Anlässlich des Ladies Day im Crucible Theater in der vergangenen Woche gab es verschiedene Stellungnahmen zu der Frage, warum sich bisher noch keine Frau auf der Maintour etablieren konnte und es wurden Prognosen gemacht, ob es jemals eine Frau bis in die Endrunde der WM schaffen wird.
Der selbsternannte Experte in Sachen „Hirnforschung und Gender“ Steve Davis beantwortete Letzteres mit einem klaren „Nein“ und gab gleich noch mottenzerfressende Klischees wie die angeborene Aufgabenverteilung zwischen Mann und Frau zum Besten: er der Jäger, sie zuständig für die Familie. Nun hat Herr Davis doch durch seinen Schwächeanfall im Dschungel selber bewiesen, dass er sein angeborenes Talent als Jäger von Nahrung überhaupt nicht einsetzen konnte, vermutlich, weil es sich gar nicht um ein Talent, sondern lediglich um ein Rollenbild handelt.
Männliche Arroganz hat Frauen noch nie geholfen
Warum Frauen sich nicht an der Weltspitze durchsetzen können, erklärte er, indem er seine Überzeugung von der Unfähigkeit der Frauen in ein paternalistisches Lob kleidete: „Wir sind die Idioten unserer Spezies. Ich denke, es gibt nicht so viele Frauen, die so ein zielstrebiges, zwanghaftes Gehirn wie die Männchen unserer Art haben“, erläutert er. „Ihnen fehlt die zielstrebige Entschlossenheit etwas zu tun, was komplette Zeitverschwendung ist“ – wie z.B. acht Stunden am Tag Bälle mit einem Holzstock in Löcher zu kullern. „Männer sind perfekt geeignet, um etwas so absolut Irrelevantes zu tun.“ Aha.
Von einem Menschen, der es freiwillig auf sich genommen hat, seine Hirntätigkeit auf das Kullern von Bällen zu beschränken, ist natürlich keine differenzierte Aussage zur Geschlechtergerechtigkeit zu erwarten. Und nun wissen wir wenigstens, dass Frauen zu intelligent sind, ihr Leben ausschließlich solch sinnlosem Tun zu widmen. Und dass sie offensichtlich dumm genug sind, sich von den Fleischtöpfen dieser sinnlosen Tätigkeit fernhalten zu lassen.
Es scheint wirklich nicht wahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit eine Frau im Crucible Theatre antreten wird. Ob die Gründe jedoch die von Herrn Davis erwähnten sind, mag bezweifelt werden. Eher scheint es, als ob solche Aussagen dazu beitragen, dass das so bleibt. Warum können Frauen besessen genug sein, in Sportarten wie Tennis und Leichtathletik Höchstleistungen zu erbringen, aber nicht im Snooker?
Auch wenn Jason Ferguson, Vorsitzender der World Professional Billiards and Snooker Association, behauptet, es gäbe „überhaupt keine Beschränkungen für Frauen“, sieht die Realität anders aus. Um in einem Sport erfolgreich zu sein, braucht es eine Umgebung, in der Frauen sich akzeptiert fühlen. Reanne Evans, 10fache Snooker-Weltmeisterin, hat die Erfahrung als einzige Frau auf der Maintour gemacht: „Snooker ist immer noch so etwas wie ein Jungsclub. Das Spiel der Männer hat die ganze [finanzielle] Unterstützung, sie können es sich erlauben, keinen Job zu haben und nur zu trainieren und sich auf das Snooker zu konzentrieren, während es keinerlei Geld im Frauensnooker gibt.“
Frauen müssen sichtbar werden
Der Hauptgrund, warum es keine Frauen gibt, die mit den Männern mithalten können, ist sicherlich folgender: Es gibt einfach zu wenige Frauen, die überhaupt ein Queue in die Hand nehmen und so fehlt die Basis, aus der sich eine leistungsstarke Spitze entwickeln könnte. Es sagt viel über die Lücke „hinter“ Reanne Evans aus, dass sie seit 10 Jahren den WM-Titel holt, einen davon sogar im 7. Monat schwanger.
Mädchen und junge Frauen brauchen Vorbilder, damit sie für sich selber eine Perspektive im Snooker sehen können. Dringend nötig ist Wertschätzung für die Frauen im Snookersport und das am besten in den gesellschaftlich üblichen Formen von Aufmerksamkeit und Geld. Dafür wird eine weitaus größere Sichtbarkeit notwendig sein, als ein Ladies Day bei der WM, aber vielleicht ist das ein Anfang.
Außerdem wird ein neues Rollenverständnis nötig sein, damit es hier nicht zu dem altbekannten Dilemma Kind oder Karriere kommt. Wie würde es aussehen, wenn Frauen nicht ständig automatisch mit bestimmten Erwartungen konfrontiert wären und wirklich freie Entscheidungen treffen könnten? Wo würden wohl Reanne Evans und Mark Allen jetzt in der Weltrangliste stehen, wenn das gemeinsame Kind bei seinem Vater leben würde?
