Well (s)potted: Lulas WM-Gedanken (10)

Spielball
Relativität des Snooker: relativ blöde Posititon des Spielballs.

Die Relativität des Snooker

Heute ist wieder ein großer Tag für Vorschauen und Prognosen. Wie an dieser Stelle schon erläutert, halte ich mich damit zurück. Aber ich möchte allen geneigten Leser*innen einen kleinen Überblick über die wichtigsten Eckdaten verschaffen, von denen die anscheinend so fachkundigen Prognosen und Vorschauen der schreibenden und sprechenden Zunft geprägt sind und warum diese Fachkunde im Nachhinein manchmal so ahnungslos wirkt.

Snooker-WM: das wichtigste Saisonereignis. Relativiert von Alan McManus: „There are a lot of worse things going on in the world than me or anyone else losing a snooker match.”

Weltranglistenplatz: wird zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Spielers herangezogen. Gewinnt aber erst im Laufe des Turniers an Aussagekraft. Wird besonders in Runde eins gerne relativiert von Favoriten und anderen gesetzten Spielern.

bisheriges Abschneiden: wird zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Spielers herangezogen, hat aber praktisch keine Aussagekraft.

Favorit: ein Spieler, dem viele zutrauen, dass er Spiel oder Turnier gewinnt. Verdient dieses Zutrauen nicht immer.

Außenseiter: Gegenteil von Favorit. Hält sich oft nicht daran und gewinnt trotzdem.

Komfortable Führung: die Anzahl der Führungsframes beträgt ein Vielfaches der zum Spielgewinn benötigten Frames. (Beispiel: 11:5 (Beste von 25), Führungsframes=6, benötigte Frames=2, Vielfaches=3) Die komfortable Führung wird oft relativiert durch ein Kommzurück des Gegners.

erfolgloses Kommzurück (auch: Comeback): der Spieler, der sich auf der Gegenseite einer komfortablen Führung befindet, gewinnt alle Frames in Folge bis zum Ausgleich, verliert das Spiel dann aber doch.

erfolgreiches Kommzurück: hier bitte mit Übertragungsfähigkeit das Gegenteil von erfolgloses Kommzurück bilden oder Neil Robertson fragen.

sichere Ablage: der Spielball liegt so, dass der Gegner keinen Ball lochen kann. Oft relativiert vom Gegner, der das trotzdem tut.

Unter diesen Gesichtspunkten sehen wir ab heute die Halbfinalspiele. Heute Nachmittag stehen sich der große Titelfavorit und sein letztjähriger Finalgegner Barry Hawkins gegenüber. Die Vorhersagen sehen einen relativ deutliche Niederlage von Hawkins, aber wir wissen, dass „The Rocket“ durchaus das Wohl des Publikums im Blick hat. Sagte er doch nach seinem Spiel gegen Joe Perry, da hätte „das Publikum etwas für sein Geld bekommen“. Also gehe ich mal davon aus, dass er es spannend macht und unzähligen Menschen Herzrasen verursacht. Mein Herz schlägt allerdings für einen beeindruckend nervenstarken Hawkins, der das Comeback von Dominic Dale auf der Zielgeraden zurückschlagen konnte.

Heute Abend dann Mark Selby gegen Neil Robertson, dass viele Menschen sehr knapp sehen. Da fällt mir – ehrlich gesagt – auch nicht anderes ein, haben uns beide bei dieser WM schon Nervenkitzel beschert, aber auch großartiges Spiel gezeigt. Die Frage ist, ob das 100. Century für Robertson eine Erleichterung mit anschließendem Druckabfall darstellt oder ob es ihm nochmal einen Schub versetzt. Mark Selby steht immer noch unter dem Druck, endlich seine Titelsammlung durch den Henkelpott zu vervollständigen und das wird ihn hoffentlich nicht lähmen. Ich wünsche mir jedenfalls viel Spaß und Selby als Sieger. Aber Tränen werden nicht vergossen, falls es anders kommt. Darauf bin ich vorbereitet.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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