Wir wollten es eigentlich ignorieren. Doch ich konnte leider nicht. In Jeddah läuft zur Zeit das Saudi Arabia Masters, seines Zeichens das „Furz Major“-Turnier. Aus Sportswashing-Gründen ins Land geholt, einen großen Kübel Geld ausgeschüttet und doch krepierte es nun schon zum wiederholten Mal im Rohr.
Kein Publikum, über Strecken kein funktionierendes Livescoring, Session abgebrochen und verlegt (wegen technischer Probleme) … wer immer noch versucht, uns das als Fourth Major Tournament zu verkaufen, hat den Schuss nicht gehört. Aber von all dem, was wir problematisch finden, haben wir hier und hier schon gesprochen. Und die Kolleginnen von Total Clearance haben es aktuell auch wieder zusammengefasst. Ja, es ist immer noch problematisch und jede Aufmerksamkeit trägt zur Normalisierung von Sportswashing bei. Die Menschenrechte werden immer noch mit Füßen getreten und die angebliche Öffnung des Landes ist lediglich Augenwischerei oder ein Theater, das für Touris abgezogen wird.
Und doch …
Saudi Arabien: Kein Interesse an viel Abwechslung am Tisch
Auch bei der letzten Ausgabe, die ich natürlich nur heimlich geguckt habe, ließ das Sportliche nicht zu wünschen übrig. Und auch dieses Mal gibt es viel Unterhaltsames am Tisch zu sehen.
Ich muss zugeben, dass ich den Modus des Turniers genieße. Häppchenweise kommen in jeder Runde neue Aktive hinzu und es gibt nicht viele 4–0-Klatschen wie sonst in den ersten Runden. Interessante Paarungen, Überraschungssiege, Kommzurücks und nervenaufreibende Entscheidungsframes – alles, was ich gerade brauche. Außerdem spielt Steven Hallworth. Und das ganz erfolgreich! Aber dazu später.
Zuerst muss ich einen Eimer Tränen vergießen, dass Mark Davis gleich in seiner ersten Runde (Runde zwei) einen Whitewash gegen Sam Craigie kassierte. (Wer sprach da gerade von den fehlenden 0–4-Klatschen?) Keine Ahnung, was da los war. Ich habe eigentlich nur Sam am Tisch gesehen und kann deshalb nicht einmal sagen, was Mark Davis falsch gemacht hat. Vielleicht einfach keine Bälle gelocht? Sams Breaks von 93, 104, 122 haben ihm einfach nicht viele Chancen gelassen.
Jungspower aus dem Jugendlager
Die Teenies legten hier in Saudi-Arabien ordentlich los. Artemijs Žižins kämpft nach Siege über Ken Doherty zur Zeit gegen David Gilbert. Dort steht es 3-2 für Gilbert. Michał Szubarczyk schlug Ryan Davies und Révész Bulcsú, bevor er an Stuart Bingham scheiterte.
Und Stan Moody hat erst Liam Highfield und dann Ryan Day rausgekegelt. Sein nächster Gegner ist morgen Yuan Sijun.
Frauenpower aus dem Altenheim
Während die schon totgesagte Reanne Evans den Saisonstart ihres Lebens hinlegt (jedes Qualimatch gewonnen, hier in Saudi-Arabien mit Siegen über Kreishh Gurbaxani und Liam Davies in Runde drei eingezogen, wo gegen Lisowski Schluss war), haben Ng On Yee und Mink Nutcharut eher lasch geliefert.
Mink legte gegen Umut Dikme wirklich ein komplett vergurktes Spiel hin. Nicht drei Bälle bekam sie hintereinander gelocht und auch wenn Umut hier kein Überfliegersnooker spielte, reichte es für einen 4–1-Sieg.
Ng On Yee hatte sich gegen Hatem Yassen immerhin ein 3–4 erarbeitet, überzeugte aber auch nicht.
Steven Hallworth mit Eiern aus Stahl
Ich hatte mir ja vorgenommen, mich emotional nicht mehr so reinziehen zu lassen. Und während ich das schlechte Abschneiden mancher ehemaligen Favorit*innen auch wirklich recht gelassen nehme, gelingt es mir bei Steven nicht. Er ist mir zu sehr ans Herz gewachsen und ich weiß zu gut, was es ihm bedeutet, die Rangliste hochzuklettern und seinen Tourplatz zu sichern.
Seine Auftritte in den Qualis zu den British und Wuhan Open sowie bei der Championship League verliefen komplett sieglos. Was mich nicht gerade optimistisch stimmte. Das erste Spiel gegen den saudi-arabischen Amateur Omar Alajlani war vom Ergebnis her zwar makellos, aber Stevens Spiel war es nicht. Die Fehler abzustellen hatte er sich für die nächste Partie gegen Michael Holt groß auf die Fahnen geschrieben.
Am Anfang sah es leider gar nicht danach aus. Steven kam überhaupt nicht ins Spiel und Michael lag fix 2–0 vorne. Danach drehte sich das Ganze, die Fehler schlichen sich auf der anderen Seite ein und Steven erarbeitete sich eine Führung zum 3–2. Doch zum Aufatmen kam ich leider nicht. Michael glich wieder aus. Der Decider war dann Hochspannung pur! Das Einzige, was mich vom totalen Herzkasper rettete, war meine langjährige Erfahrung mit Michael Holt: Wenn es jemand auf den letzten Metern vergeigen konnte, dann er.
