Mit der Macht ein Turnier zu erfinden, würde ich …

Ein Snookertisch steht in einer Manege auf rotem Teppich. Ringsherum steigen kreisförmig die gefüllten Zuschauerränge an, die auf den Start des Turniers warten.
Viele vermissen Goffs. Hier fand z.B. der Irish Legends Cup 2016 statt. © Monique Limbos

Die Snooker-Community hat ein paar Wünsche geäußert, welche neuen Turniere sie gerne in Zukunft sehen würde: z.B. Nordic Masters, Snooker World Cup und Best of the Rest. Målin fasst die Vorschläge zusammen und ergänzt drei eigene neue Turnier-Ideen.

Auf einen verspäteten Zug zu warten, verlangt einem Geduld ab. Letzte Woche überbrückte ich die Wartezeit damit, die Snookercommunity auf Twitter nach Ideen für neue Snookerturniere zu fragen. Die Regeln dafür: Jeder kann genau ein Turnier erschaffen und hat dafür die nötige Macht und Mittel. Wo soll dieses Turnier stattfinden? Wer nimmt teil? Was sind die Matchdistanzen, welches Format wird gespielt? Ihr konntet alles nach eigenen Vorstellungen ausgestalten. Nach einem Nickerchen im Zug öffnete ich mein Twitter und sah ganz ungewöhnliche Zahlen bei den Notifications. Ihr haltet ganz viele tolle und unterschiedliche Ideen, die ich hier gerne teilen möchte.

Abstecher mit Turnieren in die USA, nach Skandinavien und Europa

Als mögliche Austragungsorte für ein neues Turnier habt ihr euch vor allem die USA (z.B. in Las Vegas) oder mehr Turniere in Europa gewünscht, Skandinavien ist sehr snookerbegeistert. Robin Hull organisierte in Finnland äußerst gut besuchte Exhibitions. Ein Finnish Masters oder Nordic Masters wäre ohne Zweifel eine tolle Ergänzung im Saisonkalender. Darüber hinaus habt ihr euch eine Rückkehr nach Irland gewünscht. Goffs ist ein toller Veranstaltungsort, der von vielen sehr vermisst wird. Kürzlich machte die Seniors Tour einen Ausflug dahin und die Stimmung war toll. Siehe auch das Artikelbild aus dem Jahr 2016. Zum Beispiel wäre das eine tolle Arena für die Tour Championship.  Ich würde mich auch über eine Rückkehr nach Polen oder Lettland freuen, denn dort gibt es starke junge Amateurszenen. Hauptsache es findet mehr in Europa statt.

Nationen Cups und Teamwettbewerbe

Sehr viele von euch wünschen sich mehr und neue Teamwettbewerbe. Was ist eigentlich aus dem World Cup geworden? Denn ein solches oder ähnliches Format wünschen sich viele. Seien es 2-Personen-Teams oder größere Teams. Warum nicht ein beliebtes Format aus einem anderen Sport wählen, wie das der Fußball-WM oder dem Ryder Cup beim Golf: UK gegen China? Europa gegen Asien? England gegen Irland? England gegen den Rest der Welt? Viele spannende Duelle wären möglich.

Auch Doubles sind beliebt. Bei den kürzlich ausgetragenen World Mixed Doubles wechselten sich die Spielenden bei jeder Aufnahme ab. Ihr wünscht euch aber eher das „Scotch Doubles“ Format. Dabei wird nach jedem Stoß gewechselt. Breaks werden dabei also gemeinsam erzielt. Wie sollten sich die Teams bilden? Ihr habt nach Nationalitäten oder Zufall vorgeschlagen. Ich habe noch eine andere Idee, die ich noch vorstellen werde.

