Zwei von drei Events der Q School sind abgeschlossen. Eine letzte Chance verbleibt. Derweil toben auf Social Media, kräftig befeuert von Joe Perry, mal wieder die Diskussionen, ob die Q School wirklich ein gutes Format ist. Unpopuläre Meinung: Ich denke sie ist besser als ihr Ruf und widme diesen Artikel ihrer Verteidigung.
Kein gutes Pflaster für junge Talente?
Letzte Woche konnten sich Rod Lawler (50), Fergal O’Brien (50), Andy Lee (41) und Bai Langning (20) im ersten Event der diesjährigen Q School qualifizieren. Ähnlich wie schon im letzten Jahr setzte sich also vor allem Erfahrung durch. Nicht nur hinsichtlich des Lebensalters: Alle acht Spieler der Abschlussrunde waren zuvor schon mal Profi gewesen. Wo sind die jungen Talente, die sich durchsetzen?
Where is the young blood coming through? Lawler, Lee and O’Brien. Congratulations to them but a bit disappointing to be honest.#qschool
— Where’s The Cue Ball Going? (@WhereCue) May 21, 2022
Im zweiten Q School Event lief es dann aber anders. Adam Duffy (33), Zak Surety (30), Aaron Hill (20) und Sanderson Lam (28) konnten sich qualifizieren. Der Altersdurchschnitt der acht Finalisten betrug 26 Jahre. Also, kein Grund zu meckern? Abermals sind alle Qualifikanten ehemalige Profis und nur einer der finalen Acht, Ben Mertens, spielte darum sich erstmalig für die Tour zu qualifizieren – unterlag allerdings Zak Surety. Joe Perry äußerte auf Twitter die Meinung, dass die Q School ein Vorteil für frisch von der Tour gefallene Profis sei und es mehr Chancen für Amateure geben müsse.
It’s great to see players getting back on through Q school because it’s so tough. But it just seems like the recently fallen pros have a huge advantage. Therefore I think more places should be achievable for AMATEURS through challenge tour.
— Joe Perry (@joegentlemanjoe) May 27, 2022
Was mich daran verwundert: Zwar sind alle bisherigen Qualifikanten ehemaligen Profis, aber nur drei von ihnen (O’Brien, Surety und Hill) sind nach der jüngst beendeten Saison von der Tour gefallen. Die Mehrheit kehrt also nach einer Zeit als Amateur auf die Tour zurück.
Großer Frühjahrsputz
Bei diesen Überlegungen darf man aber nicht vergessen, dass bei einer Tour mit 128 Spieler*innen nur die oberen 64 der Rangliste sicher sind. Die ganze untere Hälfte ist Abstiegszone. Rund die Hälfte derer unten in der Rangliste sind mit einer neuen 2-Jahres-Karte auf der Tour und daher sicher. Vier zusätzliche Plätze gibt es über das 1-Jahres-Kriterum, die übrigen rund 28 Dann-Nicht-Mehr-Profis werden vom großen Frühjahrsputz (etwas spät, im Mai) erfasst und vorläufig von der Tour gewischt.
Selbst wenn alle neuen Tourplätze über die Q School an Profis der abgelaufenen Saison gehen, verlieren dennoch 16 von ihnen sicher ihren Platz. Diese Plätze sind bereits jetzt nur für Amateur-Spieler*innen zu erreichen. Welche Qualifikationspfade das sind, ändert sich von Saison zu Saison und ist ungefähr so transparent wie ein Glas Sumpfwasser. Für die kommende Saison sind das (voraussichtlich, wir fischen im Trüben):
Kontinentale Champions:
- Europameisterschaft & U21-Europameisterschaft (Oliver Brown, Dylan Emery)
- Asien und Pazifik Meisterschaft (Ryan Thomerson)
- Panamerikanische Meisterschaft (Victor Sarkis)
- Afrikameisterschaft (steht noch aus)
Internationale Turniere:
- WSF Championship (Si Jiahui)
- WSF Junior Championship (Anton Kazakov)
- WWS Weltmeisterschaft der Frauen (Nutcharut Wongharuthai)
Amateur-Ligen:
- Q Tour (Sean O’Sullivan, Julien Leclercq)
- CBSA China Tour (Peng Yisong, ?)
- WWS Tour (Rebecca Kenna)
Q School Asia & Oceania
- (4 Karten; steht noch aus; steht streng genommen auch Profis offen, es nehmen aber nur Amateure teil.)
Darüber hinaus sind Jimmy White und Stephen Hendry als Nr. 129 und Nr. 130 der kommenden Saison erneut mit Einladungskarten aufgrund ihrer Lebensleistung erneut auf der Tour dabei. Unabhängig davon, wie weit ihre aktuelle Leistung von dieser entfernt ist.
Der Kreislauf des (Snooker-)Lebens
Stellen wir uns eine Fußball Bundesliga vor, in der jede Saison nur die besten zwölf Teams in der ersten Liga verbleiben. Drei steigen direkt ab, drei spielen ein Relegationsspiel. Und jetzt fordert jemand, dass es mehr direkte Abstiege und weniger Relegation geben solle. Das resultierende System wäre eine Farce. In der Folge gäbe es eine große Menge Fahrstuhl-Mannschaften, die in keiner Liga so richtig Zuhause sind.
