Geld und Snooker: Lasst euch nicht verführen!

Geld, Snooker, Gier: Das Wort "Greed" aus Geldscheinen geformt.
Geld verdienen zu wollen ist übrigens nicht das Gleiche wie Gier. © Pixabay

Wie immer während der WM hat Ex-Chairman Barry Hearn wieder Sachen vom Stapel gelassen, die die Snooker-Gemeinde in Aufruhr versetzen. Ich verstehe ja nichts von Snooker und Geld und erst recht nicht von Business. Doch ich habe eine starke Meinung zu Gier.

Worum geht es (angeblich)? Snooker-Geschichte vs Zukunft!

Nachdem Barry Hearn in den vergangenen Jahren öfter bekräftigt hat, dass die Snooker-WM „noch lange“ im Crucible Theatre in Sheffield bleiben wird, häufen sich jetzt die Zeichen, dass das vielleicht bald nicht mehr der Fall sein wird. Da ist nicht zuletzt die absolut undezente Präsenz des „neuen Partners der WM Riyadh Season“, die fast schon vergessen macht, dass der Titelsponsor Cazoo heißt. Und natürlich die Äußerungen von Hearn selbst.

Nun wird schon seit Jahren heiß diskutiert, ob die WM im Crucible bleiben muss, weil – ihr wisst schon … GESCHICHTE! THE HOME OF SNOOKER! Oder ob die WM umziehen sollte. Weil das Crucible zu klein ist. Oder stinkt. Der Sport könne nicht wachsen mit diesen Beschränkungen. Ich habe allerdings ganz ehrlich große Zweifel daran, dass sich bei einer WM tatsächlich zwei- bis dreitausend Plätze wie geschnitten Brot verkaufen. Selbst in Sheffield, geschweige dann woanders.

Über die Alternativen gibt es natürlich auch Diskusionen. Saudi Arabien? Leere Ränge, keine Snooker-Geschichte, schlechtes Benehmen des Publikums, rufen die einen. Aber das Preisgeld! rufen die anderen zurück. Vielleicht sollte die Weltmeisterschaft durch die Welt touren wie in anderen Sportarten? Und um endlich ihrem Namen gerecht zu werden?

Alle haben ihre Meinung, wechseln sie aber auch ab und zu. Ich persönlich bin weder dafür noch dagegen, dass die WM das Crucible verlässt. Mir ist wichtiger, dass der Sport insgesamt überlebt. Das kann auf viele Arten gelingen. Aber sicher nicht so, wie Hearn uns alle glauben machen will.

Worum geht es wirklich? Viel Geld vs noch viel mehr Geld!

Die Hearns können kaum einen graden Satz sagen, ohne dass das Wort „Geld“ oder „Geschäft“ darin vorkommt. Snooker sei nun mal ein Business und natürlich ginge es um Geld: zum Beispiel um steigende Preisgelder (angeblich). Wenn ich genau darüber nachdenke, ist Snooker eigentlich ein Sport. Und im Sport geht es um Leistung, um Wettkampf, um Sportsgeist, Spannung, gewinnen, verlieren, feiern, trauern. Aber auch um Gemeinschaft, Verbindung, die gemeinsame Liebe für bestimmte Aktive und einen völlig unwichtigen Sport.

Dass es jetzt dauernd nur um Geld geht, dafür haben alte, rote Männer wie Hearn gesorgt. Sie projizieren ihre eigene Geldgier auf andere und überzeugen sie damit, dass immer größere Summen nicht nur wünschenswert, sondern absolut überlebenswichtig sind. Und leider ist das mittlerweile auch in den meisten (größeren) Sportarten so. Vorbei sind die Zeiten, als es für einen WM-Titel noch ein hübsches Kaffeeservice gab und die Profis im Ruhestand Tabakkioske aufgemacht haben.

Das Ergebnis sind gesichtslose Fußballvereine ohne Tradition, Weltmeisterschaften ermöglicht durch Sklaverei und Umweltzerstörung, Golfturniere mit abstrusen Preisgeldern, Streitereien zwischen Sport-Verbänden … und die ewige Unterteilung in Gut & Böse. Wer folgt dem Geld? Wer verkauft was an wen für wieviel aus?

