Der erste, der heute über die Ziellinie ging, war John Higgins. Mit seinem 13–6 über Kyren Wilson steht er zum ersten Mal seit seinem WM-Titel 2011 wieder in einem WM-Halbfinale.
Nach einer komfortablen 11–5-Führung über Nacht ließ Higgins morgens keine Zweifel aufkommen, wer hier als Sieger vom Tisch gehen würde, auch wenn im abschließenden Frame der Druck zu spüren war. Wir sahen deshalb ein paar ungewöhnliche Misses von Higgins, bevor er das spielentscheidende Break spielte. Sicher waren Kyren Wilsons Probleme, die er seit der ersen Sitzung mit dem erzwungenen Pomeranzenwechsel hatte, für viele seiner Unsicherheiten verantwortlich. Er sagte anschließend, sie hätte sich wie ein Fruchtbonbon angefühlt. Es ist trotzdem fraglich, ob er gegen diesen extrem stark und ruhig auftretenden Higgins viel mehr hätte herausholen können. „I am buzzing to get to one-table set-up again. I believe I can win it again“, sagte dieser nach dem Spiel.
Selby demontiert Fu
Die Hoffnung, dass Marco Fu sich heute wieder in Form zeigt, wurde schon in der Vormittagssitzung zunichte gemacht. Mark Selby gewann die ersten fünf Frames zum 11–2 und zeigte dabei äußerst elegante und effektive Pots und ebensolche Snooker sowie ein 132er und ein 139er Break – das bisher höchste des Turniers. Erst mit dem 11–3 konnte Fu die Hoffnung nähren, dass es hier doch noch eine Abendsession geben könnte. Doch Selby überbot mit dem dritten Century der Sitzung sein eigenes Turnier-High-Break und nutzte im letzten Frame den Fehler von Fu, der eine Rote ins Eck verschoss, gnadenlos aus.
Wem das nicht genügt, der schaue sich bitte diese Clearance an. Sie toppt in unseren Augen sogar das Werk von O’Sullivan (siehe unten).
One of the best clearances you will EVER see.@markjesterselby, take a bow! 👏#ilovesnooker @Betfred pic.twitter.com/Ye0G4ApvNN
— World Snooker Tour (@WeAreWST) April 26, 2017
Ding schlägt sein Idol in den heiligen Hallen
Mit großer Spannung wurde am Nachmittag das Match zwischen einem mental leicht schwächelnden Ronald O’Sullivan und einem umso stärker aufspielenden Ding Junhui erwartet. Seit zehn Jahren konnte der Chinese kein Spiel gegen den Engländer gewinnen. Bei einem Spielstand von 10–6 für Ding war der erste Frame der Session für O’Sullivans Chancen auf ein Kommzurück immens wichtig. Und er zeigte, dass er seine frustrierte Performance von gestern nicht fortsetzen wollte. Mehrere Fouls & Misses waren nötig, um ihn auf 7–10 heranzubringen und mit einer 97 machte er gleich auch noch das 8–10. Doch Ding zeigte sich vorerst unbeeindruckt und holte sich das 8–11.
Eine absolut verzeihliche 146 von O’Sullivan
Im nächsten Frame zeigte O’Sullivan dann mal einen ganz neuen Ronald: Er setzte zu einem Maximumversuch an und machte währenddessen sogar Quatsch. Zwischenzeitlich deutete er kurz an, Pink statt Schwarz spielen zu wollen, schwenkte unter dem Gelächter des Publikums dann aber um. Unglücklicherweise verstellte er sich aber im Anschluss und musste doch einmal Pink spielen. Trotzdem war sein 146er Break unter diesen Umständen eine absolute Augenweide und Meisterleistung des „Bösen Jungen des Snooker“. (Auch wenn böse Zungen behaupten, er hätte es wieder absichtlich gemacht, weil ihm das Preisgeld von £5.000 für das Maximum zu gering wäre.) Mögen sich die Fachleute selber eine Meinung bilden.
Ridiculous from Ronnie! @ronnieo147 laughing on the way to making a rare 1⃣4⃣6⃣ break at the Crucible! #ilovesnooker @Betfred pic.twitter.com/KdCLkJQaCP
— World Snooker Tour (@WeAreWST) April 26, 2017
Mit 9–11 aus Ronalds Sicht ging es also nach der Pause weiter und Ding kam nach einer verfehlten langen Roten von O’Sullivan ins Break und ging 12–9 in Führung. Im nächsten Frame hatte er mit 63 Punkten die Nase vorn, als eine knifflige Rote danebenging und er den Engländer an den Tisch lassen musste. Der gewann den Frame mit perfekter Clearance. Doch die Hoffnung währte nur kurz: Nervenstark machte Ding das 13–10 und erntete dafür von O’Sullivan eine Umarmung und einen ausführlichen Glückwunsch.
Hawkins erfolgreich gegen Maguire
Barry Hawkins musste seine 5–3-Führung von gestern gegen Stephen Maguire heute Nachmittag zwischenzeitlich abgeben, als der Schotte zum 6–6 ausglich. Nach der Pause holte sich Hawkins aber die nächsten beiden Frames. Zum Sessionende stand es 9–7. In der Abendsession gab es ein verfrühtes Ein-Tisch-Szenario, da das Spiel Selby-Fu schon fertig war.
Maguire begann die Sitzung mit einer 135 und glich danach zum 9–9 aus. Hawkins setzte mit einer 126 nach und gewann auch den 20. Frame. Im zerhackten 21. Frame half ein Fluke auf Gelb Hawkins zum Einstieg und er machte das 12–9. Im finalen Fame ließ er nicht mehr anbrennen und darf nun im Halbfinale John Higgins bespielen.
„Das war ein Kampf. Keiner von uns kam richtig in Fahrt. Ich musste geduldig bleiben. Aber ich hatte die Glücksgöttin auf meiner Seite und habe das ausgenutzt“, sagte er nach dem Spiel.“Das letzte Break war das gelassenste. Ich habe es während des ganzen Spiels geschafft, fokussiert und auf meinen Rhythmus konzentriert zu bleiben. Auch morgen muss ich einfach ruhig bleiben, wenn ich da raus gehe. Das ist mir in den letzten paar Jahren nicht gelungen.“
Maguire sagte: „Ich habe es nie geschafft, mal die Nase vorn zu haben. Wenn mir das gelungen wäre, wäre es ein anderes Spiel gewesen.“