Wir von SnookerPro freuen uns auf die neue Saison. Den Saisonauftakt begleiten wir in den nächsten Wochen mit einer Artikelreihe. In der ersten Ausgabe nutzen wir die Gelegenheit die Championship League über den grünen Klee zu loben – weil es ja sonst keiner tut.
#UnpopularOpinionWednesday: Lasst die Saison beginnen!
Am Sonntag beginnt die neue Saison. Zunächst gemächlich mit der Championship League. Eine gute Gelegenheit für reichlich Vorfreude und um über die schönste Hauptsache der Welt zu diskutieren: Snooker. Auf SnookerPro gibt es zum Einstimmen auf die neue Saison die nächsten Wochen immer am Mittwoch einen kurzen/langen, lockeren/ernsten Artikel mit unpopulären Meinungen über Snooker. Oder vielleicht gar nicht so unpopulären. Ihr seid eingeladen mitzudiskutieren.
Und in der ersten Ausgabe der Reihe möchte ich mit der denkbar unpopulärsten Meinung überhaupt starten. Die ist sogar für Mittwoch zu unpopulär, daher musste sie auf Donnerstag verschoben werden:
Championship League ist super!
Das beste Turnier ist immer das nächste. Logisch. Damit dürften alle nötigen Beweise erbracht sein. Nach einigen Wochen, in denen die Sportwelt dominiert wurde von vielen Männern, die auf dem Grün einem einzigen Ball hinterher laufen, wird es jetzt Zeit für einen Sport, bei dem immer nur eine Person gleichzeitig am grünen Tisch steht und darauf viele Bälle bewegt. Wie das passiert, ist fast schon zweitrangig.
Aber ganz ehrlich: Ich mag die Championship League. Oder genau genommen: Ich mag diese Championship League. Die herkömmliche Championship League ist ja eigentlich mehr bezahltes Training für die Top 20 der Welt. Im Juni letzten Jahres stampfte Matchroom dieses neue Format aus dem Boden. Erst fand es als sicheres Test-Event nach der ersten Corona-Welle statt. Dann wurde es zur neuen Saison ein Ranglisten-Turnier. Mit der alternativen Liga hat es eigentlich nur gemein, dass es irgendwas mit Gruppen zu tun hat. Achja, und den Namen. Weil Matchroom uns alle hasst. Zwei unterschiedliche Formate mit demselben Namen, die parallel nebeneinander koexistieren. Klaro, klingt sinnvoll.
Zur Erinnerung: In der Championship League wird ab Sonntag in 32 Gruppen à 4 Spieler*innen gespielt, nur die Gruppensieger*innen kommen in die nächste Runde und so geht es weiter mit Gruppen, bis nur noch Zwei übrigbleiben, die das Finale herkömmlich im direkten Duell ausspielen. Klingt kompliziert und ist tatsächlich auch etwas unübersichtlich. Aber halt auch mal etwas anderes. Wobei der akute Bedarf an Abwechslung jetzt zum Saisonstart gar nicht so groß ist.
Das Format ist dasselbe wie in der letzten Saison. Wer seine Erinnerung nochmal auffrischen möchte, wie es funktioniert, kann unsere Kurzerklärung von letzten Jahr lesen. Von Matchroom gab es dieses kurze Erklärvideo:
Ein entspannter Auftakt
Als Saisonauftakt ist das Format aber gar nicht schlecht. Zum einen für die Spieler*innen, um nach der Sommerpause wieder reinzukommen. Zum anderen aber auch für uns Snookerfans. In den gewohnten Knockout-Turnieren scheiden teilweise bis zu 32 Spieler*innen am ersten Tag aus. Die Championship League hingegen ist schön entspannt. Pro Tag spielen nur acht Spieler*innen. Wenn man zwischen beiden Tischen wechselt, kann man bequem alle mal ein bisschen spielen sehen und hat so auch mal die Gelegenheit, auf Spieler*innen zu achten, die man sonst nicht so häufig sieht.
Falls einem beide Gruppen eines Tages nicht so zusagen, kann man auch mal entspannt einen Tag auslassen. Und wenn man nicht die Zeit hat, alles zu gucken, verpasst man bei der Championship League nicht so viel auf einmal. Ein ruhiger und gemächlicher Start in die Saison ist doch eigentlich keine schlechte Sache.