Mehr Chancen für den Rest der Tour

Im Laufe der Saison gibt es sehr viele Events, die nur für einen Teil der Profis offen steht, überwiegend für die absoluten Topstars. Gerade zum Ende der Saison häufen sich diese aufgrund des Masters und der folgenden Players Serie. Viele von euch wünschen sich daher ein Turnier, das den Profis weiter unten in der Rangliste eine Chance gibt Geld oder auch Ranglistenpunkte zu verdienen und ihnen eine Gelegenheit gibt, unter Wettbewerbsbedingungen zu spielen. Oder eine Art Vorstellungsturnier nur für Neuprofis. Ich könnte mir eine Rückkehr des Qualifikationsturniers für das Masters vorstellen. Früher wurden zwei Wildcards fürs Masters vergeben. Eine wurde an Jimmy White vergeben, also eine nach undurchsichtigen Kriterien vergebene „Talent“-Wildcard (auch der 16-jährige Ding Junhui bekam eine), die andere wurde in einem Qualifikationsturnier ausgespielt. Das wäre doch ein schöner Preis für einen Turniersieg der besten Nicht-Top-16-Profis. In der Vergangenheit war das auch ein guter Blick in die Kristallkugel: Ronnie O’Sullivan, Mark Williams, Matthew Stevens, Ali Carter, Shaun Murphy, Neil Robertson, Stuart Bingham, Barry Hawkins und Judd Trump konnten dieses Turnier vor ihrem Durchbruch gewinnen.

Weitere Turnier-Ideen

Klug ist, sich einfach ein lustiges Turnier im eigenen Club zu wünschen. Warum auch nicht? Oder aus Nostalgie in Erinnerung an sehr, sehr alte Zeiten: Wie wäre es mit einem Best-of-65 Showdown zwischen World Champion und UK Champion? Turniere mit langen Distanzen sind bei Fans ja beliebt. Oder man könnte ein Turnier erschaffen, um eine Regeländerung mal auszuprobieren.

Auch hattet ihr allerhand lustige kuriose Ideen, wie Turniere auf anders geformten oder größeren Tischen, Lochzwang oder Teilfähigkeitswettbewerbe. Aber zwei weitere Vorschläge, die mir gut gefallen haben, möchte ich noch hervorheben: zum einen Lovis‘ Vorschlag für ein Ranglistenturnier in Finnland:

Ich finde das ist ein schönes solides Konzept für ein Ranglistenturnier. Durch die Gruppenphase ist es ein bisschen anders, aber nicht ganz wild. Besonders gefällt mir der Vorschlag eines Konferenzstreams. So oft neigt man dazu, das halbe Turnier zu verpassen, weil man die Topstars auf dem TV-Tisch oder die persönlichen Lieblinge im Stream beobachtet. Ich mag die Konferenz am Judgement Day auch immer gerne.

Ein simpler Vorschlag kam von Rhian. Oft sind die einfachen Ideen die besten und so auch hier: Sie schlägt vor, ein großes Turnier mit ähnlichem Format wie die WM zu kreieren und dies jedes Jahr in einem anderen Land auszutragen. So kann man die WM im prestigeträchtigen Crucible Theatre halten und hat dennoch ein großes wandernden Turnier: für lokale Fans eine einmalige Gelegenheit, die Atmosphäre wäre sicherlich besonders.

Målins Ideen für Turniere

Wenn ich nur ein Turnier aus dem Boden stampfen dürfte, würde mir das Herz bluten, denn ich habe mehr als eine gute Idee. Deswegen schummle ich und nenne neben meiner Topidee noch zwei weitere. Ihr werdet sehen, dass sich meine Ideen mit euren überschneiden.

Platz 3: Freundschafts-Doubles als Spaß-Turnier

Ich liebe ja das Shoot Out als ein Spaßturnier in der Saison. Ich denke es ist Platz für ein weiteres. Und da denke ich, wie einige andere auch, an ein Format mit Doubles. Wie bei anderen Berufen unter Kolleg*innen üblich gibt es auch unter Snookerprofis enge Freundschaften. Doch im Arbeitsalltag spielen sie ständig gegeneinander. Wie wäre also ein Doppelturnier, indem die Teams nicht gelost werden, sondern zwei Befreundete sich gemeinschaftlich anmelden können? Da könnte mal richtiger Teamspirit zu sehen sein, das wäre sicherlich toll zu verfolgen.