Eigeninteresse auf Kosten der Gemeinschaft

Ich finde diese Entwicklung gelinde gesagt unerquicklich und enttäuschend. Dass Snooker jetzt denselben männerdominierten Weg der unumstößlichen Wirtschaftlichkeit gehen soll, erfüllt mich mit Unwohlsein und Hilflosigkeit. Dieser Strategie verdanken wir Börsencrashs und Bankenkrisen, Umweltzerstörung und Massenarmut, während einige wenige ihren Reichtum mehren. Das braucht die Mehrheit der Menschheit gar nicht. Die Mehrheit möchte irgendwo Snooker gucken und mitfiebern. Wieviel Nullen hinter der fünf auf dem Siegerscheck der WM stehen, interessiert keine Socke außer der Person, die ihn mitnimmt.

Großes Unwohlseins empfinde ich auch bei den bodenlosen Anmaßungen, die Hearn ohne einen Funken Scham ausspricht und die immer verquickt sind mit der oben beschriebenen Handlungsweise. „Baut mir was!“ ruft er den Verantwortlichen in Sheffield zu und betont die „riesigen Gewinne“, die die Snooker-WM der Stadt (angeblich) beschert. Sollen sie dafür doch etwas investieren! Das ist Peak-Kapitalismus-Strategie: Kosten verallgemeinern, Profite privatisieren. Die Stadt Sheffield soll den neuen schönen großen Veranstaltungsort auf eigene Kosten bauen und WST/Matchroom verdient Geld damit.

Doch es ist müßig, mich darüber aufzuregen, denn in meinen Augen ist das nur eine Nebelkerze. Durch das Abschieben der Verantwortung an die Stadt Sheffield, die sich einen Bau gar nicht leisten kann, wird sichergestellt, dass die WM Sheffield verlässt und die ganzen (lukrativen) Optionen zum Zuge kommen können. Und hier wird noch nicht einmal verhandelt. Hearn selber bezeichnet die WM-Vergabe als „Auktion“. Wer am meisten Geld bietet, bekommt sie.

Glaubt dem Kerl kein Wort!

Ich hätte übrigens auch „Lasst euch nicht verarschen!“ titeln können. Denn es ist in meinen Augen extrem irritierend, wie viele Leute die Aussagen von Barry Hearn beim Wort nehmen. Meine Devise lautet ja: „Glaub nicht, was die Leute sagen. Glaub nur, was die Leute tun.“ Und der alte, rote Mann, der angeblich in Rente ist, aber trotzdem eine Menge zu allen möglichen Themen absondert, ist mein Paradebeispiel für die erstklassige Güte dieser Devise.

Schon relativ früh nach Hearns Übernahme gab es Unstimmigkeiten zwischen seinen gemachten Versprechen und seinen Aktionen. Und Spieler wie Mark Allen gefiel das gar nicht. Er forderte deshalb sogar Hearns Rücktritt. Geldstrafen, Androhung von Sperren, öffentliche Beleidigung – das sind nur drei Werkzeuge aus Hearns und World Snooker Tours Gürtel, um durch Einschüchterung solche Vorstöße zum Schweigen zu bringen.

