Vier Tage Shoot-Out Spektakel liegen vor uns!

Der damals 14-jährige Liam Graham beim Shoot Out 2019 beim Planen eines Stoßes. Monika Sułkowska als Referee im Hintergrund.
Amateurspieler Liam Graham nach 2019 erneut mit Wildcard beim Shoot-Out dabei. © World Snooker/Tai Chengzhe

Einmal im Jahr ist Snooker ein bisschen albern und anders. Das übliche Gentleman-/Lady-Image wird mal beiseite gelegt. Beim Shoot-Out wird Snooker zum Kneipensport. Hektisch und mit viel Gegröle. Warum ich mich auf dieses seltsame Spektakel dennoch mal wieder freue:

Das Shoot-Out ist nämlich viel mehr als nur Pink Panther, Yellow-Laola und Gebrüll. Es ist schon irgendwie Snooker, aber doch wieder ganz anders: eine eigene Disziplin mit eigenen Dramatiken und eigenen Geschichten. Das Shoot-Out verlangt den Aktiven ganz andere Stärken ab. Manche lassen sich vom Zeitdruck überwältigen und stolpern von einem Flüchtigkeitsfehler in den anderen. Während andere dadurch erst den nötigen Fokus finden, aufhören einzelne Stöße zu zerdenken und über sich hinauswachsen.

Die Shoot-Out-Regeln

Als eigene Snooker-Disziplin hat das Shoot-Out seine eigenen abweichenden Regeln. Damit wir morgen nicht alle verwirrt sind, bringe ich uns einmal auf den gleichen Stand: Gespielt wird ein Frame pro Match. Die Bälle sind rund und ein Match dauert maximal zehn Minuten. In den ersten fünf Minuten haben die Spieler*innen fünfzehn Sekunden Zeit für einen Stoß, danach sogar nur noch zehn. Also besser ein gutes Stellungsspiel pflegen. Denn Zeit für Hilfsqueues oder gar fürs Aufschrauben der Erweiterung bleibt dann kaum.

Außerdem gibt es die Zusatzregel, dass bei jedem Stoß ein Ball eine Bande berühren oder gelocht werden muss. Man kann also nicht für einen Snooker einfach hinter eine Farbe rollen. Dafür sind Fouls aber besonders lukrativ: Nach einem Foul hat die Gegenseite Ball-in-Hand auf dem gesamten Tisch und kann sich daher den Spielball für einen einfach Einstieg in ein vielleicht vorentscheidendes Break perfekt legen. Dafür gibt es kein ‚Miss‘. Für alle Fouls gegen die Shoot-Out-Regeln gibt es fünf Foulpunkte. Besteht nach zehn Minuten Punktgleichheit, entscheidet das sogenannte „Blue-Ball-Shoot-Out“ über den Sieg. Die Spieler*innen versuchen abwechselnd die Blaue vom Spot in eine Ecktasche zu lochen, der Spielball wird dazu auf der Baulk-Linie platziert. Es gibt ein Sudden-Death – wer zuerst „blinzelt“ verliert.

Eine kleine 4-Tages-Box voller schöner Anekdoten

Erst vor zwei Jahren habe ich zum ersten Mal das Shoot-Out geguckt. Und ich war sehr skeptisch, ob mir das denn gefallen würde. Denn eigentlich liebe ich die langen Frames mit den erbittertsten Safety-Schlachten. Doch dann habe ich dieses seltsame Shoot-Out-Format doch schnell in mein Herz geschlossen. Einige meiner schönsten Snooker-Erinnerungen stammen aus diesen wenigen Shoot-Out-Tagen im Jahr.

Immer wieder tolle Geschichten ergeben sich, wenn Spieler*innen aus den tieferen Ranglistenplätzen über sich hinauswachsen. Wenn sie unter Zeitdruck ganz besondere Nervenstärke zeigen: schnelle Comebacks und vor allem nervenstarke Bälle lochen. So zum Beispiel, als Brandon Sargeant einen 0-63 Rückstand gegen Ali Carter noch drehen konnte. Oder Ashley Cartys sensationelle Grüne in der letzten Sekunde gegen Noppon Saengkham.

