Am Samstag gings los mit der Hauptrunde im Crucible Theatre und am Abend gab es schon die ersten Ergebnisse. Titelverteidiger Mark Selby gewann deutlich mit 10–2 gegen Entscheidungsframerekordhalter Fergal O’Brien und Stephen Maguire gewann sein erstes Spiel im Crucible seit 2012 mit dem gleichen Ergebnis und zwar gegen Landsmann Anthony McGill.
Damit markierte er den ersten Qualifikanten-Sieg dieser WM über einen gesetzten Spieler. McGill konnte nicht ansatzweise die Qualität zeigen, die er in den letzten zwei Jahren hier an den Tisch gebracht hatte. In den sieben Frames Nr. 5 bis 11 machte er gerade mal einen einzigen Punkt. Allerdings legte Maguire auch einen außergewöhnlich guten Auftritt hin.
Die Debütanten verschenken nichts
Am heutigen Nachmittag gab es dann zwei wesentlich knappere Entscheidungen: Kyren Wilson gewann zwar gegen David Grace mit 10–6, doch mit drei 50+ und einem Century-Break bot Grace bei seinem Debüt einen starken Auftritt. Natürlich hätte er gerne gewonnen, doch zeigte er sich anschließend sehr zufrieden mit seinem Spiel. Vor allem freute er sich über die Erfahrungen, die er gemacht hatte und über die Unterstützung, die ihm zuteil wurde.
Loved every minute of my Crucible debut, wish Kyren all the best every time I got close to him he responded. Thanks for all the messages! ?? pic.twitter.com/SycOflazbj
— David Grace (@daveg147) April 16, 2017
Gary Wilson hielt gegen einen Ronald O’Sullivan mit, der zwischenzeitlich leicht wacklig, dann aber auch wieder genial spielte. Nach einer 5–1-Führung durch O’Sullivan kämpfte Wilson sich auf 6–5 heran, den 11. Frame gewann er mit einer glatten 100. O’Sullivan legte nach und spielte eine 124, das bisher höchste Break des Turniers, das jedem Snookerfan wegen Ronalds tollem Stellungsspiels die Tränen in die Augen trieb. Im 13. Frame legte er 74 vor, bei noch 59 Punkten auf dem Tisch. Die meisten dachten wohl, dass der Frame damit zu Ende wäre, aber Wilson holte sich mit Fouls und Freeball fast alle benötigten Foulpunkte. Am Ende wurde sein beherzter Einsatz aber nicht belohnt: O’Sullivan gewann den Frame nach einer Safety-Schlacht. Am Ende machte Wilson noch ein Century (103), bevor O’Sullivan das Spiel für sich entschied und sich anschließend ungewöhnlich emotional und erleichtert zeigte.
Der dritte Debütant, der sich alles andere als billig verkaufte, war der junge Chinese Yan Bingtao. Gegen Shaun Murphy gewann er seinen ersten Frame im Crucible zum 1–1 ganz stilecht mit einem Century (109). Hier steht es zur Zeit 6–3 für Murphy (der auch zwei Centuries spielte), aber Yan könnte morgen noch für Spannung sorgen, denn es könnte hier ebenso 5–4 stehen.
The Belgian Bullet ist kaum aufzuhalten
In den Partien Stuart Bingham gegen Peter Ebdon und Mark Allen gegen Jimmy Robertson steht es 5–4. Auch Ebdon hatte sich zwischenzeitlich eine Re-Spotted Black erkämpft. Robertson hatte mit 4–2 den besseren Start, doch Allen steigerte sich zum Sessionende und holte drei Frames in Folge zum Zwischenstand.
Eine Überraschung bahnt sich im Spiel Marco Fu gegen Luca Brecel an: Die beiden gingen mit einem 2–7 in die Nacht. Fu brachte außer leichter Fehler anfangs nichts zustande, während Brecel mit vier 50+ und einem Century stark auftrat. Erst im letzten Frame der Session konnte Fu mit einem Century wenigstens einen vorläufigen Schlusspunkt unter seine Talfahrt setzen.
Jedes Jahr dasselbe Theater um The Rocket-Ronald
Unter diesem Motto könnten wir das alljährliche Hickhack um das geniale, unbequeme Aushängeschild des Sports abhaken. Mit dem seltsamen Auftritt im BBC-Studio, den Hazel Irvine noch geistreich retten konnte, waren wir schon vorgewarnt und während der Pressekonferenz trudelten schon die ersten Nachrichten ein, dass O’Sullivan auch hier keine Fragen zum Spiel und Turnier beantwortete. Es gab daraufhin dann auch wieder die alljährlich übliche Entrüstung und Ronnies angebliches Heischen um Aufmerksamkeit wurde mit einer überbordenden Aufmerksamkeit quittiert. Das uns allen bekannte Rocket-Paradoxon.
Diese Pressekonferenz war der Stein des Anstoßes. (Die Vorgeschichte: Nach Bemerkungen von O’Sullivan erhielt er von World Snooker Post mit Disziplinarmaßnahmen. Das hat ihn nach seinen Aussagen so abgelenkt, dass es ihn drei Turniere gekostet hat. Hintergrund gibt es hier (auf Englisch)). Natürlich kann mensch sich fragen, ob dieses penetrante Nicht-Antworten wirklich das bringt, was er sich wünscht und nicht seinen Fokus noch zusätzlich auf die Auseinandersetzung mit der Presse, World Snooker und WPBSA lenkt. Nun ist O’Sullivan aber nicht bekannt für pfiffige Entscheidungen, was sein Auftreten in der Öffentlichkeit betrifft, deswegen werde ich den Sinn oder Unsinn dieser Maßnahme hier nicht weiter erörtern.
Aber was ich ganz persönlich in der Pressekonferenz sehe, ist ein grundsätzlich viel entspannterer O’Sullivan, als wir ihn in den letzten Jahren gesehen haben. Es wirkt auf mich durchaus glaubwürdig, dass er mit sich und dem Snooker seinen Frieden gefunden hat, dass er Freude an den anderen Aktivitäten hat (seinem Buch, seiner Arbeit für Eurosport) und er einfach nur in Ruhe die WM spielen möchte. Ich wüsste nichts, was mensch ihm daran übel nehmen könnte. Schon im letzten Jahr konnte ich nach seiner Pressekonferenz gut nachvollziehen, wie er sich fühlt und ich bin geneigt, das Befinden ernst zu nehmen. Auch wenn ich ihn und sein Benehmen nicht bedingungslos verteidigen will: Ich glaube ihm und ich habe Mitgefühl für seine Situation.
O’Sullivan sagt, sein Spiel würde für sich sprechen. Und da muss ich ihm einfach recht geben: Ich benötige für eine Berichterstattung keine leeren Worthülsen, die die Spieler absondern, um ja nur niemandem auf die Füße zu treten. Wenn sie ehrlich antworten möchten: schön. Wenn nicht: auch schön.
In diesem Sinne: Amen.
Der mutige Club der Menschen, die sich als Fans von O’Sullivan verstehen, aber nicht „Gwaaarrrnnn Ronnie“ brüllen, trifft sich übrigens auf Twitter unter dem Hashtag #RonaldVI.