Die weiteren Regeln: Um ein möglichst ausgeglichenes Feld zu haben, darf nur ein Top 32-Profi pro Team dabei sein. Amateure sind erlaubt, aber ein Teammitglied muss Profi sein. Der Preisgeldanstieg ist flach, ggf. kann man sogar pro gewonnenem Frame bezahlen, um den Druck aus dem Turnier zu nehmen. Gespielt werden Scotch Doubles, beide stehen gemeinsam am Tisch und beratschlagen kurz über die nächste Position im Break. Gewünscht ist eine lockere und entspannte Atmosphäre, vielleicht könnte man die Spielenden mit Mikros ausstatten, sodass man in der TV-Übertragung auch mal reinhören kann, was sie untereinander besprechen.

Das Format ist sekundär. Gerne ein Knock-Out Event mit Best-of-7 in den frühen Runden, das ist häufig recht kurzweilig.

Fergal O'Brien und Ken Doherty sitzen nebeneinander in schwarzer Weste und dunkelgrünem Shirt mit ihrem Snookerqueue in der Hand. Hinter ihnen steht "Ireland". O'Brien lächelt und ist gut gelaunt.

Fergal O’Brien und Ken Doherty als Team beim Irish Legends Cup 2014. © Monique Limbos

Platz 2: Die Championship League wird zur European League

Das zählt eigentlich nicht als Idee für ein neues Turnier. Denn ich möchte ein bestehendes verändern, sodass es eine ganz neue Identität bekommt. Die Championship League (Ranking) gehört nicht unbedingt zu den großen Fanlieblingen. Ich mochte das Turnier aber bisher ganz gerne. Vor drei Jahren habe ich noch ein flammendes Plädoyer dafür geschrieben. Meine Liebe ist seither etwas erkaltet. Matchroom als Veranstalter hatte das Event früher liebevoll begleitet, aber in dieser Saison blieben ihre Social media Kanäle fast komplett stumm. Das Turnier erinnert immer mehr an eine stupide Fließbandarbeit in einer düstergrauen Fabrik.

Aber das muss nicht sein. Das Format kann auch kurzweilig sein, Drama und tolle Geschichten produzieren, wenn man es denn lässt. Das Konzept wurde zur Hochzeit der Pandemie erschaffen, um möglichst wenige Beteiligte zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu haben und dennoch Snooker zu ermöglichen. Corona bleibt, aber die Pandemie liegt hinter uns. Wir können die Vorteile des Events nutzen, ohne sie stumpf über einen langen Monat lang leidenschaftslos in der Morningside Arena in Leicester abzuspulen. Wenige Beteiligte müssen gleichzeitig an EINEM Ort sein. Wieso teilt man die Gruppen nicht auf Spielstätten auf ganz Europa auf. Aus der Championship League wird die European League. (Und ganz nebenbei beseitigt man das Problem der zwei Turniere mit demselben Namen.)

Gruppenphase wird in ganz Europa ausgetragen

Sicherlich ist es nicht ganz einfach, ein großes Ranglistenturnier an einem neuen Ort in Europa aus dem Boden zu stampfen. Aber wie sieht es mit einem Teilevent mit nur 16 Spielenden aus? Bisher gibt es 32 Gruppen à vier Personen. Das ergibt acht verschiedene Vierer-Gruppen, deren Gruppensiegende in einer zweiten Phase einen von acht Teilnehmenden des Finaltages ausspielen. Diese Gruppen kann man auf acht verschiedene Spielstätten in ganz Europa aufteilen, z.B. Deutschland, Polen, Belgien, Frankreich, Lettland, Albanien, Finnland und Irland.

