World Grand Prix: Endlich wieder ein Titel für O’Sullivan

Ein beeindruckender Endspurt im World Grand Prix Finale gegen Neil Robertson bringt Ronnie O’Sullivan seinen 38. Weltranglistentitel, den ersten seit der WM 2020. Außerdem darf er £100.000 Preisgeld sein Eigen nennen, Robertson bekommt noch £40.000.

Robertson mit dem besseren Start ohne Vorsprung

Mit Zwischenständen von 2–2, 4–4, 5–5, 7–7 wirkte das Spiel vielleicht von den Zahlen her ausgeglichen. Robertson hatte aber eigentlich das Spiel über weite Strecken in der Hand, er war es, der vorlegte und O’Sullivan, der nachziehen musste. Dieser brannte hier kein Feuerwerk ab, aber er erarbeitete sich ziemlich hartnäckig seine Framegewinne.

Im achten Frame konnten wir dann das achte Weltwunder beobachten, als O’Sullivan schon zweimal Foulpunkte brauchte und trotzdem weiterspielte. Und siehe da: Er legte ein paar wunderbare Snooker und knöpfte Robertson den Frame noch ab. Statt mit einer 5–3-Führung für Robertson ging es also mit einem Unentschieden in die Pause.

World Grand Prix Finale mit Spätstart des späteren Champions

Abends dasselbe Bild: Robertson wirkte sehr viel stärker, doch O’Sullivan blieb dran bis zum 7–7. Robertson hatte zu dem Zeitpunkt schon fünf 50+ Breaks und ein Century gespielt, bei O’Sullivan standen erst zwei 90er Breaks auf dem Zettel. Mit einer 77 zum 8–7 ging O’Sullivan das erste Mal im Match in Führung. Er legte sofort noch eine 77 nach, bevor Robertson noch einmal verkürzen konnte.

Im letzten Frame spielte O’Sullivan nach einem bösen Miss-Cue von Robertson die dritte 77 zum 10–8 Endstand.

Gemischte Gefühle bei Neil Robertson

Robertson erkannte anschließend an, dass er eine guten Chance auf den Sieg gehabt, sein Gegner am Ende aber superbes Snooker gezeigt hatte. Er war zwar enttäuscht, dass es nicht mehr zu einen Decider gekommen war, andererseits war er froh, dass er nach seinen Tinnitus-Beschwerden der letzten Wochen hier überhaupt das Finale erreicht hat. Er versetzte sich auch in die Snooker-Fans hinein und begrüßte das Ende von Ronnies Titelflaute.

Dem World Grand Prix Champion ist der Titel egal

Nach O’Sullivans fünf verlorenen Finalspielen in Folge und seinen nicht ganz überzeugenden Auftritten hier beim World Grand Prix, war er nicht als Favorit ins Spiel gegangen. Doch seine Hartnäckigkeit und die paar Gänge, die er – nach dem Genuss eines Scone (selbstverständlich mit ‚Cream first‘) im MSI – hochschalten konnte, brachten ihm am Ende doch den Titel.

Sowohl bei der Pokalübergabe wie auch in den Interviews wirkte der neue World Grand Prix Champion nicht besonders ausgelassen oder begeistert. Das war um so merkwürdiger, weil er sich in diesem Spiel ganz offenkundig angestrengt hat, den Sieg nach Hause zu fahren. Doch vielleicht ist es tatsächlich so, wie er sagt: Ihn interessieren die Titel nicht mehr so wie früher. Für ihn zählt das Spiel selber.

Und ich muss zugeben, dass es mir immer wieder gut gefällt, wenn der Ronald nicht den Ronald macht und ein Super-Break nach dem anderen spielt, sondern wenn er sich reinkniet. Denn dass er Talent zum flüssigen und beeindruckenden Spiel hat, wissen wir ja schon. Aber dass er auch in der Lage ist, die fiesen, zähen Frames zu gewinnen, das darf er meinetwegen auch öfter zur Schau stellen.

Und alles in allem wirkt er doch zur Zeit ganz zufrieden. Wenn er uns als solch Wundertüte noch länger erhalten bleibt, dann bin ich es auch.

Wundersames Turnier zum Jahresende

Das ganze Turnier war irgendwie ein bisschen merkwürdig. Nicht nur ich fragte mich, was Stuart Bingham und Jimmy Robertson dort eigentlich verloren hatten. Dass Jimmy sogar das Viertelfinale erreicht und dabei Mann-in-Form Luca Brecel ausschaltet, hätte ich auch nicht gedacht.

Es gab Favoritensterben (Trump, Higgins, K. Wilson), schöne Partien (wie zum Beispiel Neil Robertson gegen Yan Bingtao), ein paar Maximumversuche (Brecel und Lisowski) und überraschende White-Washes (wie Maguire gegen McGill). Alles in allem ein ständiges Auf und Ab. Dazu passte das Finale dann eigentlich perfekt.

Alle Ergebnisse des World Grand Prix findet ihr auf unserer Turnierseite.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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