Es herrscht Gruppenzwang in Milton Keynes

Tabelle zu Vor- und Nachteilen von Grupenformaten. Positiv: Abwechslung vom Knockout-Draw; Viele verschiedene Spieler zu sehen; Viele abwechslungsreiche Duelle; Trotz kurzer Distanz ist Beständigkeit gefordert. Negativ: Undurchsichtiger als K.O.-Modus; lange erste Phase, fühlt sich endlos an; Zeitplan: Verhältnismäßig lange Pausen zwischen sehr kurzen Matches; "tote" Frames und Matches

Die neu geschaffene WST Pro Series geht dieses Wochenende zu Ende. Dieses Gruppenformat besteht aus drei Phasen, beginnend mit 16 Gruppen in der ersten Phase. In jeder Gruppe spielen je acht Spieler. In der Finalgruppe wird morgen in zahlreichen ‚Best of 3’s, um einen Ranglistentitel und etwas Preisgeld gekämpft.

Corona brachte uns zwei Dinge im Snooker: Milton Keynes und viele Gruppen- bzw. Ligenturniere. Nach der Pause im Juni 2020 gab es ein neues Format der Championship League. Zum Saisonstart im September dasselbe Format als Ranglistenturnier. Und in diesem Jahr kamen als Ersatz für die China-Turniere dann zusätzlich die reguläre Championship League und die WST Pro Series. Die neue WST Pro Series geht an diesem Wochenende zu Ende. Wir fragen uns: Sind Turniere mit Gruppenformat eigentlich richtiges Snooker oder kann das weg?

Über drei Frames kann jeder jeden schlagen

‚Best of 3‘ ist sicherlich keine Distanz, die in den nächsten Jahren zum Fanfavoriten avancieren wird. Hätten wir für jeden Ausspruch „Das ist doch eine Lotterie!“ eines Profis im Interview oder eines Fans auf Twitter einen Lottoschein ausgefüllt, könnten wir uns berechtigte Hoffnungen auf den Jackpot machen. Seien wir ehrlich: Ja, ein ‚Best of 3‘ ist bei den besten Profis sicherlich ein kleines Glücksspiel, aber der Verlierer scheidet ja auch nicht aus. Er kann immer noch sechs andere ‚Best of 3‘-Matches gewinnen. Kann man bei ‚Best of 3‘ eigentlich von Match reden? Sagen wir ab jetzt einfach „Head-to-Head“: Der Teil der Frames einer Gruppe, der zwischen zwei bestimmten Spielern ausgespielt wird. Der dritte Frame ist übrigens auch kein Decider, stattdessen sagen wir einfach „dritter Frame“.

Insgesamt spielen alle acht Spieler einer Gruppe sieben solcher Head-to-Heads aus, mit mind. zwei und max. drei Frames. Am Endes des Tages haben also alle mindestens 14 Frames gespielt, wahrscheinlich sogar mehr. Das klingt gar nicht mehr so sehr nach Lotterie. Letztendlich ist eben doch Beständigkeit gefragt. Ein normales Match kann man nach 1–3 zur Pause noch drehen, eine Gruppe kann man auch gewinnen, wenn man ein oder zwei Head-to-Heads verloren hat.

Mehr Pause als Spielzeit bei der Pro Series

Fernseher an. Nein, da läuft es nicht. Fernseher wieder aus. Laptop aufgeklappt und hochgefahren, den Stream gestartet, schon steht es 240 im zweiten Frame. Zehn Minuten später ist das Head-to-Head schon vorbei. Die nächste Session beginnt in 45 Minuten. Schnell einkaufen? Ist das in der Zeit zu schaffen oder verpasse ich noch den Großteil des nächsten Head-to-Heads?
So oder so ähnlich erging es mir oft während der WST Pro Series.

Gerade weil diese kurzen Distanzen in einem Gruppenformat keine echten Matches sind, erscheinen die festen Sessionzeiten seltsam. Statt im fliegendem Wechsel wie bei der Championship League wird jedes Head-to-Head einzeln herausgehoben. Dazwischen langatmige Pausen, oftmals länger als die Begegnungen selbst, mit Blick auf das Stadium MK. Ich persönliche habe mich mit diesem Rhythmus sehr schwer getan.