Mangel an Respekt

Ich will nicht behaupten, dass Hearn mit allem, was er sagt, unrecht hat. Aber die Art und Weise, wie er Sachen sagt, ist einfach unerträglich. Allen, die öfter mal genauer hingehört haben, ist klar, dass Hearn nicht im Interesse der Spieler*innen agiert, sondern in seinem eigenen. Wer behauptet, er würde die Menschen „besitzen“, die bei WST unter Vertrag sind, ist ein moderner Sklavenhalter. Der möchte nur ihr Bestes, solange es dem eigenen Ziel dient. Bei anderer Gelegenheit sagte er über die Spieler. sie sollten die Klappe halten und Snooker spielen. Dabei sagte er auch: „Das ist ein tolles Beispiel, warum Snooker-Spieler Snooker spielen und kommerzielle Entscheidungen Leuten überlassen sollten, die dafür qualifiziert sind.“ Hier zeigt sich die absolute Respektlosigkeit, mit der Hearn die Leute behandelt, die ihm das Geldscheffeln erst ermöglichen. Genauso wie seine Aussagen, dass Mittelmäßigkeit nicht bezahlt gehört, mit der er regelmäßig Forderungen nach einem Grundeinkommen abgeschmettert hat. Hört einfach selber mal rein, zum Beispiel in dieses Gespräch zwischen Hearn und Jason Francis, wenn ihr die zynische Wortwahl ertragen könnt. (Update: Wurde leider gerade auf Druck von Hearns Anwälten gelöscht.)

Wieviel Geld kann Snooker noch einbringen?

Schon 2016 war ich von dem einhelligen Hearn-Lob der Aktiven ziemlich irritiert und schrieb:

Ja, wir wissen: Alle sind Barry Hearn ganz furchtbar dankbar für seine Errungenschaften. Viele neue Turniere wurden aus dem Boden gestampft, der neue (chinesische) Markt in höchsten Tönen besungen, die Preisgelder (für die Top-Leute) steigen von Jahr zu Jahr. Ja, darüber freuen wir uns ganz ungemein. Aber immer nur, wenn wir verdrängen können, dass mit einseitiger Sponsorenwahl, ständiger Distanzenverkürzung, schwer schlagseitiger Preisgeldverteilung, Ungleichbehandlung der Spieler, diktatorischem Gebaren nach Außen und ähnlichen Ärgernissen dem Sport, den Aktiven und den Zuschauenden immer wieder Schaden zugefügt wird. Wir fragen uns, wie lange das noch funktioniert.

Ich muss sagen, noch funktioniert das Ganze. Das ist schon länger, als ich damals zu hoffen gewagt hätte. Aber das Schiff ist am Sinken. Die Klasse von 1992 ist erschöpft, hat keinen Bock mehr, sich unterzuordnen und/oder hat jetzt eigene Gier-Strategien entwickelt. So langsam bekommt Hearn wohl Muffensausen, dass die Millionen, mit denen die Saudis gerade um sich werfen, im Wüstensand versickern, wenn Ronnie O’Sullivan die Tour Richtung lukrativerer Möglichkeiten verlässt. Deshalb sagt Hearn einerseits, dass die Spieler machen könnten, was sie wollen (Exhibitions spielen, zum Pool wechseln, eigene Tour starten). Und andererseits posaunt er herum, dass sich auf der World Snooker Tour demnächst auch unanständig viel Geld verdienen lässt.

Denn wenn wirklich alle machen können und würden, was sie wollen und Leute wie Trump, Allen, Williams etc die Tour verlassen würden, dann würden wir schlagartig den wahren (und zukünftigen) Wert der World Snooker Tour erfahren.

Barry Hearn dismisses threat of breakaway tour but sends message to players

Die Situation der Aktiven auf der Tour

Auch wenn ich eine etwas nostalgisch-naive Sicht auf den Sport haben mag, ich bin absolut dafür, dass die Aktiven Geld verdienen. Dass sie von ihrem Sport leben können. Dass die Stars mehr verdienen als die, die sich gerade so auf der Tour halten. Doch ich habe große Probleme mit den momentanen Relationen. Während einige auf der Tour Existenzsorgen haben und ihnen die ständige Unsicherheit an die physische und psychische Gesundheit geht, werden andere nicht nur mit großen Summen Preisgeld sondern auch mit viel mehr Spielgelegenheiten belohnt. Die buchstäblich zu fütternde Familie, die ständig herangezogen wird, um Forderungen nach mehr Verdienst zu stellen, isst offensichtlich sehr viel mehr goldbeschichteten Kuchen als Kartoffeln. Andere Menschen schaffen es locker, mit £100,000 im Jahr eine Familie zu ernähren. Die Spitzenleute sollten sich auch mal klar machen, dass es ohne mittelmäßige Leute und ein Weltranglistenende gar keine Tour gäbe.