Kurze Matches, aber keine Lotterie
Anlässlich der WST Pro Series in der letzten Saison hatte ich schon mal einen Artikel darüber geschrieben, dass solche Gruppenformate nicht so schlecht sind, wie ihr Ruf. Vieles davon lässt sich auf die Championship League übertragen. Die Distanzen sind kurz. Allerdings müssen mehr Matches gespielt werden. Wer in einem best-of-7 K.O.-Turnier die Runde der letzten 32 erreichen will, muss zwei Matches gewinnen, spielt also 8 bis 14 Frames. Bei der Championship League müssen Punkte aus drei Matches gesammelt werden, wer die Gruppe gewinnt, hat am Ende des Tages zwischen 9 und 12 Frames gespielt. Das ist vergleichbar. Die (wenigen) Ranglisten-Punkte bei der Championship League müssen sich die Spieler*innen also härter erarbeiten als bei den British Open im August.
Spannung garantiert?
Durch die kleinen Gruppen und die möglichen Unentschieden stehen die Chancen gut, dass die Gruppen lange spannend bleiben. Tatsächlich gab es schon einige spannende Gruppenfinals.
In der ersten dieser Championship Leagues kämpften in einer Gruppe der ersten Phase die beiden Gruppenaußenseiter Ken Doherty und Ashley Carty im letzten Match um den Gruppensieg. Carty sollte dabei ein Unentschieden reichen. Tatsächlich gewann er die ersten beiden Frames des Matches und stand schon fast sicher in der nächsten Runde. Einzige denkbare Ausnahme: Doherty würde die beiden nächsten Frames gewinnen und dabei Cartys höchstes Break von 87 schlagen. Tatsächlich spielte Ken Doherty im folgenden Frame eine nervenstarke und äußerst sehenswerte 90. Aber dann bewies auch Ashley Carty starke Nerven und gewann den letzten Frame zum 3–1. Ein best-of-4 voll gepackt mit lauter Wendungen.
In der Championship League der vergangenen Saison gab es eine Gruppe, in der noch drei Spieler vor dem letzten Match die Chance hatten, die Gruppe zu gewinnen. Oliver Lines hätte im letzten Match gegen Robbie Williams ein Unentschieden zum Gruppensieg gereicht. Er ging auch 1–0 in Führung. Robbie Williams war damit fast ausgeschieden, er brauchte ein 3–0 oder musste bei einem 3–1-Sieg zusätzlich Tian Pengfeis höchstes Break von 112 überbieten. Williams drehte das Match, landete in der Gruppe am Ende vor Lines, verpasste aber den Gruppensieg. Tian Pengfei war im alles entscheidenden Gruppenmatch der lachende Dritte.
Das sind nur zwei der Gruppen, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind. Zwar gab es auch einige Gruppen, die schon früh entschieden waren, aber das Format hat auch eine gute Formel, um ein paar richtig spannende und wendungsreiche Gruppen zu produzieren. Davon wird es auch in den kommenden Wochen sicherlich wieder einige geben. Besonders empfehle ich, die Gruppe 31 am kommenden Freitag im Auge zu behalten. Dort treffen die jungen Talente aufeinander: Luca Brecel, Pang Junxu, Chang Bingyu und Dean Young, der einzige Tourneuling, der dabei sein wird, nachdem Ng On Yee bedauerlicherweise absagen musste.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz überträgt Matchroom.live die Championship League. Alle Infos gibt es wie immer auf unserer Turnierseite.
Also wirklich … was soll an dieser Meinung unpopulär sein? Jede Person, die Snooker liebt, die stundenlang auf grüne Tische starren kann, auf denen nach Meinung anderer Menschen nix passiert, außer dass bunte Bälle herumkullern … jede dieser Personen muss doch diese Championship League toll finden!
Ich rede hier nicht von diesen „Ich guck einmal im Jahr WM und finde Ronnie toll“-Fans, sondern von denen, die die Vielfalt schätzen, die bei einem tollen Snooker hingerissen seufzen, die bei taktischen Duellen mitfiebern, bei einem miterlebten Maximum auf dem Tisch tanzen, die den Hintersten in der Rangliste die Daumen drücken, die sich jeden Snookerpodcast anhören, egal, wer dort zu Gast ist und die mindestens 50 Aktive mit Namen und Gesicht kennen.
Also ich bin ganz bei dir und werde am Bildschirm kleben. Wenigstens bei Gruppe zwölf.