Masters-Sieg bei Debüt: Yan Bingtao gelingt der große Erfolg

Vor Beginn des Masters Finals geben sich John Higgins und Yan Bingtao einen freundlichen Ellenbogencheck und lächeln in die Kamera. Vor ihnen steht die "Paul Hunter Trophy": Die Kristalltrophäe mit den 15 Bällen, wie die Roten beim Anstoß im Dreieck angeordnet sind.
Yan Bingtao mit John Higgins vor seinem Masters-Sieg. © World Snooker/Tai Chengzhe

In einem spannenden Masters-Finale setzt sich Yan Bingtao mit 10–8 gegen John Higgins durch. Für den erst 20-jährigen Sieger des Riga Masters 2019 ist das der erste ganz große Titel. Yan Bingtao ist erst der sechste Masters-Debütant, dem das gelingt, und der erste nach Selbys Sieg 2008. Er nimmt  £250,000 Preisgeld mit, Higgins noch £100,000.

Higgins mit Vorteil am Nachmittag

Nach ihren guten Leistungen im Viertel- und Halbfinale brauchten sowohl John Higgins als auch Yan Bingtao in der ersten Session ein wenig, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Insbesondere im dritten Frame machten beide viele Fehler. Am Ende war Higgins‘ Fehler beim Lochversuch von Blau der letzte, sodass Yan die verbleibenden Farben zur vorübergehenden 2–1-Führung abräumen konnte. Doch danach fand Higgins in seinen Spielfluss und er gewann vier der verbleibenden fünf Frames mit einigen soliden Breaks. Das höchste war eine 98.

Eine Respotted Black zum Auftakt am Abend

John Higgins startete mit einer 5–3-Führung in den Abend. Ein guter Start war für Yan Bingtao daher sehr wichtig. Doch Higgins bekam die erste Chance des Abends. Nach 67 Punkten verschoss er jedoch den Frameball. Zu diesem Zeitpunkt lagen noch 5 Rote auf dem Tisch. Der Ausgleich war für Yan also noch ohne Foulpunkte möglich. Nach einem kurzen taktischen Duell bekam Yan die Chance, verschoss dann aber die zweite Rote. Higgins konnte die erneute Chance, den Frame zu sichern, aber ebenfalls nicht nutzen. Daraufhin spielte Yan eine phänomenale 51er Clearance, in der er mehrere schwere Bälle lochte und kein leichtes Positionsspiel hatte.

Gleich der erste Frame des Abends lieferte also eine Respotted Black. Zunächst gab sich keiner von beiden im Safespiel eine Blöße. John Higgins riskierte auch keinen Versuch eines Doubles, obwohl er darin besonders gut ist. Doch ihm unterlief der erste Fehler bei einer Safety. Schwarz lief ein wenig von der Bande in den Tisch zurück. Kein einfacher Ball für Yan, aber er versuchte ihn zu lochen und es gelang ihm sicher. Damit hatte der Debütant abermals starke Nerven gezeigt.

Yan Bingtao kommt heran, aber John Higgins setzt sich wieder ab

Im folgenden Frame bekam John Higgins nach einem verschossenen Longpot seines Gegners die erste Chance. Nach einem tollen Split verschoss er dann jedoch Gelb vom Spot. Diesen Fehler konnte Yan Bingtao ausnutzen und zum ersten Mal seit dem 2–2 wieder ausgleichen. Der elfte Frame war voller toller Kombinationen. Higgins konnte froh sein, dass nach seinem Fehler sich zwei Rote gegenseitig auf die Ecktasche blockierten. Doch Yan interessierte das gar nicht, er lochte diese einfach als sehr anspruchsvolle Kombination. Den Frame konnte er aus der Chance aber nicht sichern. Higgins läutete dann seinerseits durch eine spektakuläre 4er-Kombination seinen typischen Higgins-Steal ein. Ein Break von 74 Punkten brachte ihn wieder in Führung. Erstmal warm gespielt in den Bällen, setzte er das direkt so fort. Im folgenden Frame gelang ihm mit 116 Punkten das erste Century des Matches. Zur Pause war der alte Vorspung wieder hergestellt: Higgins 7–5 Yan.

Ein Finale voller Wendungen

Nach der Pause gelang es beiden Spielern nicht so recht, ihre Chancen in hohe Breaks umzusetzen. Am Ende konnte sich Higgins mit einer guten Möglichkeit absetzen. Nach der letzten Roten gelang ihm aber keine gute Stellung auf Schwarz. Er entschied sich für eine Safety. Schwarz legte er an die Bande, aber der Spielball lief ihm auf kurze Distanz in die Ecktasche. Das war ein ungewöhnlich leichter Fehler des deutlich Erfahreneren in diesem Finale. Mit Ball in Hand war es für Yan ein Leichtes, Gelb bis Blau zu lochen. Doch die Pinke nahe der Bande verschoss er. Nachdem er sie ein weiteres Mal verschoss, blieb sie für Higgins lochbar liegen. Er brauchte jedoch auch noch die Schwarze, die er selbst an die Bande gelegt hatte. Nach einem kurzen Safety-Duell versuchte Higgins ein Double, verfehlte knapp und ließ Schwarz unmittelbar vor der Tasche liegen. Kein Problem für Yan, er verkürzte erneut.

