Viertelfinale: Bye, Ronnie und die Kreidedebatte

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© Monique Limbos

Man könnte Ronnie O’Sullivans Matches bei dieser WM auch mit der Frage „Was und wieviel kann er sich eigentlich erlauben, ohne sich dafür Ärger einzufangen?“ zusammenfassen. Und die Antwort darauf lautet offenbar: Eine ganze Menge, mit Ausnahme anstößiger Gesten. Ist das nun unfassbar ungerecht, wahnsinnig unterhaltsam, oder irgendwas dazwischen? Schwierig zu sagen, offen gestanden. Allerdings kann die „Chalkgate“-Diskussion (ein Meisterstück der Revolverblatt-Begriffe: Ronnie O’Sullivan hat seine Kreide auf den Spot von Pink gelegt, um zu sehen, wie viel er nach dem erneuten Aufsetzen von Pink von der nächsten Möglichen Roten sehen/anspielen können würde) im Grunde genommen sehr kurz abgehandelt werden: ALLE Beteiligten haben gepennt, die korrekte Entscheidung wäre ein Foul-7 zu Lasten Ronnie O’Sullivans gewesen. Fertig. Wer hier nun warum gepennt hat, ist eigentlich egal, und wessen „Schuld“ das nicht gegebene Foul war, auch. Kein Schiedsrichter wird wegen eines Fehlers, der jedem Menschen passieren kann, gefeuert oder gar geteert und gefedert. Sowas passiert eben. Und wird auch nachträglich nicht mehr geändert oder zurückgenommen, denn des Schiedsrichters Urteil und Wort gelten. Punkt. Und wie gut die Spieler das gesamte Regelwerk kennen, sei mal dahingestellt. Ist auch nicht ihr Job, dafür gibt es schließlich die Schiedsrichter. Jedenfalls ist es Energie- und Zeitverschwendung, darüber zu debattieren, ob O’Sullivan hätte wissen müssen, dass er da ein Foul-7 begeht, oder ob Bingham es hätte wissen und sich beschweren müssen. Es gab keinen Einspruch, der Schiedsrichter hat es nicht geahndet, und das war auch schon die ganze Debatte. Schiri-Fehler, kommt vor. Und für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen, zitiere ich noch fix die Regel, Kapitel 10 („Strafen“), Unterpunkt (s) „Strafen von sieben Punkten“, Unterunterpunkt (ii): „Irgendein Objekt wird zum Abstands- oder Entfernungsmessen genommen“ – ist damit jetzt auch BITTE die Diskussion erledigt?

Was gab’s sonst noch? Insgesamt auf jeden Fall ein spannendes Spiel ohne langweilige Einseitigkeit. Gerade in der letzten Session war bei O’Sullivan allerdings gehörig der Wurm drin, nachdem er in den ersten beiden Sessions auch schon eher instabil und für seine Verhältnisse nicht besonders gespielt hat. Einige Frames lang konnte er seinen Rückstand aufholen, doch dann schien auf einmal gar nichts mehr zu klappen. Bälle, die hätten fallen müssen, klapperten, blieben auf dem Tisch und lieferten Bingham Einsteiger, die dieser immer wieder umsetzte. Stuart Bingham war wie erwartet ein knallharter Gegner, den zu unterschätzen weit verfehlt gewesen wäre. O’Sullivan hat ihm dennoch zu viele Chancen liegengelassen, zu viele Möglichkeiten nicht wahrgenommen und wurde bitter dafür bestraft. Binghams Spiel war konstant und so lange solide, wie er brauchte, um seine Frames sicher zu machen. Für spektakuläre Breaks hat es zwar nicht gereicht, aber sowas ist nebensächlich, wenn die Gewinnquote stimmt. Bingham hat seinen Einzug ins Halbfinale mehr als verdient gewonnen und ich freue mich jetzt schon darauf.

AutorIn: Filia Rheni

Wahl-Rheintochter nach selbstgewähltem norwegischem Exil. Kampfsportlerin, C-Kader Snooker-Schiri und anglophile Hobbyschauspielerin. Rede viel, schnell und LAUT. Und häufig auch Unsinn. Laufe herum wie ein Grufti, weigere mich aber hartnäckig, mich in irgendwelche Schubladen stecken zu lassen. Liebe gute Anzüge, egal, wer drinsteckt.

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2 Gedanken zu „Viertelfinale: Bye, Ronnie und die Kreidedebatte

  1. Daniel

    Es ist sicherlich kein Muss, jedes Detail und jede Änderung des Regelbuchs zu kennen. Dass man aber keine Hilfsmittel einsetzen darf, das dürfte den meisten Zuschauern und jedem Profi klar sein. Mir fällt es schwer zu glauben, dass O’Sullivan hier eine Ausnahme bildet.

    Mit seinen weiteren Aktionen, wie „der Geste“ und dem Spiel in Socken, hat die Rakete bei mir dieses Jahr (im Gegensatz zu den vorherigen Saisons) Sympathiepunkte verloren. Dass so ein strenger Dresscode, wie wir ihn beim Snookersport kennen, kein Spiel in Socken ohne Schuhe erlaubt, dürfte keine Überraschung sein. Dass O’Sullivan sich dem (ohne Absprache mit dem Schiri) widersetzt kann ich nur als Zeichen der Arroganz deuten.

  2. Filia Rheni Artikelautor

    Da die Regel nicht „die Neue“ ist, wie es bei den Schiedsrichtern so schön heißt (es gab schon länger 6 Regeln, die ein Foul-7 betrafen, „die Neue“ ist Regel Nummer 7 in der Gruppe, die aber als Penalty, nicht als Foul gegeben wird – das nur ganz schnell), kann ich mir auch nicht denken, daß sie Spielern und Schiedsrichter unbekannt gewesen sein soll. Als Mensch kann man immer mal was vergessen, und da Bingham sich nicht beschwert hat und Terry Camillieri nichts gesagt hat, ist die ganze „wer hat was gewußt“-Diskussion müßig.

    Arroganz? Ich weiß nicht. Schlechte Laune, ja, eine gewisse „mir doch egal“-Haltung vielleicht auch noch, aber Arroganz würde ich das noch nicht nennen. Unangemessen auf jeden Fall! Daß das „nur“ eine einmalige Ermahnung gegeben hat, hat mich auch sehr gewundert.

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