Aufregender Auftakt zur Snooker-WM 2022

Die Auslosung zur diesjährigen Snooker-WM hat wieder tolle Paarungen hervorgebracht. Judd Trump trifft auf Hossein Vafaei, Shaun Murphy auf Stephen Maguire und Kyren Wilson auf Ding Junhui.

Darüber hinaus gibt es natürlich noch 13 andere Spiele. Unsere englischsprachigen Kollegen haben wieder ausführliche Vorschauen (in der Draw-Reihenfolge) produziert. Und ich schreibe hier (in chrononlogischer Matchreihenfolge) meine ganz persönliche Sicht auf die erste WM-Runde.

Snooker-WM 2022: Auftakt mit einer Menge Walisern

Der amtierende Weltmeister Mark Selby eröffnet am Samstag um 11 Uhr die WM mit seiner Partie gegen Jamie Jones. Jamie Jones hatte sich O’Sullivan als Gegner gewünscht. Wir hoffen, dass Mark Selby trotzdem genug Herausforderung ist. Dieser ist ja mental immer noch angeschlagen und musste in dieser Saison einige Erst- und Zweitrundenniederlagen einstecken. Doch bei der WM wächst er meist über seine Saisonform hinaus.

Parallel dazu spielt Zhao Xintong gegen Jamie Clarke. So sehr ich Zhao auch (spielen sehen) mag, noch fehlt mir bei ihm die Konstanz. Allerdings können wir darauf vertrauen, dass Jamie Clarke sich durch Streit mit dem Gegner und Tweeten in der Pause wieder selbst aus dem Konzept bringt.

Über die Begegnung Barry Hawkins gegen Jackson Page scheinen sich nur Kollegin Målin und ich zu freuen. Ich freue mich einfach auf einen wie immer im Crucible solide aufspielenden Hawkins, in einer Partie, der Crucible-Neuling Page leider nur in Ansätzen Glanzlichter aufsetzen kann.

Wann spielt Ronnie?

Der begehrteste Gegner der ersten Runde ist natürlich Ronnie O’Sullivan. Und die Ehre, gegen ihn spielen zu dürfen, wird in diesem Jahr David Gilbert zuteil. Der hat im Vorfeld ja auch quasi darum gebettelt mit seinem „Ich möchte Ronnie, Judd, Mark Selby und Neil Robertson vermeiden“. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er sich mit dem Mantra „Das sind die vier Größten und wahrscheinlich wird einer davon das Turnier gewinnen“ nicht unbedingt in die Stimmung versetzt, O’Sullivan hier wirklich einen bedingungslosen Kampf zu liefern. Es wäre auf alle Fälle das erste Match seiner Karriere, das Gilbert gegen O’Sullivan gewinnen würde. O’Sullivan sieht auf alle Fälle so aus, als würde er Stephen Hendry endlich den Titel-Rekord streitig machen wollen. Aber ist da auch ein Weg, wo der Wille ist? Ach ja, es sind auf Social Media übrigens schon alle Gilbert-O’Sullivan-Witze gemacht. Ihr braucht euch nicht mehr anzustrengen.

Und zum Abschluss des Auftakttages streiten sich Shaun Murphy und Stephen Maguire darum, wer das Spiel verlieren darf. Der eine macht momentan mit seinen Kommentaren mehr Alarm als am Tisch und der andere kann sich nicht zwischen Feuer und Soße entscheiden. Tut mir leid, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwie spannend wird.

Der Sonntag und Montag

Anthony McGill gegen Liam Highfield machen am Sonntag den Anfang, gefolgt von dem walisischen Duell zwischen Mark Williams und Michael White. In dieser Partie scheinen die meisten Menschen, wenn überhaupt, nur eine winzige Chance für White zu sehen. Er hat ja mit dem Erreichen der Endrunde als Amateur schon ein neuntes Weltwunder vollbracht. Erwarten wir also nicht zu viel von ihm, damit er uns überraschen kann.

Den Montag eröffnen Mark Allen und Scott Donaldson. Ich fange gar nicht erst damit an, dass Allen als einer der besten Spieler, die nie einen WM-Titel geholt haben … nein, ich fange gar nicht damit an. Aber gegen Donaldson wird er noch gewinnen, auch wenn der diesmal ohne Lebensmittelvergiftung hier antreten sollte. Danach Neil Robertson gegen den Crucible Debütanten Ashley Hugill, der seine Lebensmittelvergiftung bis dahin wahrscheinlich komplett auskuriert hat. Naja, auch wenn Neil Robertson in den letzten Jahren ja nicht so der Knaller bei der WM war, wird er hier die erste Runde gefahrlos überstehen.

Zur letzten Partie des Tages, Stuart Bingham gegen Lü Haotian fällt mir nicht viel ein. Bingham, der vom Außenseiter-Weltmeister über Ups-hab-ich-mich-erwischen-lassen-und-jetzt-memme-ich-auch-noch-darüber-rum zum Tik-Tok-Weltmeister wurde gegen das ehemals hochgelobte Talent, das angeblich während seiner Spiele zu viel am Telefon verbringt … Ich sag nur: Titelsponsor! Spielerisch für mich zwei Wundertüten, mein Geld würde ich aber auf Binghams Erfahrung setzen.

