Bai Yulu hat mir gestern den Tag gerettet. Obwohl Mark Williams und Xiao Guodong parallel den Champion of Champions ausspielten, habe ich mir das Spiel der amtierenden Weltmeisterin gegen Jamie Jones angesehen.
Dass ich Bai Yulu für die Spielerin mit dem größten Potential halte, habe ich ja schon öfter erwähnt. Sie hat nicht nur eine bestechende Technik, sondern hat auch schon viele Jahre Erfahrung im Spiel in gendergemischten Wettbewerben – und zwar mit Erfolg. Deshalb war es auch keine große Überraschung, dass sie, kurz nachdem sie auf der World Womens Snooker Tour auftauchte, dort das Feld von hinten aufrollte und schon im zweiten Jahr Weltmeisterin wurde. Und damit die Qualifikation für die World Snooker Tour schaffte.
Der erste Sieg auf der Main Tour
Nachdem sie in dieser Saison schon namhaften Spielern wie Mark Williams, David Gilbert und Mark Allen Frames abnehmen konnte, gelang ihr am Samstag ihr erster Profisieg. Gegen Farakh Ajaib, der in der Weltrangliste knapp vor ihr liegt, konnte sie ein 6–4 erzielen. Dabei machte sie fünf 50+ Breaks, davon eine 73 und 68. Die Frage war nun, was sie gegen einen etablierten Spieler wie Jamie Jones ausrichten könnte.
Sie legte einen guten Start hin und ging mit einer 70 2–0 in Führung. Jones brauchte ein bisschen, um sich davon zu erholen, konnte aber seinerseits 3–2 in Führung gehen. Doch Bai konterte mit drei guten Breaks zum 5–3. Jones konnte nochmal verkürzen, bevor Bai Yulu den letzten Frame zum Sieg holte.
Insgesamt zeigte sie großes Selbstvertrauen. Sie wirkt, als würde sie sich komplett auf ihr eigenes Spiel konzentrieren und ihr Gegenüber sie nicht besonders einschüchtern. Und wie sich zeigte, muss sie sich auch nicht verstecken. Ihre Spielballkontrolle ist zwar manchmal suboptimal, aber es sagt viel über ihre Fähigkeiten, dass sie trotzdem gutes Breakbuilding an den Tisch bekommt. Ihre Schussauswahl ist auch manchmal etwas seltsam, da gibt es sicher noch Luft nach oben im taktischen Bereich. Aber am meisten habe ich mich darüber gefreut, dass sie bis zum Schluss die Konzentration und Nerven hatte, um das Spiel über die Ziellinie zu bringen.
Sie trifft morgen auf Scott Donaldson.
Bai Yulu schreibt Geschichte
Sie ist damit die erste Frau in diesem Jahrhundert, die zwei aufeinanderfolgende Spiele in einem Ranglistenturnier gewinnt. Die Letzte, der das gelang, war Kelly Fisher bei der WM-Qualifikation 1999. Ich bin mir sicher, dass ich meinen Artikel über Frauen im Snooker in naher Zukunft noch öfter um die Erfolge Bai Yulus ergänzen kann.
Mehr von der Qualifikation für die UK Championship
Für mich gab es leider auch zwei erhebliche Enttäuschungen. Das letzte Spiel das gestern Abend zu Ende ging, war Wang Yuchen gegen Mark Davis. Letzterer hatte schon 4–0 vorne gelegen, verlor aber um ein Uhr nachts im Entscheidungsframe. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Auch dass Steven Hallworth nicht mal die erste Hürde gegen Michael Holt schafft, fand ich enttäuschend. Hier habe ich wenigstens den Trost, dass er jetzt am Kommentatorenmikro sitzt.
Ansonsten haben Florian Nüssle (gegen Jonas Luz und Jordan Brown), Oliver Sykes (gegen Stuart Carrington und Ben Mertens) und Artemijs Žižins (gegen David Grace und Mark Joyce) je zwei ’schöne‘ Auftaktsiege hingelegt, während Iulian Boiko schon raus ist.
Ach ja, und Zhao Xintong steht mit Siegen über Sunny Akani und Jiang Jun auch in der dritten Runde. Dabei machte er mit einer 146 nicht nur das bisher höchste Break im Turnier, sondern auch sein persönliches Profi-Highbreak. (Seine beiden Maximumbreaks von der Q-Tour zählen ja nicht.)
Und sonst so?
Die beste Snookerseite im Internet snooker.org feiert 30. Geburtstag und Betreiber Hermund war zur Feier des Tages bei Dave Hendons Podcast eingeladen. Hier könnt ihr die Episode anhören.
Wir verlassen jetzt auch Xitter, da es nicht mehr tragbar ist. Auf Bluesky findet sich langsam eine größere Zahl an Snooker-Konten, sodass es sich lohnt, dort mal vorbeizuschauen. Hier auf meinem persönlichen Konto gibt es eine Liste mit offiziellen Snookerkonten und hier geht es zum SnookerPro-Account, der von Hjördis bespielt wird.
In der Zwischenzeit war Ding Junhui mal kurz auf der Siegerstraße, als er die International Championship Anfang des Monats gewann. Beim Champion of Champions, für das er sich dadurch kurzfristig qualifizierte, schied er aber sofort wieder aus.
Gestern Abend beendete Mark Williams Xiao Guodongs grandiose Wettkampfwoche beim Champion of Champions, indem er ihm in einem unterhaltsamen Finale den Titel wegschnappte. Es wird gemunkelt, dass Williams am Ende geweint hat. Naja. Wir hätten es ja beiden gegönnt … Wer mehr wissen möchte und Englisch versteht: Monique Limbos hat darüber geschrieben:
Bai Yulu hat Scott Donaldson auch noch aus dem Turnier geworfen.(ganz knapp im Decider). In der Folgerunde war dann aber Schluss gegen Jack Lisowski (1:6). Das Ergebnis spiegelt aber ihr weiterhin offensives Auftreten (Spielweise) nicht ganz wider. In Frame 2 hat sie diesen beinahe gestohlen. Jack hat ihr aber grundsätzlich aufgezeigt, wie stark Spieler in der erweiterten Spitze sind.
Bai Yulu profitiert offensichtlich auch von den Trainingsbedingungen. Soweit ich es zu wissen vermag, trainiert sie in der Ding Junhui Snooker Academy in Sheffield, wo auch ein Teil der Snookerprofis trainiert (chinesische Fraktion). Sie kann unter Matchbedingungen mit Männern auf Profiniveau arbeiten.