Ash Carty mit beeindruckendem Debüt

Carty, Ashley
Ashley Carty © Monique Limbos

Ash Carty hat uns heute ordentlich durcheinandergeschaukelt. Bei seinem Debüt im Crucible hat er zwar 7–10 gegen Stuart Bingham, den Weltmeister von 2015, verloren. Aber bei den Fans wird er einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Guter Start am Auftakt-Tag

Gestern morgen ging es bs zur 3–2-Führung von Bingham ohne höhere Breaks hin und her. Im sechsten Frame hatte Carty eine Riesenchance, verschoss aber Schwarz vom Punkt und Bingham räumte mit einem 90er Break ab. Ein 3–3 hätte sich hier schöner gemacht als das 4–2. Doch Carty spielte danach ein souveränes Century (118) und kam wieder heran. Im achten Frame dann eine Situation, für die wir noch nach Worten suchen. Zur Auswahl stehen #careless, Anfängerfehler oder Lehrgeld zahlen, um die Situation zu beschreiben. Carty lag vorne, Bingham benötigte Snooker. Ohne Not ermöglichte er Bingham, den Frame noch auf Schwarz zu gewinnen. Das war ein Frame, an den er heute vielleicht auch nochmal gedacht hat.

Doch auch davon zeigte er sich unbeeindruckt und holte den letzten Frame der Session zum 5–4 aus Binghams Sicht mit einem 69er Break. Seine guten langen Bälle waren ein wichtiger Eckpfeiler dafür, hier mit einem guten Bingham mithalten zu können.

Eine emotionale Achterbahn, nicht nur für Ash Carty

Heute morgen war dann der Ash Carty von gestern nicht wiederzuerkennen. Zugegeben, Bingham brachte exzellentes Snooker an den Tisch. Im zweiten Frame des Tages machte er einen Maximum-Versuch, der aber bei 96 Punkten zu Ende war, Aber die Hauptgründe dafür, dass er jeden Frame vor der Pause gewann, waren Cartys unterirdische Lochquote von 50 % und einige richtig schlechte Safeties. Es lief gar nichts bei dem Youngster und nach Binghams Breaks von 109, 96, 57 und 58 stand es 9–4. Die Punktestatistik für die Minisession zeigte ein für Ash Carty desolates 383-24.

Es war wirklich nicht schön mitanzusehen, wie aus einer ausgeglichenen Partie am Vortag so ein Durchmarsch von Bingham wurde. Und die Frustration war auch Carty anzumerken.

 

Doch während wir uns vor den Bildschirmen wanden, unser Mitgefühl ins Netz schrieben und schon im Geiste das Mittagessen vorbereiteten, kam ein verwandelter Carty aus der Pause. Und Bingham trat den Beweis des Snookerklischées an, dass der letzte Frame der schwerste ist. Nach der souveränen Vorstellung von vor der Pause hätten nicht viele damit gerechnet, dass er noch ins Wackeln zu bringen wäre.

Ein Kommzurück mit Größe

Die Lochquote von Ash Carty stieg nach dem Interval auf 93%, während die von Stuart Bingham nervositätsbedingt sank. Als wäre es der erste Frame des Spiels, setzte Carty Bingham unter Druck, zwang ihn zu Fouls, spielte offensive Stöße, statt eine sichere Nummer zu spielen und belohnte sich mit einem tollen 83er Break zum 9–5. Im nächsten Frame legte er in wieder beeindruckender Manier 51 Punkte vor, hatte dann aber kein Glück mit der Stellung auf eine Farbe. Bingham hatte dann die Chance, den Tisch framegewinnend abzuräumen. Alle bereiteten sich schon auf das Ende des Spiels vor, als er überraschenderweise Grün vom Spot verschoss und Carty den Frame gewann.

Im 16. Frame verschoss Bingham eine lange Rote und ließ Carty in die Bälle. Der machte eine gute 56, bis er Rot verschoss. Symptomatisch für diese Phase war, dass Bingham hier Schwarz an einer vor der Tasche liegenden Roten vorbeispielen wollte, die Kugel aber am Taschenrand liegenblieb. Danach folgten Fehler und ein verschossener Freeball und Carty holte auch diesem Frame.

Doch am Ende war es ein Fehler von Carty, nachdem er im letzten Frame zuerst in die Bälle gekommen war, die Bingham die Tür zum frame- und matchgewinnenden Break von 82 öffnete.

Ash Carty bleibt auf der Tour

Es ist schön zu sehen, wie sehr sich Ash Carty entwickelt hat. Von der ersten Begegnung 2015 im Tempodrom über Runner-Up bei der englischen U-21 Meisterschaft und seine erste Main Tour Karte 2018 bis zum Debüt in den heiligen Hallen des Snooker. Der damals so schüchterne junge Mann hat hier einen ziemlichen Arsch in der Hose bewiesen und wir freuen uns, in Zukunft noch mehr von ihm zu sehen. Glücklicherweise hat seine Teilnahme an der Endrunde ihm ja weitere zwei Jahre auf der Main Tour garantiert. Und wenn er allen Spitzenspielern in Zukunft so Paroli bietet wie heute Bingham, dann wird das eine Freude werden.

Williams mit Durchmarsch

In einer für Alan McManus (und seine Fans) enttäuschenden Abendsession gewann sein Gegner Mark Williams alle Frames. Nach zwischenzeitlichem Rückstand von 4–5 stand es am Ende 10–5. Er hatte sich zum Auftritt am Vortag deutlich gesteigert und bei McManus lief überhaupt nichts. Weder Lochspiel noch Safeties waren auch nur annähernd auf dem Niveau der ersten Session. Williams trifft in Runde zwei auf Stuart Bingham.

Ding mit Decider

Mark King brachte die Nr. 11 der Welt ordentlich ins Schwitzen. Er hatte während des ganzen Spiels immer wieder ausgeglichen und so war es folgerichtig, dass er nach einem 7–9-Rückstand noch den Entscheidungsframe erkämpfte. Doch den entschied Ding für sich. Er trifft in der nächsten Runde auf den Sieger der Partie Un-Nooh gegen O’Sullivan.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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