Oder die kuriosen Geschichten, die nur das Shoot-Out schreiben kann. Letztes Jahr gab Sam Craigie seinen schon fast sicheren Sieg in letzter Sekunde fast noch aus der Hand. Ein Foul aufgrund der Shoot-Out-Regeln führte zum unnötigen Ausgleich, doch Phil O’Kane blieb trotz Ball-in-Hand keine Zeit mehr einen Ball zu lochen. Schließlich blieb Craigie der Sieger in einem engen Blue-Ball-Shoot-Out.

Als Freundin von Safeties ist mir natürlich auch der „Negativ-Rekord“ des Shoot-Outs von letztem Jahr in guter Erinnerung geblieben. Peter Lines und Hamim Hussain quälten sich gegenseitig mit guten Safeties, sodass keiner eine richtige Chance bekam. Bei 1–7-Rückstand blieb Hussain wenige Sekunden vor Schluss nur die Flucht nach vorne. Er lochte eine phänomenale lange Rote und eine schwierige Schwarze hinterher, um den Shoot-Out-Frame mit der geringsten Gesamtpunktzahl 9–7 zu gewinnen. Das war ein sehr sehenswerter und ungewöhnlicher Shoot-Out-Frame. Und hier konnte ein 19-Jähriger Amateur am Ende starke Nerven beweisen.

Und das Shoot-Out ist regelmäßig voller toller Geschichten. Schaut euch doch zum Beispiel die Highlights des ersten Tages vom letzten Jahr an:

Viele unbekannte Gesichter

Alle Matches finden auf einem einzigen TV-Tisch in der Arena statt. Alle Spieler*innen werden vom lauten Publikum bejubelt. Und man bekommt auch mal Gesichter zu sehen, die sonst oft in der tristen Umgebung von „Tisch 6“ versteckt sind. Und sie bekommen genauso Applaus wie alle anderen. Das ist das, was ich am Shoot-Out am meisten schätze und worauf ich mich am meisten freue.

Weil einige der Top-Spieler darauf verzichten anzutreten und die Tour ohnehin unvollständig ist, wurden im Vorfeld einige Wildcards vergeben. Das Shoot-Out ist zwar kein normales Snooker, aber dennoch eine tolle Gelegenheit, (junge) Talente mal etwas Tour-Luft schnuppern zu lassen. Folgende Spieler*innen haben dieses Jahr eine Wildcard erhalten: Stan Moody, Paul Deaville, Liam Graham (auf dem Beitragsbild), Liam Davies, Dylan Emery (der in der nächsten Saison als Profi dabei sein wird), Ross Bulman, Robbie McGuigan und Rebecca Kenna. Acht wirklich verdiente Wildcards. Wir freuen uns auf alle, die hier die Gelegenheit bekommen!

Dennoch ist die Zusammenstellung der Wildcards etwas enttäuschend, da nur Personen aus Großbritannien und Irland berücksichtigt wurden. Dabei hätte es noch andere gegeben, die ebenfalls aufgrund jüngster Leistungen eine Wildcard verdient gehabt hätten: Ben Mertens (U-18 Europameister) und Julien Leclercq (U18- und U21-Vizeeuropameister und Team-Europameister) stechen dabei besonders heraus.

Der ultimative Guide zum Shoot-Out 2022

Das Draw der ersten Runde ist bekannt. Ab dann wird immer wieder neu gelost. Es bleibt spannend. Für alle, die wissen wollen, was sie auf keinen Fall verpassen dürfen, haben wir hier den ultimativen Guide:

Donnerstagnachmittag

Der Titelverteidiger Ryan Day eröffnet das Turnier um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit in einem rein walisischen Duell gegen Jak Jones. Jones ist zwar nicht für sein schnelles Spiel bekannt. Aber er verfügt über eine innere Ruhe, die ihn für Day zur sprichwörtlichen Bananenschale machen kann. Schon kurz danach folgen ein paar junge Talente. Im zweiten Match bekommt der 15-jährige Waliser Liam Davies seine Chance. Im vierten Match trifft Simon Lichtenberg, der U21-Europameister von 2018, auf den amtierenden U21-Europameister Dylan Emery. Direkt danach bekommt der jüngste Teilnehmer seine erste Gelegenheit auf der Profi-Tour: Der 15-jährige Stan Moody spielt gegen Lu Ning. Und kurz vor Ende der Session kommt es zur Begegnung zweier der jüngsten Spieler auf der Tour. Gao Yang und Jamie Wilson sind beide ihn ihrer zweiten Profi-Saison und wollen sicherlich noch was beweisen.

