doch entschieden zu kommen und kurz vor dem Viertelfinale bestätigte er mir: „Ich habe die Entscheidung zum German Masters zu kommen nicht bereut. Es hat geholfen den Corona-Schulstress aus dem Kopf zu bekommen.“

Kraft tanken mit Snooker, weitermachen mit dem Leben

Auch ich konnte meinen stressigen Brotjob für einige Tage vergessen. Nicht nur konnte ich die Stille genießen und den ruhigen Ablauf an den Tischen, den ich in einigen kurzen Videos eingefangen habe. Nein, was auch sehr wohltuend für die Seele war, waren die Gespräche und die Verbundenheit, die ich dadurch wieder empfunden habe. Durch die harten zwei Jahre, die hinter uns allen liegen, ist bei so vielen Menschen die Frustrationstoleranz gesunken. Viele Leute haben einfach kein dickes Fell mehr, sondern sind dünnhäutig, was uns oft die nötige Rücksicht und Höflichkeit vergessen lässt. Hier in dieser Gemeinschaft von allen Seiten Wohlwollen zu spüren, war eine erfrischende Abwechslung, die mir Kraft gegeben hat.

Ich wünsche allen, die das ähnlich empfunden haben, dass diese Kraft lange anhält. Und wenn uns der Alltag wieder vor Herausforderungen stellt, dass wir uns zurückerinnern an diese Tage und das Gefühl wieder aufleben lassen können. Vielleicht brauchen wir mal etwas Beifall und Ermutigung, dann können wir uns diesen Augenblick erneut gönnen.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

SnookerPRO folgen