Schwarzer Tag

Selby, Allen
Mark & Mark. Ihr Snookerspiel rechtfertigt zum Glück nicht so ein skeptisches oder ängstliches Gesicht. © Monique Limbos

Ja, ich hatte den Weltmeister und Weltranglistendauerersten Selby gegen Liang Wenbo mit den besseren Chancen gesehen, Ja, das zweite Spiel zwischen einem in letzter Zeit solide spielenden Joe Perry und einem schwer einzuschätzenden Mark Allen habe ich knapp eingeschätzt. 

Weiße Weste

Aber dass Mark Selby den English-Open-Sieger in einer guten Stunde mit 4-0 abfertigt, hätte ich so nicht vorhergesehen. Nur im ersten Frame schien Liang noch eine Chance zu haben, doch Selby kratzte ihn sich selber auf die Zähltafel. Dann zwei Framegewinne mit kleineren Breaks und zum Abschluss ein Century für Selby und fertig war die Sache. Dieser äußerte sich im Anschluss sehr glücklich und zufrieden. Und dankbar, dass er durch das Mittwochsspiel noch ein bisschen Zeit zum Ausruhen nach der Chinareise hatte. Zum Abendspiel sagte er: „Gegen wen ich auch spiele, es wird ein hartes Stück Arbeit werden. Aber ich gehe selbstbewusst ins Spiel.“

Das Diebstahl-Spiel

Nachdem Joe Perry mit einem 92er Break 1-0 in Führung ging, war die Devise der folgenden Frames: Einer geht in Führung, der andere stiehlt den Frame – oder versucht es zumindest. Allen legt im zweiten Frame 61 vor und lässt dann Perry an den vielversprechenden Tisch. Doch der verschießt die letzte Gelbe und Allen kann ausgleichen. Perry schien dadurch den Faden verloren zu haben und das Ergebnis davon lautete eine Stunde später 3-2 für Mark Allen. Im letzten Frame hatte Perry noch die Chance auf ein Break zum Ausgleich, aber nach 18 Punkten war Schluss. Mit einer tollen 116 machte Mark Allen den 4-2-Sieg klar.

Auch er geht äußerst selbstbewusst in das Spiel gegen Selby. Er habe heute nachmittag nicht viele Fehler gemacht und er sei immerhin auch einer der besten Spieler. Alle bisherigen (fünf an der Zahl) Best-of-11-Begegnungen der beiden endeten übrigens 6-5. Allen ist allerdings der Meinung, das Spiel letzte Woche hätte er deutlicher gewinnen müssen. Er erwartet, dass Selby es ihm schwer machen wird. „Ich habe keine Angst vor Mark, ich sorge mich nur um mein eigenes Spiel.“ Wobei mir unklar blieb, ob er damit „sich Sorgen machen“ oder „sich kümmern“ gemeint hat. Allen ist nicht zufrieden damit, mal hier und da ein Turnier zu gewinnen. Er will viel mehr gewinnen und denkt, dass „irgendwo um die Ecke der nächste Titel wartet“. Nach seiner unbefriedigenden Leistung im Finale 2015 möchte er dieses Mal mehr bieten.

Nicht nur Liang hatte heute einen schwarzen Tag. Nein, ich bin sicher, es ging noch anderen Menschen so. Und dann ist auch noch Angles McManus nicht bei der Arbeit. Dabei brauche ich an Tagen wie diesem seine antidepressiv wirkende Stimme ganz besonders…

Höchste Qualität am Abend

Wird im im Laufe des Abends aktualisiert.

Gleich zu Beginn gibt es eine gute Nachricht: Alan McManus sitzt in der Box. Dann sind Mark & Mark etwas verwirrt, als Schiedsrichter Brendan Moore Mark zum Anstoß auffordert. Nach ein bisschen Safety-Geplänkel kommt Selby als Erster ins Break und serviert eine schöne 113, das 438. Century seiner Karriere. Wenn er die letzte Gelbe nicht verschossen hätte, … ach lassen wir das.

Der nächste Frame bietet außer Nervosität auf beiden Seiten fast alles, was Snooker zu bieten hat: Wir sehen tolle Pots, unnötige Verfehler, fiese Snooker, vergeigte Safeties, Fouls & Misses, absurde Flukes und einen Freeball. Der Nutznießer des Ganzen ist Allen mit dem Ausgleich zum 1-1.

Im dritten Frame verschießt Selby bei 65 Punkten den Frameball und lässt Allen ins Spiel. Doch der hat nur 1 Punkt Luft und zwei Rote an der Bande liegen. Aber es ist toll zu sehen, wie er diese Clearance unter Druck spielt, die schwierige Rote sicher locht und auf Schwarz den Frame zum 2-1 holt.

