Nach drei Monaten setzt sich auch bei uns so langsam das Gefühl durch, dass die Snookersaison 2023/24 richtig anläuft. Auf unserem Blog war es in letzter Zeit etwas ruhig. Höchste Zeit also, mal auf das zu schauen, in den letzten Wochen los war.
Es gab das European Masters, einige Qualifikationen, mit dem Shanghai Masters ein Einladungsturnier und einige andere – eher unerfreuliche – Snookernews.
Barry Hawkins gewinnt das European Masters in Nürnberg
Für Barry Hawkins war es Ende August mal wieder eine recht typische Woche. Durch ein paar Matches durchgekämpft, aber auch ein paar richtig starke Spiele abgeliefert. Doch vor seinem Halbfinalspiel gegen Mark Selby war er nur bei wenigen so richtig im Gespräch. Das änderte sich aber schlagartig nach einem erneut starken Auftritt im Halbfinale.
I wish everyone in snooker would stop talking about Barry Hawkins for five minutes. Honestly, it’s Barry this Barry that. Think of some other players to focus on. They need the limelight too.
— Nick Metcalfe (@Nick_Metcalfe) August 26, 2023
Wie schon im Jahr zuvor zog Barry Hawkins ins Finale des European Masters ein. Dort traf er auf Judd Trump, der ebenfalls eine starke Woche in Nürnberg hatte. Dieser hatte vor allem mit seinen Comeback-Qualitäten gegen Chris Wakelin und John Higgins geglänzt und wurde von vielen als Favorit gehandelt. Hawkins konnte jedoch seinen Lauf an Finalpleiten beenden und spielte ein souveränes Finale, das er mit 9–6 für sich entschied. Glückwunsch Barry Hawkins, zum ersten Weltranglistentitel seit 2017!
Nicht nur Tourneulinge und Youngsters überzeugen in der Qualifikation
Nach dem European Masters standen sofort die nächsten Qualifikationen an. Für die Wuhan Open qualifizierten sich überraschend He Guoqiang mit 5–4 gegen Kyren Wilson, Aaron Hill mit 5–0 gegen Joe Perry. Auch mit Ishpreet Singh Chadhas 5–4 gegen Anthony McGill und Ben Mertens 5–2 gegen Shaun Murphy haben nicht viele gerechnet.
Bei der Qualifikation für die English Open überraschte David Lilley mit einem 4–1 gegen Thepchaiya Un-Nooh. Mark Davis revanchierte sich gegen Joe Perry für das Drama bei der Weltmeisterschaft. Und Lukas Kleckers überstand erfolgreich den Entscheidungsframe gegen Mark Joyce. Jenson Kendrick, die Nr. 113 der Weltrangliste, setzte sich gegen Stuart Bingham durch. 18 Qualifikationsspiele werden hier Anfang Oktober als Held-Over direkt vor dem Hauptturnier gespielt. Noch steht Ronnie O’Sullivan im Spielplan, aber mit seinen diversen Absagen (für das European Masters, die British Open) rechnen wir nicht mit seinem Antreten.
Die Qualifikation zu den International Championship im chinesischen Tianjin im November verlief weitgehend überraschungsfrei. Angemerkt sei aber das Maximum-Break von Ryan Day, sein zweites in diesem Jahr.
Nach dem Snooker ist vor dem Snooker
Nach der Wuhan-Quali ging es für einen Teil der Tour nach China zum Shanghai Masters. Dort spielten die Top 16, die beiden besten chinesischen Spieler, Ding Junhui und Zhou Yuelong, sowie vier chinesische Wildcards um den Titel. Besonders freuten wir uns, die Vizeweltmeristerin der Frauentour Bai Yulu zu sehen.
Am Ende des Turniers streckte Ronnie O’Sullivan die Trophäe in die Höhe. Er entschied das Finale gegen Weltmeister Luca Brecel mit 11–9 für sich. Damit holte er zum fünften Mal und zum vierten Mal in Folge den Titel in Shanghai.
Kollektives Tour-Reisechaos
Kaum verlassen die Brit*innen für das European Masters mal ihre Insel und besuchen uns in Deutschland, bricht das Chaos aus. Wer nach dem Finalsieg Barry Hawkins‘ Instagram verfolgte, bemerkte, dass dieser nicht direkt in große Feierlaune ausbrechen konnte. Stattdessen lungerte Hawkins stundenlang am Frankfurter Flughafen rum, um dann doch nicht nach Hause fliegen zu können. Am Ende ging es über einen kleinen Umweg über Belgien, Calais und durch den Eurotunnel zurück. Die gesamte Reisgeschichte gibt es zum Nachlesen nochmal auf der Homepage der WST.
