Frischer Wind im Frauensnooker!?

Ng On Yee WM2015
Ng On Yee schreibt Geschichte: Sie gewinnt als erste Nicht-Britin den WM-Titel der Frauen. © Diana Schuler/WLBSA

Am Dienstag gewinnt Ng On Yee aus Hong Kong in Leeds als erste Nicht-Britin die Snooker WM der Frauen. Im Best-of-11-Finale gegen Emma Bonney liegt sie 0-2 zurück, bevor sie sich mit einem Lauf von sechs Frames in Folge den Titel sichert. Auf ihrem Weg dahin schlug sie die amtierende Weltmeisterin Reanne Evans, die mit ihren zehn WM-Titeln die bekannteste – bei vielen Menschen die einzige bekannte – Snookerspielerin ist.

Parallel zum Finale läuft die erste Runde der Herren-WM. Ich kann mich dort zwischen zwei Spielen auf jeweils zwei verschiedenen Sendern entscheiden. Das Frauenfinale verfolge ich am Ticker, denn es gibt keine Fernsehbilder davon. Als ich den ersten Zwischenstand mit dem ironischen Kommentar „Schön, dass wir das live sehen können“ tweete, ist die erste Antwort: „Wer will denn das sehen?“ Hatten wir das nicht schon mal????

LadiesDay2015

LadiesDay 2015, Dank an Diana Schuler/WLBSA (Bildmitte mit den violetten Haaren) für die Fotos.

Am Donnerstag war dann wieder Ladies Day im Crucible Theatre, der dazu dient, Frauensnooker sichtbarer zu machen. Die aktiven Frauen der WLBSA schienen fast vollzählig vertreten zu sein und bespaßten die Besucher_innen. Neben der frisch gekürten Weltmeisterin Ng On Yee war natürlich auch Reanne Evans vor Ort. Nach ihrem nur sehr knappen Ausscheiden in der 1. Runde der WM-Qualifikation gegen Ken Doherty wurde wieder vermehrt darüber gesprochen, ob sie nicht eine Wildcard für die Tour verdient hätte.

Ein sexistisches Geschenk?

Barry Hearn, Chairman von World Snooker (und nach Steve Davis 2014) in diesem Jahr der selbsternannte Genderexperte, betonte in dieser Diskussion mehrfach, was er davon hält. So antwortete er dem Snookerberichterstatter Andy Goldstein „Hast du Reanne gefragt, ob sie dieses sexistische Geschenk haben möchte?“ und an anderer Stelle wusste er auch gleich die Antwort: „Das finde ich ein bisschen sexistisch. Ich bin sicher, dass sie sich ihren Platz viel lieber verdienen würde als ihn geschenkt zu bekommen.“ Die Gender-Equalitiy-Expertin dieses Blogs sagt dazu: „Wer mit Fremdwörtern nicht konfekt ist, sollte damit nicht renovieren.“ Vielleicht sollte er den Begriff nochmal nachschlagen, bevor er damit berechtigte Nachfragen und gute Argumente erschlägt.

Vor allem geht es hier auch gar nicht um eine gönnerhafte Gabe, sondern es geht um eine klare Regelung. Wenn der U-21 Weltmeister eine Tourkarte bekommt, warum dann nicht auch die Titelträgerin der Frauen-WM und die U-21 Weltmeisterin? Damit diese dann in dem Jungs-Club (Zitat Evans) nicht so einsam ist, sollten vielleicht – analog zur Q-School – die Teilnehmerinnen des Halbfinales automatisch eine Zwei-Jahres-Tourkarte bekommen. Evans gibt auf die Frage, die Hearn ihr wohlweislich gar nicht stellt, übrigens eine klare Antwort: „Ich würde jede Gelegenheit zu spielen ergreifen, die ich bekommen kann. Ich möchte einfach nur Snooker spielen und wenn sie mir eine Wildcard anbieten, werde ich sie nicht ablehnen.“

