Reanne Evans angepisst von abwertenden Kommentaren

Frauen müssen nicht mehr draußen bleiben. Daneben Piktogramm von Person mit Rock und Queue
So schnell kann's gehen: Eine mutige Entscheidung und schon geht die Tür auf.

Gestern haben wir die Tourkarten für die Frauen gefeiert. Heute spricht Reanne Evans darüber, wie sie die Reaktionen aufgenommen hat – auch die unschönen. Nachdem ich mich gestern auf Twitter vor der Diskussion erfolgreich gedrückt habe, werde ich mich heute nicht wieder zurückhalten. Dafür brennt mir das Thema einfach zu sehr unter den Nägeln.

Male Tears – überflüssige Männertränen

Es ist eine ganz bekannte (will nicht sagen: normale) Reaktion, dass, wenn etwas für die Gleichstellung von Frauen getan wird, irgendwelche Dudes auf die Barrikaden steigen und sich lautstark darüber aufregen. Das ist ja auch verständlich, denn es fühlt sich sicher nicht schön an. Das, was sie meinten, für sich alleine beanspruchen zu können, plötzlich teilen zu müssen. (In diesem Fall: 126 Karten für Männer, 2 für Frauen. Der Schock sitzt bestimmt tief.)

Und dann kommt schnell das Argument, sie hätten es gar nicht verdient. Denn jede Maßnahme, die Frauen nützt, würde automatisch schlechter qualifizierte Personen (sprich: Frauen) bevorzugen. Es liegt im Prinzip der nicht verstandenen Privilegien, dass Männer automatisch davon ausgehen, sie seien fähiger. Wenn sie das ernsthaft infrage stellen würden, wäre ihnen ja sonnenklar, dass sie ziemlich unverdient sämtliche Räume besetzen, die eigentlich allen Menschen zustehen.

Die Frauen qualifizieren sich ‚ordentlich‘

Und so sehen die Kritiker (absichtlich nur männlich gegendert) dann auch geflissentlich darüber hinweg, dass es zahlreiche ‚unfähige‘ Spieler (absichtlich nur männlich gegendert) oder gar nicht erst auftauchende Spieler auf der Tour gibt, die lediglich wegen irgendwann beschlossener Qualifikationskriterien (zum Beispiel: Afrika-Champion, Ozeanien-Champion) dort sind. Dass es sich dabei nicht automatisch um Qualitätskriterien handelt, habe wir wohl oft genug gesehen. Warum wird also eine Reanne Evans gebasht dafür, dass sie bei ihrem einjährigen Kurztrip auf die Tour vor zehn Jahren kein Spiel gewonnen hat und ihr das Recht auf eine erneute Chance abgestritten? Doch nicht etwa, weil sie eine Frau ist?

In meinem Artikel von 2015 sinnierte ich folgendermaßen über Barry Hearns Weigerung, den Top-Frauen den Zugang zur Tour zu ebnen: „Vor allem geht es hier nicht um eine gönnerhafte Gabe, sondern es geht um eine klare Regelung. Wenn der U-21 Weltmeister eine Tourkarte bekommt, warum dann nicht auch die Titelträgerin der Frauen-WM und die U-21 Weltmeisterin? Damit diese in dem Jungs-Club nicht so einsam ist, sollten vielleicht die Teilnehmerinnen des Halbfinales automatisch auch eine Zwei-Jahres-Tourkarte bekommen.“

Ok, so weit sind sie dann doch nicht gegangen. Aber trotzdem macht es mich sehr glücklich, dass meine Vision von vor sechs Jahren keine 100 Jahre brauchte, um Wirklichkeit zu werden. Reanne Evens brachte im Interview einen ähnlichen Gedanken: “They’ve given an opportunity to the Oceania winner, and he hasn’t taken it up, it’s a wasted space.“

Gleichstellung braucht Entscheidungen

2014 schrieb ich an dieser Stelle „Auch wenn Jason Ferguson, Vorsitzender der World Professional Billiards and Snooker Association WPBSA, behauptet, es gäbe „überhaupt keine Beschränkungen für Frauen“, sieht die Realität anders aus.“ Im Jahr 2021 hat sich seine Ansicht dazu auffällig geändert: „Die Botschaft ist klar. Ich denke, Frauen haben seit Jahren einen deutlichen Nachteil in diesem Sport. Nicht, weil sie nicht spielen durften. Aber das Umfeld ist hauptsächlich männlich und viele der Clubs sind keine Orte, wo sie gerne hingehen wollen. Diesen Nachteil haben wir in die Entscheidung einbezogen. Es gibt erheblich weniger Frauen, die Snooker spielen als Männer und das muss sich ändern.“

Die Idee dahinter ist, durch die Sichtbarkeit von Frauen im Snooker mehr junge Frauen und Mädchen anzuregen, auch das Queue in die Hand zu nehmen. Wenn dann die Zahl der aktiven Frauen steigt, ist auch die Chance auf mehr starke Spielerinnen größer. Das Ziel liegt also noch in weiter Ferne, aber trotzdem ist es natürlich wichtig, heute schon etwas für die Zukunft zu tun.

Gleichstellung braucht (auch) männliche Verbündete

Es ist wichtig, dass Menschen in Entscheidungspositionen sich bewusst werden, was systematische Diskriminierung bedeutet. Und dann, wie hier Jason Ferguson, ihre Handlungen darauf abzielen, diese Benachteiligungen abzubauen. Als 2017 der Verband des Frauensnooker unter das Dach der WPBSA genommen wurde, war das der Startschuss zu vielen Verbesserungen.

Die konsequente Entwicklung der Women’s Tour über die letzten Jahre war eine gute und nötige Vorbereitung auf die kürzliche Entscheidung. Es ist nötig, dass Menschen (hier meist Männer) an den entscheidenden Stellen die Position der Benachteiligten nachdrücklich vertreten. Ich bedanke mich von ganzem Herzen bei den Verantwortlichen und den Menschen im Hintergrund, die diese Sache vorantreiben. Wie Mandy Fisher und Jason Ferguson, aber auch Matt Huart und Diana Schuler.

Hoffentlich werden Reanne Evans und Ng On Yee es ihnen zeigen

Doch zurück zu denen, die Evans gestern die Freude vergällt haben. Offensichtlich kamen harsche Kommentare auch von Kollegen. Sie sagte dazu im Interview: „I don’t want to say prove a point, because we shouldn’t have to, but of course we want to do that. Especially if it’s against someone who has not given you the best review, if you know what I mean.“

Reanne Evans wird vielleicht demnächst am Tisch dem ein oder anderen Neider (absichtlich nur männlich gegendert) begegnen und ihn hoffentlich besiegen. Wir freuen uns schon sehr auf das Freudentänzchen, dass sie dann machen wird.

Irgendjemand sagte übrigens mal sehr schlau: „Gleichstellung haben wir erst erreicht, wenn wir ganz selbstverständlich genauso viele unfähige Frauen an der Spitze haben wie Männer.“ In diesem Sinne können Reanne Evans und Ng On Yee die Latte ruhig ein bisschen tiefer hängen und die Sache ganz entspannt angehen.

Fairness aus der Sicht einer privilegierten Person.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

SnookerPRO folgen

Ein Gedanke zu „Reanne Evans angepisst von abwertenden Kommentaren

  1. Mr.Brian

    ich finde es Klasse, dass Frauen Teilnehmen können. Snooker dürfte wie einige Andere zu den Sportarten gehören, bei denen die manchmal durchaus berechtigten Argumente hinsichtlich der physischen Unterschiede zwischen Mann und Frau nicht zutreffen.

Kommentare sind geschlossen.