Mehrere leere graue Stühle stehen vor einem dunklen Konferenztisch. Auf dem Tisch steht in großen grauen Buchstaben aufrecht: PAUSE.

Da immer alle acht Spieler parallel an den vier Tischen spielen, sind solche geplanten Pausen aber nicht zu vermeiden. Sollte es in der nächsten Saison wieder eine WST Pro Series geben, wäre es vielleicht besser, wenn über zwei Tage zwei Gruppen parallel an je zwei Tischen spielen. Dann könnte man einen Zeitplan ohne anstrengende Pausen erstellen. Und vielleicht wären dann sogar längere Distanzen möglich.

Chancen für Außenseiter

Guckt man nur auf die Ergebnisse, unterscheidet sich die WST Pro Series gar nicht so sehr von einem normalen Turnier mit Knockout-Modus und längeren Distanzen: Ein paar Topspieler schieden überraschend früh aus und ein paar Außenseiter zogen mit Achtungserfolgen in die Runde der letzten 32 ein. Aber wenn es auf den Finaltag zugeht, bleiben mehrheitlich die Topspieler im Rennen.

Trotzdem bietet dieses Gruppenformat eine gute Gelegenheit für Spieler, die nur selten unter den letzten 32 eines Turniers stehen oder mit ihrer Form straucheln. Im normalen K.O.-Modus geht es nach einer Auftaktniederlage direkt wieder nach Hause. In einer Gruppe hat man jedoch noch sechs weitere (kurze) Spiele garantiert. Fergal O’Brien und James Cahill fanden, dass das Format gut war, um wieder ein bisschen Selbstvertrauen zurück zu erlangen. Beide erreichten die zweite Gruppenphase. Auch für Neuprofis ist es eine gute Gelegenheit ein bisschen auf der Tour anzukommen und gegen Gegner auf unterschiedlichem Niveau zu spielen.

Gruppenformate können Abwechslung im Kalender bieten

Die Zeiten für Snookerfans sind ganz gut. Trotz Pandemie konnte man in den letzten Wochen und Monaten viel Snooker gucken. Wie in normalen Jahren reihte sich Turnier an Turnier. Am Sonntagabend geht ein Turnier mit einem Finale zu Ende, wenige Stunden später am Montagvormittag startet schon die erste Runde des nächsten Turniers. Das kann für Profis wie Fans auch schon mal ermüdend sein. Klar ist ein Gruppenformat mit kurzen Distanzen nicht so aufregend wie die China Open. Aber gut gemacht in kleinen Häppchen zwischen den normalen Turnieren könnte es auch eine sehr angenehme Abwechslung sein.

Links im Bild kehrt Oliver Lines auf seinen Platz zurück und wirft einen Blick über die Schulter zurück auf den Tisch. Rechts neben ihm steht Peter Lines, der seine Kreide aus der Weste holt und mit leerem Gesichtsausdruck seinen Stoß plant. Im Hintergrund Referee Leo Scullion.

Lang erwartetes Lines-Vater-Sohn-Duell bei der WST Pro Series.

Wenn einen das Format nicht interessiert, kann man die Zeit mal nutzen, um anderen Hobbys nachzugehen, ohne etwas zu verpassen. Oder man guckt einfach nur die Gruppen, in denen einen einzelne Spieler*innen interessieren. Oder man schaut mal rein, wenn man sonst nichts zu tun hat. Die WST Pro Series hat ja auch gezeigt, dass es dabei auch gut mal zu Begegnungen kommt, zu denen es sonst nicht kommt. Wie das seit Jahren erwartete Vater-Sohn-Duell zwischen Peter und Oliver Lines.

Ob die WST Pro Series zurückkehren wird, ist fraglich. Auch die Championship League wird wohl weiter ein Einladungsturnier für die Topspieler*innen bleiben. Aber wenn man das Ganze noch ein bisschen überarbeitet, können wir uns für die nächsten Jahre auch weiterhin ein Gruppenformat für alle 128 Main Tour Spieler*innen mit Ranglistenturnier-Status vorstellen. Nur bitte nicht mehr als eins pro Saison.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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