Nun wird argumentiert, das Evans bei ihrem letzten Versuch auf der Tour, als sie eine Wildcard für die Saison 2010/2011 bekam, kein einziges Spiel gewinnen konnte. Wofür ist das eigentlich ein Argument? (Schaut doch bitte mal hier auf die Ergebnisstatistik des Profis Ryan-Clark) Ein Jahr ist nichts, um sich auf der Tour auch nur annähernd durchzusetzen. Evans sagt dazu: „Du musst unter diesen Bedingungen spielen, um dein Spiel zu verbessern.“ Und Stephen Hendry bestätigt diese Einschätzung: Es braucht Zeit, es braucht Erfahrung und es braucht die Herausforderung. „Du verbesserst dich nur, indem du gegen bessere Spieler spielst. Am Anfang wirst du offensichtlich mehr verlieren als gewinnen. Aber du lernst aus jeder Niederlage.“

Unterstützung bedeutet Respekt.

Was fehlt dem Frauensnooker, um – mit Ng On Yees Worten zu sprechen – die Lücke zum Männersport zu schließen? Reanne Evans sagt es schon seit Jahren: „Wir brauchen Rückhalt. Wir brauchen Gelegenheiten.“ Und sie brauchen eine Willkommenskultur gepaart mit Respekt.

Die mehrfache Snookerweltmeisterin Allison Fisher hat vor einigen Jahren erzählt, dass sie das Snookerspiel zugunsten von Poolbillard aufgegeben habe, weil sie sich und ihre Leistung nicht respektiert fühlte. Sie wurde damals in der Matchroom League häufig nicht als „normale“ Akteurin anerkannt. Sie schlug zum Beispiel Neal Foulds, Tony Drago and Mike Hallett und die haben es gar nicht gut aufgenommen. „Sie haben riesige Egos und viele der Kerle können überhaupt nicht damit umgehen, gegen eine Frau zu verlieren“, sagte Fisher. Offensichtlich hat es davon aber Ausnahmen gegeben, was zeigt, dass es sehr auf die Haltung der einzelnen Menschen ankommt, ob eine Frau sich in diesem Kreis wohlfühlt: „Ich habe mit Steve Davis drei World Double Titel gewonnen. John Parrott und Stephen Hendry haben gegen mich gespielt wie gegen jeden anderen Spieler. Und Jimmy White war immer wundervoll.”

„Es gibt keine Beschränkungen für Frauen.“

Sagt Jason Ferguson, World Snooker Director. Evans hat da ganz andere Erfahrungen gemacht. Sie erlebt es – wie Allison Fisher vor Jahren – immer noch, dass sie nicht als vollwertige Spielerin anerkannt wird. In einigen Clubs darf sie als Frau gar nicht erst spielen, aber auch ihre Gegner selber sind manchmal ein Problem. Ken Doherty sagte nach seinem knappen Sieg, dass er sehr erleichtert wäre: „Ich wäre sonst bis an mein Lebensende auf diese Niederlage angesprochen worden.“

Was sagt es über den Status einer Frau im Snooker-Zirkel aus, wenn ein Mann sich unter ganz besonderem Druck fühlt, gegen sie gewinnen zu müssen? Wie wird eine Frau gesehen, wenn eine Niederlage gegen sie so peinlich ist und die Medien sich permanent darauf stürzen? Klingt das nach Gleichheit? [An dieser Stelle bitte eine Denkpause einlegen, falls sich die Antwort nicht sofort aufgedrängt hat.]

Die Beteiligten sind sich in einem Punkt einig: Wenn sich Frauensnooker (wieder) entwickeln soll, braucht es zwei Standbeine: die Möglichkeit für gute Spielerinnen, auf der Main Tour aktiv zu werden und vor allem eine eigene Frauen-Tour. Mehr Wettkämpfe, mehr Struktur und vor allem: mehr Geld. Während die Männer bei der Weltmeisterschaft um einen Titelgeldpreis von 300.000 £ spielen und mit dem Gewinn eines einzigen Qualifikationsspiels schon 6.000 £ verdienen, bekommt die Frauenweltmeisterin nur einen winzigen Bruchteil davon. Evans hat für ihre 10 Titel insgesamt wahrscheinlich nicht einmal 6.000 £ verdient. Doch die momentane Rechnung lautet: keine Präsenz-kein Interesse-keine Sponsoren-und-wieder-von-vorne.

