Schiedsen am Snooker-Tisch

Tabb
Michaela Tabb, lange Zeit Vorbild für viele Frauen im Snookersport. Leider ist sie seit 2015 nicht mehr auf der Main Tour im Einsatz - in unseren Augen ein Verlust. © Monique Limbos

Nach tollen Turnieren gibt es für die einen manchmal den Snooker-Kater, dieses leichte Leeregefühl gepaart mit Entzugserscheinungen, bei anderen stellt sich dann plötzlich die Lust ein, es selber mal mit diesen winzigen Bällen und Taschen zu versuchen. Wir möchten mit unserer Mini-Serie über die Schiedsleute am Snookertisch auf eine weitere Möglichkeit hinweisen, sich ins Geschehen zu werfen.

Als erster Teil unserer Serie erschien schon unser Interview mit Thorsten Müller, seines Zeichens Schiedsrichter und Schiedsrichterobmann, der uns von seinen Erfahrungen berichtete. In diesem (zweiten) Teil informiert uns Gastautorin Filia Rheni, die selber schiedst, wie ihr an diesen Job kommen könnt und als dritter Teil folgt dann noch ein Interview mit Maike Kesseler, die auch beim diesjährigen German Masters wieder als Schiedsrichterin im Einsatz sein wird. Der vierte Teil wird eine Abhandlung über die Philosopie des Schiedsens sein, ebenfalls von Filia.

Wie werde ich ein Snooker-Schiedsrichter_in? – Eine Handreichung von Filia Rheni

Es ist schon beeindruckend, den Schiedsrichtern im TV zuzuschauen, oder? Diese schick gekleideten Damen und Herren, die regelfest und mit vorbildlichem Benehmen die Punkte ansagen, die Bälle reinigen oder auch schon mal mit fester Stimme zu Ruhe und Ordnung aufrufen. Das dachte ich mir selber ganz lange, bis ich mich endlich entschloss, auch Schiedsrichterin werden zu wollen. Die einzelnen Beweggründe reichen von „Ich werde nie selber gut genug spielen, um ins TV zu kommen, aber als Schiedsrichter könnte das was werden“ über „Ich wollte schon immer mal einen Grund haben, den ganzen Tag Anzug bzw. Kostüm tragen zu dürfen“ bis hin zu „Ich finde den Schiedsrichterjob einfach unfassbar spannend und würde es selbst gern machen“ – oder alles zusammen. Ihr wisst schon.

Wie fange ich die Sache an?

Hier in Deutschland fängt man am besten damit an, sich einen Club zu suchen. Freund Google oder Facebook helfen einem da schon sehr viel weiter, haben doch mittlerweile sehr viele Snookerclubs ein Facebook-Profil oder eine Homepage. Mit ein wenig Glück gibt es vor Ort schon einen oder mehrere Schiedsrichter, die einen mit mehr Infos versorgen können. Oder man kontaktiert direkt Thorsten Müller, den für die Schiedsrichter zuständigen DBU-Obmann, der Interessierten mit allen wichtigen Informationen weiterhilft. Letzteres habe ich selbst über Umwege getan und nach einiger Zeit ergab sich dann die Gelegenheit, an einem Lehrgang mit Abschlussprüfung teilzunehmen. Ein wenig Geduld ist anfangs also notwendig – Lehrgänge finden nur dann statt, wenn sich genügend Interessenten melden. Bei einem solchen Lehrgang dann wird ein ganzes Wochenende lang über Regelfeinheiten gesprochen, einzelne Regeln erläutert, alles rund um den Spielbetrieb vermittelt, Fragen beantwortet – kurz, angehende Refs werden auf die erste Prüfung vorbereitet. In meinem Fall lief es so, dass am Samstag nach einem ganzen Tag „Unterricht“ die Theorieprüfung abgelegt wurde, am Sonntag dann die praktische Prüfung am Tisch. Bei uns fügte es sich glücklicherweise so, dass an jenem Sonntag ohnehin ein Bundesliga-Tag lief, den wir als angehende Refs dann begleitet haben – mit Wissen und Einverständnis der Spieler, wohlgemerkt. Nicht jeder Spieler möchte eine_n Schieds-Anfänger_in am Tisch stehen haben, darum wird zuerst deren Einverständnis eingeholt.