Das ist aber das System im Snooker. Viele freie Tourkarten bedeutet schon viele Chancen für nachrückende Talente. Daran, dass es Spieler wie Bai Langning, Andy Lee oder Sanderson Lam nach relativ kurzer Pause wieder zurück auf die Tour geschafft haben, sieht man doch, dass die ehemaligen Profis die Amateurszene dominieren. Tourkarten von der Q School z.B. in die Q Tour zu verschieben, würde doch doch den gleichen Leuten eine Chance geben. Nur immer mit mindestens einer Saison Pause. Rauf auf die Tour, runter von der Tour, ein Jahr Pause – und dann geht es von vorne los. In diesem Kreislauf befinden sich doch bereits jetzt schon eine ganze Menge der Mal-Ja-Mal-Nicht-Profis.
Es ist schwer genug, sich auf der Tour zu etablieren. Im Vergleich zu anderen Sportarten steckt im Snooker nicht viel Geld. Nur wenigen gelingt eine wirklich große Karriere. Warum den Beruf Snookerprofi noch extra wenig lukrativ machen, indem man es noch weiter erschwert, den Profistatus durchgängig aufrecht halten zu können? Fast alle Nachwuchstalente fallen nach den ersten beiden Jahren erstmal von der Tour. Dieses Jahr betrifft das zum Beispiel Aaron Hill (der sich schon wieder qualifizieren konnte), Jamie Wilson (der schon endgültig ausgeschieden ist) sowie Iulian Boiko, Zhao Jianbo, Gao Yang und Sean Maddocks (die noch um die Qualifikation kämpfen). Auch ihnen würde man Steine in den Weg werfen, wenn es weniger Möglichkeiten zur direkten Requalifikation gäbe. Und das kann doch nicht das Ziel sein?
Wenn jemand wie Aaron Hill seine ersten beiden Tourjahre zum Lernen nutzen konnte und stark genug ist, sich gegen die starke Konkurrenz bei der Q School zu behaupten, dann sollte er nicht für ein Jahr zurück in den Amateurstatus wechseln müssen. Es ist schön mitanzusehen, wie er sich über diesen Erfolg freuen kann und wie stolz er ist, die bittere Niederlage im ersten Event zurückgesteckt zu haben:
Q School – das perfekte System?
Ist die aktuelle Q School also der Weisheit letzter Schuss? Wohl kaum. Es ist gut, dass es ein großes Qualifikationssystem gibt, auf das Amateurspieler*innen gezielt hintrainieren können. Der Modus selbst schien aber seit je her seltsam. Warum werden drei Events nacheinander gespielt? Warum tut man so als wäre es ein Turnier bei dem diejenigen qualifizieren, die das Halbfinale erreichen, statt vier unabhängige Knock-Out-Runden?
Wenn jemand eben kein Snookerprofi ist und sein Geld anderweitig verdient oder noch in der Ausbildung/ im Studium steckt, muss es erstmal organisiert werden, sich drei Wochen am Stück freizunehmen. Da haben diejenigen, die bis kurz zuvor noch auf der Tour dabei waren, vielleicht wirklich einen Vorteil.
Ich denke, das System der Q School lässt sich schon noch verbessern. Alle Teilnehmenden könnten (nach einem Setzsystem) auf genau eins von insgesamt zwölf Mini-Ausscheidungsturnieren zu gelost werden. Für alle Teilnehmenden würde sich der Zeitraum verkürzen, für den sie anreisen müssen. Nebenbei ließen sich die Distanzen verlängern und eine Gruppenphase für höhere Fairness einschieben und dabei würde sich das Event vermutlich dennoch immer noch so verschlanken, dass Kosten eingespart würden. Das erscheint mir so logisch, dass es völlig unverständlich ist, warum sie das nicht so machen. Vielleicht gibt es einen großen Knackpunkt, den ich jedoch einfach nicht sehe.
Teil 2: Junge Talente fördern
Im Großen und Ganzen erfüllt die Q School ihren Zweck. Wenn jede Saison viele ihren Platz auf der Tour verlieren, braucht es ein großes Relegationssystem. Wer von der Tour fällt, hat die Chance zur Wiederqualifikation, muss sich aber gegen andere abgestiegene Ex-Profis und aufstrebende Amateure durchsetzen.
Heißt das, die Chancen sind fair und es wird genug für den Nachwuchs getan? Und wenn die Q School nicht das Problem ist, wo kann man stattdessen ansetzen, wenn man es dem Nachwuchs erleichtern will, den Durchbruch zum Profi zu schaffen. Darauf will ich in einem zweiten Artikel eingehen.
In der Zwischenzeit läuft das dritte Event der Q School und für alle, Ex-Profis sowie den talentierten Snookernachwuchs, geht es um die letzte Chance in der kommenden Saison auf der Tour dabei zu sein. Die Ergebnisse findet ihr auf unserer Turnierseite.