Abermals schien das Blatt sich zu wenden. Im nächsten Frame gelang Yan Bingtao sogar sein erstes Century (103) im Masters-Finale. Auch im 15. Frame legte er vor. Nach 55 Punkten und einem verpassten Double auf die Mitteltasche war aber Schluss. Zwar spielte Yan gute Safeties, doch Higgins gelang es dennoch eine lange Rote zu lochen und einen Steal einzuleiten. Doch im Endspiel auf die Farben verschoss er Blau. Yan räumte ab und ging erstmals nach dem 1–2 wieder in Führung. Mit einem soliden Break von 63 Punkten gelang es John Higgins im folgenden Frame den Lauf von Yan vorerst zu stoppen. Nach 16 Frames stand es also erneut Unentschieden 8–8, nur noch maximal drei Frames zu spielen.

Nervenstark macht Yan Bingtao den Masters-Sieg komplett

In Frame 17 sah es zunächst nach einem Re-Rack aus. Doch Yan Bingtao gewann das Klein-Klein-Duell am Pulk der Roten. Er bekam eine Möglichkeit, den Spielball zurück in den Baulk-Bereich zu spielen und legte seinem Kontrahenten einen knackigen Snooker hinter Grün. John Higgins ließ einen Einsteiger liegen und Yan spielte daraus ein entscheidendes Break von 63 Punkten. Nun war Yan Bingtao nur noch einen Frame von einem möglichen Masters-Sieg entfernt.

Im folgenden Frame erarbeitete sich Higgins mit einer starken Safety seine erste Chance. Trotz eines tollen Rettungsballs auf Blau mit dem Hilfsqueue gelang es ihm jedoch nicht in eine gute Stellung im Break zu kommen. Nach zehn Punkten versuchte er, einen Snooker in der Baulk-Zone zu legen, ließ Yan jedoch die Chance auf einen langen Einsteiger. Doch Yan verschoss. Kurz darauf bekam er abermals eine leichtere Chance. Dann zeigte Yan erstmals im Match ein bisschen Nervosität, als er eine recht einfache Rote verschoss und Higgins eine gute Chance zum Konter ließ. Aber auch Higgins zeigte Nerven und verschoss nach wenigen Punkten. Danach blieb Yan cool. Ein Break von 64 Punkten brachte die Vorentscheidung. Auf die letzte Rote versuchte John Higgins noch zwölf Foulpunkte zu bekommen. Vier Punkte davon bekam er auch noch. Aber anstatt sich von Higgins‘ Snookern unter Druck zu setzen, legte Yan einfach seinerseits Snooker, bis er irgendwann die Chance bekam, die letzte Rote zu lochen. Damit machte Yan Bingtao seinen Sieg beim Masters perfekt.

Bei der Siegerehrung wurde er sogar noch von seiner Freundin überrascht. So konnten sie seinen Titel gemeinsam feiern. Im anschließenden Interview im Eurosport-Studio zeigte er sich zufrieden mit seinem Spiel und darüber, dass er einfach nicht aufgegeben habe, als er zurück lag. Außerdem stellte sich heraus, dass seine Kenntnisse der englischen Grammatik besser als die von Ronnie O‘Sullivan sind.

Das war nur der Auftakt ins Snooker-Jahr 2021

Am Mittwoch den 27.1. geht es mit den Milton Keynes German Masters weiter. Leider dieses Jahr nicht im Tempodrom und ohne die tolle Stimmung. Für diejenigen, die sich solange nicht gedulden können startet morgen das neue Gruppenformat, die WST Pro Series. Da haben auch die Spieler abseits der Topplatzierungen in der Weltrangliste wieder die Chance ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Leider gibt es keine TV-Übertragung. Man kann die Matches auf den Seiten von Wettanbietern schauen und vermutlich auch auf Matchroom Live und/ oder im Eurosport Player.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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2 Gedanken zu „Masters-Sieg bei Debüt: Yan Bingtao gelingt der große Erfolg

  1. Schönlau

    Ich hätte es John Higgins wirklich gegönnt und er spielte ja auch wirklich gut, aber ich kann mich, glaub ich, nicht je an solche Wahnsinnsfehler erinnern, wie sie Higgins teilweise einbaute. Herausragend: Der verschlossene blaue Frameball, wo er wohl noch das Ziel hatte auf Pink zu stellen und dann, ich versank im Boden, wo er beim Versuch, mit der Hilfe der Schwarzen zu snookern, die Weisse versenkte – unfasslich!!!
    Soll die Leistung von Yan Biangto nicht schmälern, aber…

  2. Lula Witzescher

    Ich finde es persönlich ja ganz schön zu sehen, dass auch die Spieler mit der langen Erfahrung und schon vielen Erfolgen trotzdem noch den Druck spüren. Sonst wäre es ziemlich langweilig. Und es muss auch wirklich anerkannt werden, dass Yan hier Stärken zeigte, als sei er schon viel erfahrener als er ist. Ich denke, das hat Higgins natürlich auch zu spüren bekommen. Insgesamt einfach ein hochklassiges Spiel!

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