Nach dem Paul Hunter Classic 2018 gewinnt Kyren Wilson auch das zweite Turnier auf deutschem Boden. Im Finale des German Masters 2019 besiegt er David Gilbert mit 9–7. Wir nennen ihn ab jetzt den German Double Crown Champion.
Der Siegerscheck beträgt £80 000, David Gilbert bekommt £35 000.
Zwei Sessions mit unterschiedlichen Gesichtern
Das war genau so ein Zwei-Session-Match, das Snooker so interessant macht: Die erste Session wird von einem Spieler dominiert, die zweite von dem anderen. Zumindest die erste Hälfte.
In der Nachmittagssession wirkte Kyren Wilson konzentrierter und David Gilbert machte aus seinen Chancen zu wenig zählbaren Erfolg. Folgerichtig ging Wilson mit 5–3 in die Pause. Am Abend bot sich dann ein umgekehrtes Bild. Gilbert gewann auch die nervösen, zerhackten Frames, während Wilson mit sich, seinem Tip und den Bällen haderte. Besonders die langen Bälle kamen nicht mehr bei ihm. Und während am Nachmittag selbst bei Fehlern von Wilson nichts für Gilbert liegenblieb, ergab sich am Abend oftmals eine Chance. Gilbert gewann vier Frames in Folge und ging mit 7–5 ins Midsession-Intervall.
Das Glücks-Pendel schwingt zurück
Nach der Pause wurde es dann besser für Wilson. Er holte den ersten Frame mit einer 93. Im 14. Frame wollen die anvisierten Roten bei beiden gleichermaßen nicht fallen und flitzen quer über den Tisch oder bleiben kurz vorm Loch liegen. Am Ende war es Gilbert, der für seine beherzten Versuche belohnt wurde. Bei schwierigem Bild erarbeitete er sich eine 46, bevor er aussteigen musste, weil der Spielball an der Mitteltasche hängenblieb und den Pot auf Rot verhinderte. Leider spielte er eine nur mäßige Safety und ließ damit Wilson an den Tisch. Der machte eine phantastische „total clearance“ zum 7–7.
Im 15. Frame war wieder Wilson zuerst in den Bällen, machte zwei kleinere Breaks. Nach Foul & Miss von Gilbert ließ er nicht zurücklegen, sondern versuchte eine lange Rote, die er allerdings verfehlte. Gilbert lochte Rot und Gelb und als er die nächste Rote versenken wollte, bimmelte ein Telefon und die Kugel lief neben die Tasche. Diese – nun dritte – Gelegenheit ließ Wilson sich nicht entgehen und ging zum ersten Mal seit dem 5–4 wieder in Führung. Nun fehlte ihm nur noch ein Frame zum Sieg. Und hier saßen auch die langen Bälle wieder. Obwohl ein Split dem Break bei 43 ein Ende setzte, konnte er den Frame zum 9–7 im zweiten Anlauf sichern.
This is the difference when you have self belief. Pretty much all its come down to
— James Kilmartin (@jaykay3737) February 3, 2019
The Mental Game
Wir können uns wahrscheinlich nur ansatzweise vorstellen, was in den Spielern vorgeht, was für einen Druck sie verspüren und welche Kräfte diese Dynamiken verursachen. Auf alle Fälle kam heute der Spruch vom „mentalen Spiel“ voll zum Einsatz.
Nach dem Spiel erklärte Wilson die Szene, die das Spiel zum Kippen gebracht hatte. Als im ersten Frame der zweiten Session er selber verschoss und Gilbert den Ball zum Break versenkte, schwang das Momentum, das er vorher selber hatte, zum Gegner um. Es war unglaublich, wie Wilson sich nach Gilberts Lauf, das Spiel zurückeroberte und am Ende gewann. Das macht seine Stärke aus! So leid es uns für Gilbert tut, dass er immer noch auf seinen ersten Weltranglistentitel warten muss: Dieser Sieg ist völlig verdient für Wilson.
Von David Gilbert wissen wir, dass er schon mit einem Sportpsychologen zusammengearbeitet hat. Während seiner starken Auftritte hier beim German Masters hat er auch eine Menge Kampfstärke gezeigt. Aber heute hat ihm das leider nichts genützt. Nach dem verlorenen World-Open-Finale ist er also schon wieder kurz vor dem Erfolg gescheitert. Hoffentlich wird das kein Trauma …
Die Walk-Ons waren auf Twitter großes Thema. Gilberts Musik wurde allerorts über den grünen Klee gelobt, aber unsere Favoritin war dies hier:
Even the Final ref @DBozhilova gets the full Tempodrom treatment #nopressure #D88GermanMasters pic.twitter.com/kRgPkxnbCM
— Jan Verhaas (@janverhaas) February 3, 2019