Entschieden auf die letzte Schwarze
Doch letztlich musste Steven natürlich selber die letzten Bälle bis zur entscheidenden Schwarzen versenken. Das Kommzurück und seine Haltung im Decider waren schon absolute Spitzenklasse im Nervenbehalten.
Sein Spiel gegen Jimmy Robertson folgte einem ähnlichen Drehbuch. 0–2-Rückstand, dann schönes Century. Doch Jimmy verhinderte zu dem Zeitpunkt noch den Ausgleich. Oder Steven schenkte ihn her, indem er seinen Punktevorsprung beim Spiel auf die Farben noch verdaddelte. Wie auch immer: Steven schloss mit erneutem Century und einem erkämpften Frame zum 3–3 auf und wieder bekamen wir einen Entscheidungsframe mit allen Schikanen.
Dieser Decider folgte dann der berühmten Snooker-Weisheit „Alles, was du in einem Decider willst, sind mindestens fünf Chancen und einen unverschämten Fluke.“ Steven bekam das alles und kam doch nicht an Jimmys Vorsprung heran. Es sah schon alles verloren aus. Und ich habe keine Ahnung mehr, wieso er dann doch noch an den Tisch kam. Jedenfalls räumte er den Tisch ab und steht mal wieder auf den allerletzten Drücker in der nächsten Runde. Dort bekommt er es mit dem Sieger aus der Partie Zhou Yuelong gegen Duane Jones zu tun.
Und für Kollegin Målin gab es auch bei Oliver Lines gegen Matt Selt einen Drama-Decider mit dem Sieg auf der richtigen Seite. Auch wenn sie ihn nicht gesehen hat, sie kann’s ja hier nachgucken.
Auch Un-Nooh versenkt die letzte Schwarze
Zwar ging es bei Un-Nooh gegen Jordan Brown nicht um einen Entscheidungsframe. Aber dass Thepchaiya die letzte Schwarze auf dem Weg zum Maximum-Break versenkt, passiert ja auch nicht alle Tage. Deshalb dürft ihr euch das schöne vollendete Break hier angucken. Beachtet den frenetischen Applaus am Ende!
Er gewann die Partie außerdem mit 4–1, was nicht allen vergönnt ist, die ein perfektes Break spielen. Mindestens £50.000 bekommt er übrigens dafür.
Målin ergänzt: Chang gegen Wells, das Match des Turniers
Wenn man ein Turnier nicht privat, aber öffentlich boykottiert, muss man manchmal einige richtige Perlen verschweigen. Daher nutze ich Lulas Artikel mal, um über mein Match-Highlight des heutigen Tages zu berichten: Chang Bingyu gegen Daniel Wells.
Ich habe nur eingeschaltet, um nebenbei reinzuschauen, wenn’s bei Iulian Boiko nicht so läuft wie gewünscht. Ich hatte Chang Bingyu bei WSTs „Fantasy Five“ Wettbewerb ausgesucht und wollte mal im Auge behalten, was er so macht. Er war dabei sich in recht souveräner Manier zum Whitewash durchzuarbeiten, konnte das Match dann aber nicht ganz sicher machen. Daniel Wells lag 0–3 und 0–64 hinten und holte von irgendwo aus dem Nirgendwo eine bärenstarke 73er Clearance her. War doch noch ein Kommzurück möglich?
Und das schien es. Im Anschluss gewann Wells einen sehr zerfahrenen Frame, in dem die beiden Roten sowie Farben schnell Richtung Bande murmelten. Danach ging’s dank eines 131er Centuries im Eilschritt Richtung Decider. Und Wells nutzte sein Momentum, nach Fehler von Chang ging er im Decider schnell mit 63–0 in Führung, musste dann jedoch mit einer Safety aussteigen. Die Bälle lagen auch nicht gut für ein Kommzurück. Doch plötzlich: Fehler Wells und fast alle Bälle lagen wieder gut lochbar und ein leichter Einsteiger für Chang ebenso. Chang verpasste die Clearance, da er Braun verschoss, aber Wells tat es ihm gleich. Nach ein paar alles andere als trivialen Bällen hatte Chang den Decider am Ende noch auf Schwarz gedreht. Kein Wunder, dass er da erstmal richtig jubeln musste. Ein enges Match auf gutem Niveau mit abwechslungsreichen Frames und der vollen Portion Drama. Für mich das Match des Turniers bisher.
Alle Partien im Überblick stehen auf unserer Turnierseite. Gucken könnt ihr wie immer bei Eurosport/Discovery+ oder mit Trick 17.
Ja, man könnte es ignorieren aus der Ferne, finde ich aber nicht gut.Das Turnier ist eine Bereicherung fü den Sport und ist gut für die Spieler.Da kann man schon in der ersten Runde ‚etwas Geld verdienen und reist im Falle einer Niederlage nicht umsonst an.Und für die WSF ist es auch gut, spült Geld in die
Kasse ,er Snook mit rniere dem man den Sport und Spieler besser unterstützen kann. Und ich finde es auch gut, dass so der Sport hinsichtlich der Austragungsorte wieder internationaler wird. Die vielen jungen chinesischen Spieler sind eine echte Bereicherung. Ob das hinsichtlich Saudi-Arabien kurzfristig Effekte hat, darf vorerst bezweifelt werden. Aber dort ist nunmal sehr viel Geld unterwegs also immer her damit. Da finde ich die Einladungsturniere, die die Eliten bevorzugen, problematischer.
Klasse Option mit dem Trick 17 ;-)