Donnerstagabend

Lokalmatador und Vorjahresfinalist Mark Selby eröffnet die zweite Session gegen Li Hang. Darauf folgt Paul Deaville, der mit einer Wildcard diese Saison bei den English Open sein Tourdebüt gab. Dort konnte er direkt drei Matches gewinnen und so die Runde der letzten 16 erreichen. Wir sind gespannt, ob er daran anknüpfen kann. Sein erster Gegner ist Chen Zifan. Auch zwei weitere der ‚Local Boys‘ aus Leicester spielen am Abend. Zunächst spielt Ben Woollaston gegen Jack Lisowski und direkt im Anschluss trifft Joe O’Connor auf Peter Lines. Zwei Kontrahenten, die kaum unterschiedlicher sein könnten. Wildcard-Spieler Ross Bulman spielt gegen Martin O’Donnell und Rookie Dean Young trifft auf Lü Haotian.

Freitagnachmittag

Wem das Shoot-Out zu hektisch ist, dem sei am Freitag das Duell Barry Pinches gegen Ross Muir ans Herz gelegt. Oder vielleicht auch nicht. Denn wie wir letztes Jahr gesehen haben, sprintet kaum ein anderer so aufopferungsvoll um den Tisch wie Barry Pinches. Wir freuen uns auf Rebecca Kennas zweite Chance, nach dem Technik-Malheur im letzten Jahr, und natürlich auf die Begegnung von Noppon Saengkham und David Grace. Außerdem kommt es zur spannenden Begegnung zweier ehemaligen Profis: Michael Georgiou ist ehemaliger Shoot-Out Sieger und sein junger Gegner Si Jiahui derzeit führender in der Q-Tour-Rangliste. Wer von beiden es womöglich zurück auf die Tour schafft, wird natürlich nicht beim Shoot-Out ausgespielt. Aber es verspricht doch eine interessante Begegnung zu werden. Drei Jahre nach seiner ersten Chance beim Shoot-Out mit nur 14 Jahren darf sich Liam Graham am Freitag ein zweites Mal auf der Tour beweisen.

Freitagabend

Luca Brecel war vor Weihnachten in Topform und greift nun wieder ins Geschehen ein. Im ersten Match des Abends kommt es zur hochklassigen Begegnung mit Joe Perry. Später am Abend bekommt es Lukas Kleckers mit einem weiteren (jungen) Lokalmatadoren zu tun. Er spielt gegen Louis Heathcote. Der letzte Spieler aus Leicester, Tom Ford, trifft auf Yuan Sijun. Ein bekanntes Wildcard-Gesicht, Robbie McGuigan, spielt gegen Liam Highfield. Der Amtierende Welsh Open Champion Jordan Brown trifft auf Jamie Jones, der ebenfalls eine exzellente letzte Saison gespielt hat. Und im letzten Spiel der ersten Runde spielt endlich Shoot-Out-Spezialist Michael Holt. Ja zugegeben, das ist vielleicht ein etwas unrühmlicher Titel. Er trifft auf den frisch gebackenen UK Champion Zhao Xintong. Vor kurzem beim Kommentieren der Championship League scherzte Holt, dass Zhao Probleme mit der Shot Clock bekommen werde. Das wagen wir zu bezweifeln. Aber das wird zweifelsohne ein sehr gelungener Abschluss der ersten Runde.

Und so viele tolle Begegnungen habe ich jetzt gar nicht erwähnt. Guckt doch einfach alles. Es wird wirklich toll, das wagen wir zu versprechen. Die Spielzeiten findet ihr auf unserer Turnierseite. Ebenso wie die Ergebnisse, falls ihr doch etwas verpasst. Viel Spaß!

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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