Wobei ich mir vorstellen kann, dass sich mit einem frischen Titelgewinn solche Reisestrapazen doch ganz entspannt ertragen lassen. Auch andere, wie Judd Trump oder Kyren Wilson, hatten Probleme bei der Rückreise. Und nach einer Niederlage ist das bestimmt doppelt ärgerlich. Und manchmal klappt es mit den Flügen, aber dafür nicht mit dem Gepäck. Luca Brecel ging bei eine Rückflug aus den USA sein Weltmeister-Queue verloren. Inzwischen hat er es glücklicherweise wieder, aber in Nürnberg konnte er noch nicht damit spielen.
Am Wochenende des Finals in Nürnberg gab es noch eine weitere Snooker-Reisegeschichte auf Instagram. Amateur-Spieler Daniel Holoyda und Iulian Boiko machten sich von Polen aus auf den Weg zum Q Tour Turnier nach Nordengland. Und zwar mit dem Auto durch Polen, Deutschland, nach Calais und über die Fähre nach England. Das war eine ziemlich lange und strapaziöse Anreise dafür, dass Holoyda sein erstes Match mit 2–3 gegen Oliver Sykes verlor.
Andres Petrov über Pendel-Probleme
Die in Europa lebenden Spieler*innen haben regelmäßig mit Reisen auf die Insel zu kämpfen. So berichtet auch Andres Petrov auf Twitter meist sehr meinungsstark über seine Probleme als Pendler, zum Beispiel über sein oft verspätet eintreffendes Queue. Als er zwischen seinen beiden Qualifikationsspielen nicht vor Ort trainieren durfte, platzte ihm die Hutschnur:
Well I disagree with some things about tour but patiently keep silent but this one is too much imo: by rules, I shouldn’t practice on practice tables if I’m out of the tournament.
Ok, I asked to put my both qualifying matches back-to-back days (5-6th September) so that I don’t…— Andres Petrov (@SnookerForce) September 4, 2023
Im Dialog mit Marcel Eckart und Paul Collier stellte heraus, dass es sich bei der Situation mit den Trainingstischen eher um ein Missverständnis handelte. Aber Petrovs Tweet zeigt durchaus auf, welche zusätzliche Probleme für Spielende entstehen, die nicht in England leben. Auch von britischen Profis las man leichten Ärger darüber, wie kurzfristig der Spielplan für diese Qualifikation bekannt gegeben wurde. Wenn man mit den Flieger anreisen und noch Tickets und Hotels buchen muss, ist das aber natürlich nochmal ärgerlicher.
Louis Heathcote zum Beispiel hat nach Leicester keine Anreisekosten. Ich habe auch Verständnis dafür, wenn er sich ärgert, welchen großen Anteil seines bei der Quali erspielten Preisgelds er dafür verwenden muss, um zur nächsten Runde nach Deutschland anzureisen. Aber im Kontrast dazu steht dann der deutsche Profi, der zur Quali nach Leicester reisen muss, um sich dort nicht für sein Heimturnier zu qualifizieren, und der kein Geld dabei verdient.
Alle gleich zu behandeln heißt nicht notwendigerweise, dass alle die gleichen Chancen haben. Ich würde mir wünschen, dass die WST Stimmen wie Petrov mehr Gehör schenkt. Er schlägt vor, die Matchzeiten anzupassen. Darüber könnte man doch nachdenken. Die asiatischen Spieler*innen spielen ja sicherlich auch nicht zufällig gehäuft am Vormittag. Wenn man Matches eh gezielt zeitlich legt, warum dann nicht auch diese?
Nachrücken auf die letzte Minute?
Zu dieser Problematik passt auch ein Beitrag, den Iulian Boiko am Freitag auf seinem Facebook-Account teilte:
Bei der Qualifikation zu den British Open musste Iulian Boiko ein kurzfristiges Angebot ausschlagen, für Asjad Iqbal einzuspringen. Er wurde erst wenige Stunden vor dem Spiel angerufen und hatte daher keine Chance mehr, rechtzeitig von Polen nach England anzureisen. Als Ronnie O’Sullivan vor ein paar Tagen für die Hauptrunde absagte, wurde Iulian nicht erneut gefragt, ob er einspringt, da er ja bereits abgesagt hatte. Das betraf nicht nur ihn, sondern auch ein paar britische Spieler, die ebenfalls nicht rechtzeitig zur Qualifikation anreisen konnten. Aber auch hier gilt: Alle Qualifikationen werden in Großbritannien gespielt. Bei kurzfristigen Absagen sind Spieler*innen, die nicht in Großbritannien wohnen, immer benachteiligt.
Auch die Profi-Frauen kämpfen mit diesen Herausforderungen. Baipat Siripaporn stand vorgestern noch für die International Championship in Sheffield am Tisch und spielt heute den ganzen Tag bei den UK Women’s Championship in Leeds.