Mehrere Schritte zum Ziel Fernsehauftritt

„Moment mal, ERSTE Prüfung? Wie viele muss ich denn ablegen, um endlich ins TV zu kommen?“ werden sich nun vielleicht einige Leser_innen fragen. Das lizensierte Schiedsrichterwesen ist gestaffelt; man fängt mit der Landesverbandsschiedsrichterlizenz (kurz auch C-Lizenz) an. Mit Erwerb der C-Lizenz ist man berechtigt, bei Spielen innerhalb Deutschlands bis hin zu den Deutschen Meisterschaften und Jugendmeisterschaften (zu denen wird man eingeladen, wenn man vorher durch gute Leistungen bei kleineren Turnieren auf sich aufmerksam gemacht hat) zu schiedsen. Bei diesen Meisterschaften ist die Weiterbildung zur B- und A-Lizenz möglich. Spätestens mit Erwerb der B-Lizenz muss die Person Mitglied der DBU sein, was sich durch Mitgliedschaft in einem Verein bewerkstelligen lässt. Die beiden letztgenannten Lizenzen werden nach dem Leistungsprinzip erworben, sprich: wer nach Erwerb seiner C-Lizenz fleißig schiedst und seine Sache gut macht, wird vom Landesschiedsrichterobmann zur nächsthöheren Lizenz empfohlen. Hat man es endlich über die B- zur A-Lizenz geschafft, darf man sich auch „International Class III“-Schiedsrichter nennen. Dann ist man berechtigt, an Europa- oder Weltmeisterschaften der Amateure teilzunehmen, sprich zu schiedsen. Und erst ab hier bieten sich die TV-Chancen: erst jetzt erhält man Ausschreibungen von World Snooker, die sich laut eigener Aussage bei den talentiertesten und besten Amateurschiedsrichter_innen* nach Nachwuchs umschauen. Als A-Lizenz Schiedsrichter_in kann man sich auch selbst für den Einsatz an den Turnieren bewerben. Vorher muss man durch gute Leistung auffallen und weiterempfohlen werden.

Bis einschließlich zur A-Lizenz machen wir all das EHRENAMTLICH. Also in unserer Freizeit. Um Anfahrt zum und Unterkunft am Spielort kümmert man sich selbst, aber mit ein wenig Glück (bisher hatte ich immer Glück!!) wird man vom ausrichtenden Club bzw. Veranstalter vor Ort verköstigt, aber da hört der Luxus auch sofort wieder auf. Reich wird man vom Schiedsen also keinesfalls, jedenfalls nicht materiell.

Wenn euch das jetzt nicht zu sehr abgeschreckt hat, kann ich noch hinzufügen, dass die Schiedsrichtertätigkeit enormen Spaß macht. Man lernt nette „Kolleg_innen“ und Spieler_innen kennen, lernt mit jedem Spiel etwas dazu und trägt bedeutend zum Spielbetrieb bei, was einem im Großen und Ganzen auch gedankt wird. Also, Ihr angehenden Kolleginnen und Kollegen da draußen, wenn Ihr Lust habt, euch uns anzuschließen, freuen wir uns sehr auf euch!

*Noch ein Wort zum Begriff „Amateur“: „Amateur“ bedeutet lediglich, dass man für das, was man tut, nicht bezahlt wird. Auch auf Amateurniveau geben wir uns genau so viel Mühe wie die Profis, die ihr Geld mit derselben Tätigkeit verdienen.

AutorIn: Lula Witzescher

Lula Witzescher (genderqueer), im Netz auch bekannt als Dark Mavis *Lady*. Sucht für den Roman „Belinda to break“ einen Verlag. Streitet im Netz für alle Formen von equality. Hält die Butthole Surfers für die beste Band der Welt. www.twitter.com/lulawitzescher

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