Ronnie O’Sullivans Rolle ist ein bisschen nebulös. Der neue Snooker Saudi Arabia Ambassador betont, sein Deal hätte nichts mit WST zu tun. Aber er hat womöglich schon einen fetten Scheck erhalten, damit er ein bisschen Crucible-Bashing betreibt. Auf alle Fälle müssen die Veranstalter ihn zukünftig extra bezahlen, damit er an einem WST-Turnier teilnimmt.

Zu allerletzt …

Um zu wachsen, braucht der Sport einen guten Jugend- und Amateur-Bereich, bessere Unterstützung beim Übergang von Amateur- zu Profistatus, mehr Gendergerechtigkeit, solide Erschließung neuer Snooker-Gebiete nach Interesse im Land, bessere Verteilung der Turniere auf der ganzen Welt, Abschaffung der Geldrangliste, die Entwicklung von „Turnieren mit Gesicht“ (Wiedererkennung, Aufbau neuer Traditionen) … (to be continued) Es würde auch helfen, wenn verschiedene Spieler*innen als Vorbilder und zukünftige Leistungsträger aufgebaut würden – durch stetige Repräsentation, Interviews, Videos, Features, auf Social Media, auf der Webseite. Ach ja, und ein funktionierende Livescoring wäre auch nicht schlecht.

Wer sich übrigens die Interviews in Gänze geben möchte, kann das auf einer bekannten Videoplattform tun. Das BBC-Gespräch gibt es hier, die Eurosport-Version ist hier zu gucken.

Und ich gehe jetzt wieder Snooker-WM gucken. Ach nein, ich bin ja beim Investor*innen-Dinner eingeladen, um einen Vortrag über „Zukunftsfähige Unternehmen – Verantwortliches Wirtschaften“ zu halten. Und anschließend bereite ich die zweite Runde meiner Workshop-Reihe „Konstruktive Geldbeziehung – Wie du reich, sozial UND glücklich sein kannst“ vor. Aber zwischenzeitlich gucke ich bestimmt auch Snooker und schreibe darüber, obwohl ich keine Ahnung habe.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

SnookerPRO folgen

2 Gedanken zu „Geld und Snooker: Lasst euch nicht verführen!

  1. Mr.Brian

    Zumindest kann man O`Sullivan zustimmen, dass 950 Zuschauer für diese WM am Abend schlichtweg zu wenig sind. Aber ein Umzug nach Riad z.B. macht es auch nicht besser, die Ränge waren ja leer und so schnell ändert daran auch ein goldener Ball nicht. China wäre da schon besser, da ist Snooker in der Breite schon besser aufgestellt. Bzgl. der obigen Anmerkung, dass Snooker auch auf den mittleren und hinteren Rängen bessere Verdienstmöglichkeiten bieten muss, kann ich nur zustimmen. Die Kosten für Training und Reisen sind ja beachtlich und wenn man nicht genügend Geld hat, kann man (meist) auch nicht gut spielen. Ich finde das Schattendasein von Snooker in D ziemlich traurig. Na mal sehen, jedenfalls müssen sich die Verantwortlichen was einfallen lassen, sonst wirds langweilig. Und das ist ein ziemliches Gift für den Sport.

  2. Lula Witzescher Artikelautor

    Ja, die Größe der Arena ist natürlich nicht mehr zeitgemäß. Aber warum versuchen sie nicht, die Qualifikation besser zu vermarkten? Da könnte etwas Nachfrage-Druck aus der Endrunde genommen werden. Und ich glaube, dass auch die Knappheit zum Interesse beiträgt. Wenn alle sofort ganz easy ein Ticket bekommen können, kommen die dann jedes Jahr wieder? Das müssen sich die Leute ja erstmal leisten können. (Deshalb glaube ich nicht an einen Erfolg einer 3.000 Leute-Arena.)

Kommentare sind geschlossen.