Ein Fluke auf Rot bringt Allen ins Break im vierten Frame. Doch er verschießt nach nur elf Punkten Pink mit der „Oma“. Selby kann nicht viel daraus machen. Ein Punkt, eine Safety. So langsam macht das Spiel richtig Spaß. Selby spielt eine grandiose Rote als Schuss ins Nirgendwo und legt dann einen Snooker. Bei seiner Befreiung daraus lässt Allen eine Chance liegen, aus der Selby ein schönes Break macht. Es steht 2-2 zur Pause.

Kennt ihr das, wenn jemand eure Gedanken genau auf den Punkt bringt?

Der fünfte Frame sieht Selby als Ersten einen Ball lochen. Dann verpasse ich leider, wie das Break ein Ende fand…jetzt steht es Selby 24-33 Allen, der Tisch ist total unordentlich und die Spieler machen Fehler. Es ist auch wieder Nervosität im Spiel. Wer kommt wohl mit unaufgeräumtem Tisch und Nervosität besser zurecht? Genau. Mark. Selby spielt bis zum Stand von 45-43 und vergeigt dann eine Safety. Jetzt hat Allen bis auf Pink und Schwarz alles gelocht, Selby braucht Snooker und sie amüsieren uns mit einem Safetyduell. Bis Allen Pink zum 3-2 locht.

Frame sechs: Safetyduell mit schönen Snookern hinter Gelb. Selby locht ein paar Bälle und verschießt dann Pink.
Clive Everton: „Hast du eine Theorie, warum er die verschossen hat?“
Alan McManus: „Er hat einfach vergessen sie zu lochen.“
So kann man es sagen: zu sehr auf Stellung geachtet und den Pot dabei vergessen. Jetzt gerade verschießt Allen am Ende eines 39er Breaks eine Rote. Das ist aber nicht weiter tragisch, da Selby mit einem Fehler antwortet. Allen zeigt jetzt die stabileren Nerven und sichert sich den Frame zum 4-2. Jetzt sind Selbys Kommzurückqualitäten gefragt.

Wollte man dem siebten Frame einen Namen geben, würde „Festival der unforced errors“ ganz gut passen. Hab’s aufgegeben mitzuzählen. Aber jetzt locht der Selby gerade ganz aussichtsreich. Mit einer 85 zeigt er Mark Allen, wo der Hammer hängt. Allen 4-3 Selby.

Fast sah der achte Frame wie ein ungefähres Spiegelbild des dritten aus: Mark Allen legt 65 Punkte vor und verschießt den Ball vor dem Frameball. Das Bild mit drei Roten an der Bande ähnlich schwer. Doch der Mark „Nerven wie Drahtseile“ Selby muss wohl den Namen an seinen Gegner abgeben: Er verschießt nach 12 Punkten und Allen locht noch zwei Kugeln: 5-3. Es fehlt nur noch ein Frame zum Sieg.

Frame neun: Und wieder ist es Allen, der als Erster im Break ist. Und er ist der Erste, der verschießt. Der zweite ist dann Selby. 24-16 Punkte jetzt für Allen. Doch am Ende hat Selby sich durchgebissen und auf 4-5 verkürzt.

Im zehnten Frame sah es so aus, als wolle Mark Allen allen jetlaggeplagten, wahlnachtsübermüdeten und sonstwie fast einschlafenden Menschen einen Gefallen tun und die Sache schnell zu Ende bringen. Doch  jetzt braucht er noch einen dritten Anlauf. Aber wir ahnen auch, was stattdessen geschehen kann: 58 Vorsprung, 67 auf dem Tisch. Und Selby tut es: Trotz kniffligen Stellungspiels auf die Farben räumt er den Tisch ab und erzwingt damit den Entscheidungsframe. Allen wird sich wohl am liebsten sonstwohin beißen, dass er nicht hier den finalen Ball gespielt hat.

Decider: Sie bieten uns aber wirklich das volle Programm. Nein, auch Selby macht den Sack nicht mit einem einzigen Tischbesuch zu, sondern verschießt eine Rote beim Stand von 43-0. Jetzt versucht sich Allen am Frame- und Matchgewinn. Und er schafft es! Mit einer 63 und einer nachgereichten pinken Kugel besiegelt er das 6-5.

Am Freitag Abend trifft er im Halbfinale auf Ronnie O’Sullivan. Mark Allen wünscht sich dann bessere Bedingungen, womit er völlig recht hat. Für nicht wenige Verfehler waren Kicks verantwortlich.

Ich bedanke mich bei allen Mitlesenden wünsche eine gute Nacht. Morgen wird ein besserer Tag. Bestimmt.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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