Vier Gruppen in Phase 1, garantiert, dass an jedem der Austragungsorte zwei Top16 und zwei weitere Top32 Profis starten und Interesse kreieren können. Und die niedriger platzierten Profis und insbesondere die Tourneulinge bekommen die Chance vor einem interessierten Publikum vor Ort zu spielen. Vielleicht kann man das um Exhibitionframes ergänzen, lokale Wildcards als Top-ups nominieren und das Ganze in netter Clubatmosphäre durchführen. Und vielleicht entstehen dadurch ja auch Strukturen, die es möglich machen, mal wieder ein wanderndes European Masters zu etablieren. Oder daraus entsteht das gewünschte Finnish Masters oder Nordic Masters als vollwertiges Ranglistenturnier.

Topwunsch: Eine Junior*innen Weltmeisterschaft

Ich wünsche mir ein richtig tolles großes internationales Turnier mit Prestige für den Snookernachwuchs. Es gibt schon ein paar Nachwuchsturniere wie die WSF Championship oder die verschiedenen U-Europameisterschaften, aber ich hätte gerne etwas größeres. Eine Weltmeisterschaft für junge Talente, die für Profis wie Amateur-Spieler*innen offen steht. Ähnlich wie die Seniors Tour, an der auch Profis ab einem gewissen Alter teilnehmen dürfen, solange sie nicht in den Top64 der Weltrangliste stehen.

Folgendes schwebt mir vor: Die Junior*innen WM ist bis einschließlich 21 Jahre (oder vielleicht sogar noch höher), die teilnehmenden Main Tour Profis dürfen in den vergangenen 6 Monaten nicht in den Top 16 oder durchgängig in den Top 32 gestanden haben. Wenn sie teilnehmen, sind sie für die Hauptrunde gesetzt. Für die restlichen freien Plätze gibt es kontinentale Qualifikationen, wozu auch die bestehenden Turniere genutzt werden können, z.B. alle, die bei der U21-EM das Viertelfinale erreicht haben. Die Hauptrunde findet im Mai statt. Sie wird in Sheffield ausgetragen. Ab dem Viertelfinale wird die Austragung ins Crucible Theatre verlegt. Dort werden die Matches im Wechsel mit der World Seniors Championship ausgetragen, sodass beide Events voneinander profitieren. Die Talente von morgen im Kampf um einen wichtigen Titel zu sehen, ist spannend. Die große Bühne wird dazu beitragen.

Der*die siegreiche Junior*in wird selbstverständlich auch zum Champion of Champions eingeladen und sollte er*sie keine Tourkarte für die kommende Saison haben, gilt der Titel auch als Tourqualifikation.

Und sonst?

Lula wünscht sich ein Turnier mit einer gestuften Qualifikation wie bei der WM, aber dabei sind die schwächsten 16 der Weltrangliste gesetzt und je höher ein Profi in der Rangliste steht, desto mehr Qualifikationsrunden müssen bestritten werden. Lula hofft, dass sich die Topstars gegenseitig ausschalten und so das Feld besser durchmischt wird. Außerdem bekommt das Publikum so noch mehr Matches mit den Publikumsmagneten zu sehen. Ralf wünscht sich ein weiteres prestigeträchtiges viertes „Triple“ Crown Turnier, das aber ausnahmsweise nicht im Vereinigten Königreich ausgetragen wird. Er schlägt konsequenterweise China vor.

Ich fand es spannend zu sehen, dass es doch sehr viele Überschneidungen aus der Community zu meinen eigenen Ideen gibt. Wir alle hatten den Luxus, dass wir uns einfach etwas wünschen konnten, ohne uns damit rumzuärgern, ob und wie das überhaupt zu bewerkstelligen ist. Aber vielleicht sind irgendwo innerhalb dieser Überschneidungen doch kleine Ideefetzen, die es sich für die WST lohnen könnte mal zu verfolgen.

Habt ihr noch weitere oder konkretere Ideen? Gibt es Vorschläge, die ihr mochtet oder welche, bei denen ihr auf gar keinen Fall einschalten würdet?

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

SnookerPRO folgen