Die Zukunft

Jasmin Bolsover, U21WM 2015Es ist auf alle Fälle positiv, dass es neue Gesichter im Frauensnooker gibt und nicht alles nur auf den Schultern von Evans liegt. Neben On Yee zieht auch die Dame links Aufmerksamkeit auf sich. Wir werden sehen, ob die 15-jährige Jasmine Bolsover, die nicht nur den U-21-Titel, sondern auch das Doppel mit Reanne Evans gewann, irgendwann – wenn sie groß ist – fruchtbare Verhältnisse vorfindet. Ich denke, viel früher wird das nix.

Denn die große Frage ist nach wie vor: Besteht ein wirkliches Interesse von Seiten der Verantwortlichen, diese Dinge effektiv anzugehen? Oder bleibt es bei dem schmalen Bekenntnis „Ein Tag im Jahr den Ladies“?

In letzter Minute erreicht mich eine Einschätzung von Diana Schuler, die an der WM nicht nur als Spielerin, sondern auch als Organisatorin teilgenommen hat. Hier ihre unzensierte Antwort auf meine dringlichste Frage: Was braucht das Frauensnooker, um sich (wieder) zu entwickeln?

Diana Schuler: „Sehr viel. Das fängt bei den kleinen Dingen an wie einer guten, informellen Webseite, die interessierte Neulinge auffängt und weiterleitet an Spielstätten und Coaches.
Natürlich brauchen wir unbedingt mehr Frauen an den Tischen, denn Masse erzeugt Klasse. Um deren Interesse zu wecken, wären Frauen auf der Maintour ein gutes Mittel. Aber auch das Marketing muss stimmen und wir benötigen mehr Turniere, die nicht nur die Topspielerinnen anlocken, sondern die breite Masse. Denn wer einmal dem Turnierbann erliegt, kommt erfahrungsgemäß nicht mehr davon los ;-)

Was ich nach wie vor unglaublich finde: Es gibt in UK noch immer Snookerclubs, zu denen Frauen keinen Zutritt haben. Dies hilft dem Frauensnooker natürlich auch nicht weiter.

Leider hat es die WLBSA (World Ladies Billiard And Snooker Association) in den letzten Jahren etwas versäumt, sich attraktiv zu präsentieren. Wenn potentielle Sponsoren z.B. auf die momentane Website geraten, sind sie sicherlich leider schnell wieder weg. Als ich bemerkte, dass sich dieses Jahr während der WM aus Personalmangel keiner um die Vermarktung kümmern kann, bin ich eingesprungen und habe mein Möglichstes getan, um die WM der Außenwelt zu präsentieren. Unter anderem habe ich ein Livescoring ab dem Halbfinale organisiert sowie einen Ergebnisdienst und habe bei Facebook so gut es ging Fotos und Ergebnisse gepostet.
Bei der diesjährigen Generalversammlung während der WM meinten die anderen Mitglieder dann, sie müssten mich einstimmig zum Marketing Officer wählen. Ich habe die Wahl angenommen und werde nun eine neue Website erstellen und versuchen, das Marketing etwas zu professionalisieren. Ein paar ungewöhnliche Ideen habe ich schon, um Aufmerksamkeit auf uns zu lenken in Zukunft. Lasst Euch überraschen :-)“

Herzlichen Dank, Diana! Und Glückwunsch zu deinem neuen – wahrscheinlich unbezahlten – Job.

Semifinals Frauen-WM 2015

Fotos: © Diana Schuler/WLBSA

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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