Gestern kam mir mal wieder dieser Gedanke: Ich bringe den Spielern Unglück. Sobald ich beginne, mich für jemanden näher zu interessieren, endet sein guter Lauf. Wenn ich das Spiel meines Favoriten live verfolge, sinkt seine Chance auf Gewinn. Sogar den Live-Scores zuzuschauen, bringt den Spieler auf Erfolgloskurs.
So ähnlich verhält es sich beim Fußball mit meinem Glauben, dass ich Schaumzuckermäusen den Kopf abbeißen und sie auf dem Weg zum Stadion vor ein fahrendes Auto werfen muss, damit meine Mannschaft gewinnt. Bei Auswärtsspielen darf ich weder die Fahne raushängen, noch mit meiner Freundin zusammen die Konferenz im Radio anhören. Am Besten verfolge ich gar nichts, sondern schaue mir nach dem Spiel nur das Ergebnis an.
Natürlich ist das alles Blödsinn. Reiner Aberglaube. Dahinter steckt nichts weiter als die zutiefst menschliche Sehnsucht, dass meine Gedanken und Taten den Lauf der Dinge in der Welt beeinflussen. Und diese Sehnsucht äußert sich ebenso oft als Befürchtung.
Tatsache ist, dass drei der vier Spieler, auf die ich ein Auge habe, ausgeschieden sind. Dem Erstrundenaus von Sean “The Storm” O’Sullivan folgte die Zweitrundenniederlage von Joel Walker und auch Jack Lisowski ereilte ein überraschend frühes Aus. Aber vielleicht lag das ja gar nicht an mir.
4. Tag
Im Spiel gegen Jamie Jones sah es für Joel Walker ganz gut aus. Er führte zu Beginn der zweiten Session 6-3 und ging die Bälle recht selbstbewusst an. Wir konnten einige schöne lange Einsteiger und andere coole Bälle sehen. Es ist für mich schwer zu fassen, warum er diesen letzten Frame zum Spielgewinn nicht machen konnte. Sicher spielte Jones im Alles-oder-Nichts-Modus einige unglaubliche Bälle, aber Walker hatte noch mehr als genug Chancen, um den Sieg einzutüten. Er verstellte sich aber mehrmals mitten im Break, verschoss dann und auch seine Safeties waren bescheiden. So robbte Jones sich vom 4-9 Frame für Frame heran und machte mich damit ziemlich nervös. Keine Ahnung, wie es Walker erging.
Im 18. Frame versuchte er beim Stand von 64-24 für Jones (noch 35 auf dem Tisch) diesen zu snookern, was ihm nicht gelang. Erst auf Grün konnte er Jones zum Foul zwingen, aber die nächste Safty war mies. Jones verfehlte zwar die Tasche, flukte aber den Ball anschließend ins gegenüberliegende Loch und sackte auch diesen Frame ein. Im entscheidenden 19. Frame machte Jones beim Hin & Her aus Verschießen, Lochen, unbeabsichtigten Doppelküssen und unsicheren Safeties einfach den entscheidenden Fehler weniger als Walker und entschied das Spiel für sich.
Ich hoffe, dass das für Joel kein immerwährendes (und wiederkehrendes) Trauma wird, sondern er lernt, auch den letzten Frame in Sack und Tüten zu bringen.
Für das Spiel von Jack Lisowski gegen Stuart Carrington bleibt mangels Bildübertragung nur eine Spieldetailfernanalyse und das, was andere darüber schreiben. Fazit: Sauberer Start von Lisowski zum 4-0, MSI bei 6-3, nach der Pause zieht Carrington mit 4 Frames in Folge zum 6-7 vorbei, woraufhin Lisowski noch einmal ausgleicht. 3 Frames in Folge besiegeln den Erfolg von Carrington. Die höchsten Breaks im Spiel: 78 (Lisowski) und 76 (Carrington). Im Netz lese ich: „Ich denke, Jack sollte sein Spiel ein bisschen verändern, um nicht nur zu beeindrucken, sondern zu gewinnen.“ Was immer das heißen mag.
5. Tag
Ich beschließe, heute klettern zu gehen und dabei meine Enttäuschung zu verdauen. Als ich nachts nachhause komme, sehe ich, dass Alan McManus sein Spiel gegen Peter Lines in gewohnter Marathonmanier 10-8 gewonnen hat. Geht doch.