Familienfreundlich durch Pick & Chose
Und was die angeborene Fokussierungsfähigkeit angeht, sehe ich durch die neue Geldrangliste, dass sich eine gewisse „Verweibung des Snooker“ abzeichnet. Im Kielwasser der Galionsfigur Ronald O’Sullivan im Kampf um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist jetzt auch bei anderen Spielern eine Abkehr von maskuliner Titeljagd zugunsten von femininer Vielseitigkeit zu erkennen. Vielleicht hilft das in Zukunft, aufzuhören in den Kategorien „Mann“ und „Frau“ zu denken und den Blick darauf zu richten, was für die Menschen am sinnvollsten ist.
In der Zwischenzeit hat sich zum Glück etwas verändert. Zum Weiterlesen empfehlen wir deshalb unseren Artikel von 2023: „Warum gibt es keine Frauen im Snooker?“
Was Steve Davis da raushaut, ist haaresträubender Schwachsinn. Er hat wahrscheinlich einfach nur Angst von einer Frau im Snooker besiegt zu werden und sieht seine „Männlichkeit“ in Gefahr.
Reanne Evans hat es schon richtig gesagt: es fehlen die Sponsoren und die Vorbilder. Ein tolles Vorbild im Schiedsrichterbereich ist auf jeden Fall Michaela Tabb. Zumindest ein Anfang.
Im Reitsport werden Frauen und Männer gar nicht unterschieden, da herrscht (zumindest was meinen Kenntnisstand betrifft) Gleichberechtigung. Wieso sollte das nicht auch im Snooker gehen? Ich bin keine Feministin, sondern sehe die Geschlechter so, dass jeder dasselbe erreichen kann, egal ob Mann oder Frau. Also: ran an den Queue ihr Lieben!
Michaela Tabb erhält in sozialen Netzwerken häufig Kommentare wie „lovely“ oder „nice smile“, während ein Brendan Moore „well done“ oder „good job“ lesen darf. Für WEN ist Michaela Tabb wohl ein „Role-Model“ – frage ich mich.
Diskriminierung bedeutet ja leider, dass Frauen nicht dasselbe erreichen können, obwohl sie selber alle Fähigkeiten dazu hätten. Eben weil die Unterstützung fehlt. Männer haben oft gar nicht nur ganz große Kompetenzen, um erfolgreich zu sein, sondern eben häufig eine Frau im Hintergrund, die sie unterstützt und den Rücken freihält. DAS brauchen Frauen in solchen Positionen ebenso (auch wenn die Frau im Hintergrund gerne JEDES Geschlecht haben darf. ;o))
Worauf Steve Davies anspielt … das hat er sicher auch (im doppelten Sinne) von den gemeinhin unterstellten geschlechts- und/oder genderspezifisch unterschiedlich ausgeprägten Hirnhälften.
In gewisser Weise geben ihm etwa auch die Regularien des Schachsports recht: Wie Frauen und Männer sich nicht gemeinsam (im Profi- bzw. Spitzensportbereich) bei der Leichtathletik, beim Fußball etc. „messen“, so auch bei Sportarten, bei der die „naturgegebene“ physische Disposition zunächst einmal keine gravierende Rolle spielt: wie beim Schach, so beim Snooker.
Aber mal von der Basis aus gesehen: In unserem Club kommen auf gut 70 männliche Mitglieder gerade einmal 3 weibliche. 3! Nein, seit dem TdoT – 4. Als Vorstand und Grundlagenvermittler (kein Trainer) stelle ich leider immer wieder fest, dass Frauen, trotz gegeben Talents und Interesse, massive Vorbehalte hegen. Und das, so analysiere ich aus Erfahrung, nicht aufgrund der dominanten „Männerwirtschaft“. Wir würden sehr gerne mehr Frauen als aktive Vereinsmitglieder begrüßen und fördern können.
Aber, warum klappt das (noch) nicht, erst recht nicht im Juniorenbereich?! Vielleicht doch aus dem Grunde, dass Frauen im Profi-Snooker nicht stattfinden? Dass auch im Mutterland, auf Amateurebene, im Pub, die Kerle am Tisch stehen und die Damen beim Plausch im Eckchen daneben?! Oder am Ende doch wegen mangelnder Vorbilder und Sponsoren?!
Ich werde im Sinne unserer Öffentlichkeitsarbeit und Mitglieder-Rekrutierung gezielter (?!) Mädchen und Frauen ansprechen. Vielleicht bietet dieses Forum die Möglichkeit, diesbezüglich Gedanken und Ideen auszutauschen?! Liebe Grüße, Stephan
Hallo Stephan,
danke für deine Gedanken und Erfahrungen!
Worin liegen denn deiner Erfahrung nach die Vorbehalte der Mädchen/Frauen, wenn nicht in der „dominanten Männerwirtschaft“? Sind denn zum TdoT Frauen gekommen, die sich dann nicht für den Verein (oder die Sportart) entschieden haben? Welche Faktoren sind es in diesem Stadium, die sie positiv oder negativ entscheiden lassen?
Ich denke, eine gezielte Ansprache seitens der Vereine ist sicherlich nötig und richtig. Bleibt zu hoffen, dass auf anderen Ebenen auch das Notwendige getan wird, um Frauen sichtbarer zu machen.