Blanker Sheriff zieht blank gegen The Hawk

Hamilton, GM 2017
Anthony "The Sheriff of Pottingham" Hamilton © Snookerstars

Die Mitternacht zog näher schon; in stummer Ruh lag’s Tempodrom.
Nur unten auf des Tisches Grün, da klackern die letzten Tagesmüh’n.

Dort unten im Manegenrund, da spielen sie noch zu so später Stund.
Der Lärm des Pöbels verhallt von fern, versammelt ist nur noch der harte Kern.

Und sieh! Der Falke schon siegesgewiss, sieht den Sheriff nahen, mit gefletschtem Gebiss.
Der kämpft, erkämpft sich mit Re-spotted Black, den Decider, dem bangen Falken zum Schreck.

Dort das erste Break noch dem Falken gebührt, doch des Sheriffs Queue wird virtuos geführt.
Im Safety-Spiel des Falken Hoffnung erglimmt, durch gefallenes Pink sie zu Staub zerrint.

Der Falke ward noch in selbiger Nacht vom Sheriff um den Sieg gebracht.

Frei und gekürzt nach Heinrich Heine, Belsazar

Kampfgeist siegt

Diese Tage sind es, die den Besuch im Tempodrom zu etwas Besonderem machen. Man kommt nach einem langen Snookertag nach Hause und fühlt sich so inspiriert, dass die Dichterin in einem keimt. Was haben wir heute Abend gesehen? Einen Barry Hawkins, der mit chirurgischer Präsizision seine Breaks spielt und einen Anthony Hamilton, der vielleicht mit etwas weniger Eleganz, dafür mit unvergleichlichem Kampfgeist ein fast verlorenes Spiel noch für sich entscheidet. An dieser Stelle kann ich nur meinen Sitznachbarn aus Ostfriesland, die altersbedingt vorzeitig – nämlich nach dem siebten Frame – ausgewechselt werden mussten, zurufen: Jungs, ihr habt das Beste verpasst!

Bis dato hatten wir ein ausgeglichenes Spiel gesehen. Frame eins wurde auf Schwarz für Hawkins entschieden, auch der zweite ging auf Schwarz weg, dieses Mal zugunsten von Hamilton, der in Frame drei gleich nachlegte. In die Pause ging es unentschieden. Beide spielten nicht spektakulär, aber solide. Hamilton machte etwas weniger Unordnung auf dem Tisch als gewohnt und Hawkins machte die 50+Breaks. So ging es im Wechselschritt bis zum 4-3 für Hawkins, der auch im achten Frame zuerst die Nase vorn hatte. Doch Hamilton blieb dran und erzwang mit einer Re-spotted Black den Decider.

Ein letzter Frame wie Armdrücken

Tribüne QF

Eine immer noch gut gefüllte Tribüne während des Deciders.

Hier hatte Hamilton die erste Chance, verschoss aber bei 9 Punkten. Hawkins kam an den Tisch und machte eine 40, musste dann aber aussteigen und legte dabei einen fiesen Snooker hinter Braun. Hamilton foulte einmal, bevor er sich daraus befreien konnte. Die Chance, die er dabei liegen ließ, blieb nicht nur von Barry ungenutzt, sondern eröffnete auch Hamilton die Gelegenheit zu punkten. Er kämpfte sich durch schwierige Stellungen, doch bei der letzten Braunen war Schluss. Es stand jetzt 58-44. Eine Weile machten sie dem Namen des Spiels noch alle Ehre und snookerten sich gegenseitig  – bis Hamilton Blau und anschließend Pink zum Sieg lochte.

Der Mann aus Nottingham hatte Ende letzten Jahres erklärt, dass er so pleite sei, dass er nicht wüsste, wovon er die nächste Meldegebühr zahlen sollte. Mit dem Erreichen seines zweiten Halbfinales in dieser Saison konnte er seinem Portemonnaie heute schon mal £15 000 hinzufügen. Er trifft morgen um 20 Uhr auf Stuart Bingham, der gegen Yan Bingtao gewann. Der junge Chinese konnte leider sein tolles Lochspiel aus dem Achtelfinale gegen den 2015er Weltmeister nicht auf den Tisch bringen und musste sich 2-5 geschlagen geben. Das war übrigens auch das Ergebnis der beiden anderen Viertelfinal-Spiele Tom Ford-Allister Carter und Ryan Day-Martin Gould. Der Titelverteidiger spielt morgen um 14 Uhr das Halbfinale gegen Ali Carter.

Michael ‘Hitman’ Holt: Das war nicht mein Tag

Yan Bingtao GM 2017Das letzte Spiel des Achtelfinales, das ich mir in voller Schönheit angetan habe, war die Partie Michael Holt gegen Yan Bingtao. Der 16jährige Chinese beeindruckte mich mit sagenhaften langen Bällen, aber auch mit gutem taktischen Spiel. Anders als manch anderer der jungen Spieler beherrscht er auch die Safety-Abteilung und hält nicht einfach auf Teufel-komm-raus drauf. Michael Holt fing schon recht früh an, sein Stellungsspiel mit Grimassen zu kommentieren und brachte nicht viel zusammen. Yan spielte im vorletzten Frame noch eine 115 und gewann deutlich mit 5-1. Vielleicht hätte Holt nicht schon einen Nachmittags-Flug buchen sollen; sowas ist doch bestimmt ein schlechtes Omen. Jedenfalls war er trotz Niederlage und Eile noch so freundlich, mir ein kurzes Statement zu geben. Viel mehr als in der Überschrift zu lesen ist, sagte er allerdings nicht. Auf Twitter hinterließ er eine vielsagende Nachricht:

Alle anderen ausführlichen Berichte findet ihr heute bei meinem Kollegen Christian: die letzten Viertelfinals und die Halbfinalspiele.

HawkinsHamiltonSF GM2017

Last (wo)men standing (and sittin). Mitternacht im Tempodrom.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

SnookerPRO folgen

6 Gedanken zu „Blanker Sheriff zieht blank gegen The Hawk

  1. Uwe und Joffrey aus Ostfriesland, die mit dem vergessenen Schal :-)

    Guter Artikel, danke dass Du uns alte Herren so nett erwähnst hast. VG und noch viel Spass

  2. pudd'nhead

    Hallo Lula Witzescher,

    eine gelungene Gedicht-Parodie, formal leicht verschandelt, aber trotzdem Gratulation!

    Eine Frage: gibt es den Snookerroman „Belinda to break“ irgendwo zu lesen?

  3. Lula Witzescher Artikelautor

    Danke! Ja, ich bin in Lyriktheorie nicht so bewandert und habe schon befürchtet, dass es einem kritischen Blick formal nicht standhält.

    Was das Buch betrifft: Ich bin gerade dabei, es für die Verlagssuche vorzubereiten. Deshalb wird es wohl noch dauern, bis es veröffentlicht wird. Aber danke für das Interesse. (Haben wir uns heute vor dem Tempodrom gesprochen?)

  4. pudd'nhead

    Hallo Lula Witzescher,
    also vor dem Tempodrom das war ich nicht, ich erlebe snooker seit vielen Jahren immer nur vor der Flimmerkiste.
    Mit dem Buch wünsche ich erst mal viel Erfolg, man wird ja wohl erfahren was draus wird.

    Ein Hoch auf Anthony Hamilton und bis zum nächsten mal.

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