Der letzte Tag im Crucible of Berlin. Ich weiß noch nicht, wie ich ihn verbringen werde: alleine vor dem Fernseher oder mit 2500 anderen Verrückten im Tempodrom. Beim Lesen einiger Kolleg_innenblogs merkte ich gerade, wie tief berührt ich von den letzten Tagen bin und schaue deshalb nicht nur voraus auf das Finale, sondern auch ein bisschen zurück auf das Erlebte hier.
Für dieses Spiel eine Vorhersage zu treffen, finde ich hammerhart. Normalerweise gelte ich ja als Expertin für miese Vorhersagen, aber bei diesem Turnier bin ich mit meiner Vorhersage aus unerfindlichen Gründen beim Event Prediction Contest vor diesem Finale auf Platz 5* (von 671) gelandet. Wenn ich diesem Tipp konsequent folge, dann sehen wir heute Shaun Murphy als Sieger (und mich auf Platz 3).
Für Mark Selby ist es heute die Gelegenheit, nicht nur das Preisgeld von 66.667 £ mitzunehmen, sondern auch auf die Nr. 1 der Rangliste zurückzukehren. Im Falle einer Finalniederlage würde der Ronald an die Spitze rücken. Auch wenn Selby in dieser Saison bei Turnieren nicht so viel gerissen hat und er seine China-Tour der letzten Woche als schlechtmöglichste Vorbereitung auf dieses Turnier bezeichnet: Was er hier in Berlin gezeigt hat, hätte die Krönung durch einen Titel verdient. Seine Fähigkeit, sich in jeder Spielsituation durchzubeißen und an jeder noch so kruden Chance dranzubleiben, wird ihn für seinen guten Freund Shaun zu einem extrem unangenehmen Gegner machen.
Für Shaun Murphy wäre es nach den Bulgarian Open, den Ruhr Open und natürlich dem Gewinn des Masters im letzten Monat der vierte Titel in dieser Saison. Nicht nur in meinem Augen spielt er momentan das beste Snooker seiner Karriere. Zu seinen technischen Fähigkeiten kommt nun auch noch ein Siegeswillen, der durchaus als neu zu bezeichnen ist. Murphy hat sich im mentalen Bereich zwar weiterentwickelt, aber ich bin mir nicht sicher, ob er seine tollen Comebackqualitäten heute unbedingt wieder demonstrieren sollte. Ich würde ihm empfehlen, den Selby nicht erst davonziehen zu lassen.
Ungeachtet des Ergebnisses werde ich mich auf alle Fälle gut unterhalten fühlen, denn wenn auch böse Zungen immer wieder davon sprechen, wie langweilig sie den ein oder anderen finden: Ich liebe es, dass die beiden dem Spiel das Gesicht geben, das ihm vom Namen her gebührt – und zwar Snooker. Denn wenn es nur darum ginge, immer möglichst tolle und hohe Breaks zu spielen, würde es nämlich Potting heißen.
Für mich sind die Tage hier bis jetzt schon das absolut Größte, was ich je erlebt habe. Der absolute Höhepunkt war natürlich die Session des Viertelfinales, knapp gefolgt von dem Einlauf der Spieler zum Halbfinale. Ich dachte, weil ich ja keine Platzkarte mehr hatte, setze ich mich mal ganz an den Rand der Arena. Und plötzlich sitze ich im Scheinwerferlicht, weil aus dem Eingang direkt neben mir die Spieler ihren Einlauf in die Halle starten! Boah, das war ein Gefühl von hautnah dabeisein! Und mein Medienauftritt und die Verwandlung in die Dark-Mavis-Lady war ein dicker Klecks Balsam auf meine kaum verborgene Rampensau-Seele.
The Dark Mavis lady is @LulaWitzescher #permissiongranted
— snookerbacker? (@snookerbacker) February 5, 2015
The Dark Mavis lady is @LulaWitzescher #permissiongranted
— snookerbacker (@snookerbacker) February 5, 2015
Ich habe wunderbare Leute getroffen, die mir ihre Zeit für Interviews geschenkt haben, die mich unterstützt haben, mich wieder mit anderen bekannt gemacht haben oder einfach mit mir zusammen begeistert waren und mir dabei das Gefühl gegeben haben, ein Teil einer schön verrückten Gemeinschaft zu sein. Besonderer Dank gebührt dabei dem Schiedsrichter Thorsten Müller, der sozusagen mein Türöffner für viele gute Gelegenheiten war. In diesem Jahr habe ich mich noch nicht getraut, alle Möglichkeiten zu nutzen, aber im nächsten Jahr werde ich mich tief ins Getümmel stürzen und euch mit den intimsten Geheimnissen aus den Katakomben des Tempodroms versorgen. Ein riesengroßer Dank geht an die Megafans Dirk und Julia für ihre Umtriebigkeit, an meine schreibende Kollegin Kathi, die mir zwischenzeitlich ein bisschen Mut gemacht hat und deren Blogs ich immer wieder herzerfrischend und berührend finde, an Ashley und Vicky Carty, Maike Kesseler, Lukas Kleckers, Marcel Eckardt, Andy Maivel, Julia aus Wilmersdorf, Ulli, Conny und der Dame am Servicetisch. Und natürlich danke an euch, dass ihr mir eure geschätzte Aufmerksamkeit schenkt!
* Hinter welchen Spitznamen ich mich verberge, werdet ihr herausfinden.