Ach du meine Güte!

Am Dienstag steigen Yan Bingtao gegen Chris Wakelin ins Geschehen ein. Dass Yan nach seiner Saisonleistung (allem voran der Whitewash im Finale des German Masters) überhaupt bei der Snooker-WM 2022 gesetzt ist, verwundert mich immer noch. Und wie Chris Wakelin es hierher geschafft hat, habe ich leider sehr ungern gesehen. Es ist mir ehrlich gesagt völlig wurscht, wer hier gewinnt. Und John Higgins gegen Thepchaiya Un-Nooh? Ein bisschen leid tut mir Un-Nooh mit seinen Erstrundenauslosungen bei der WM ja schon … Wenn er neben unterhaltsamer Spielweise nicht etwas mehr an den Tisch bringt, wird er gegen Higgins nicht viel reißen. Außer zwölf Centuries und einen gescheiterten Maximumversuch (140 Punkte) vielleicht.

Kollegin Imke vom touch Billardmagazin hat die Erwartung an die dritte Partie des Tages – Jack Lisowski gegen Matthew Stevens – perfekt zusammengefasst. Ich werde einfach vorher schonmal die beim WM-Finale 2005 aufgefangenen Tränen vergießen und mir dann ganz entspannt die Partie anschauen. Mit vier Kommzurücks, erfolglos natürlich.

So, sehe nun auch den Draw. Lisowski gegen Stevens. Zwei, die gern Matches verdaddeln. Naja, einer wird wohl oder übel gewinnen müssen.

— Imke Köhler (@HML1001) April 14, 2022

Die letzten Partien der ersten Runde der Snooker-WM

Am Mittwoch gehen dann mit Kyren Wilson gegen Ding Junhui, Judd Trump gegen Hossein Vafaei und Luca Brecel gegen Noppon Saengkham die letzten sechs Spieler ins Rennen. So wie Ding sich in der Quali gemüht hat, sehe ich für ihn keine Chance. Da ich (aus Gründen) Luca Brecel nicht so gerne mag, seit dem PHC 2017 aber großer Saengkham-Fan bin, fehlt mir der objektive Blick auf die letzte Partie der ersten Runde. Beide sind sowieso immer ein bisschen Wundertüte.

Am Interessantesten scheint mir hier die Partie Trump-Vafaei. Letzterer hat offensichtlich Großes vor wie sich selbst, sein Land und seine Leute stolz zu machen. Aber offensichtlich will er auch Snooker groß machen – und zwar ohne Ronnie O’Sullivan, dem er empfiehlt, endlich in Rente zu gehen. Ich sehe ja auch gerne jüngere Spieler vorankommen, habe aber mit diesem nationalistischen Touch zugegebenermaßen Probleme. Trotzdem wünsche ich mir, dass er hier zu einer Überraschung fähig ist. Judd Trump hat mich einfach noch nie so richtig überzeugt.

Alle Spielpaarungen, -zeiten und (Zwischen)Ergebnisse der Snooker-WM findet ihr auf unserer Turnierseite.

Ist Wales das neue China?

Nach den vielen guten Auftritten chinesischer Spieler in der letzten Zeit, versprachen sich Einige einen weiteren Aufschwung. Doch die Titel von Spielern wie Yan, Zhao und Fan haben offensichtlich in diesem Sinne nicht so gut gewirkt, sodass wir in diesem Jahr tatsächlich nur vier Spieler aus China in der Endrunde sehen. Und einer davon ist Ding Junhui. Ich tippe darauf, dass es in diesem Jahr nichts wird mit dem ersten chinesischen Titel bei der Snooker-WM.

Überraschend dagegen, dass Wales mit sechs Spielern vertreten ist. Von den auf eher absteigenden Ästen sitzenden Stevens und Williams mal abgesehen, sind mit Page, Jones, Clarke und White noch etwas ‚frischere Spieler‘ am Werk. Aber es ist vielleicht doch etwas übertrieben, hier die neue Weltmacht im Snooker zu wittern. Doch zeigt der Blick auf die verschiedenen Nationalitäten, die bei der Snooker-Weltmeisterschaft 2022 vertreten sind, immer noch nicht die seit Jahren heraufbeschworene Internationalität.

Nationalities of this year’s Crucible 32:

– 🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿 England 12
– 🏴󠁧󠁢󠁷󠁬󠁳󠁿 Wales 6
– 🇨🇳 China 4
– 🏴󠁧󠁢󠁳󠁣󠁴󠁿 Scotland 4
– 🇬🇲 Thailand 2
– 🇦🇺 Australia 1
– 🇧🇪 Belgium 1
– 🇮🇷 Iran 1
– (flag below) Northern Ireland 1https://t.co/6sADAbg9Rt pic.twitter.com/uTNN5pB0em

— snooker.org (@snookerorg) April 14, 2022