Trump gegen Wilson – ein Duell der Gegensätze

Kyren Wilson gestikuliert mit dem Queue und betrachtet kritisch den Tisch. Im Hintergrund sitzt Judd Trump auf dem Stuhl vor den leeren Rängen des Crucible Theatres.
Auf dem Weg zum WM-Finale 2020: Kyren Wilson besiegt Judd Trump. © World Snooker/Tai Chengzhe

Judd Trump gegen Kyren Wilson lautet eines der interessantesten Snooker-Duelle der vergangenen Jahre. Frecher Snooker vom Snooker-Ass gegen den puren Willen des Kämpfers. Im Halbfinale des Champion of Champions geht es in eine neue Runde.

Gestern trafen zum etwa 1.047-sten Mal Ronnie O’Sullivan und John Higgins aufeinander. „El Clásico“ frohlockten im Vorfeld schon einige. Und tatsächlich war die Leistung, die Higgins darbot, eines wirklich: klasse. Möchte man seinen Lieblingsfilm immer und immer wieder sehen? Natürlich. Aber ein bisschen Abwechslung nimmt man dennoch gerne.

Trump vs. Wilson – ein noch junger Klassiker

Gut, dass es auch noch andere spannende Duelle gibt. Im ersten Halbfinale des Champion of Champions treffen nun zwei Rivalen der „nächsten“ Generation aufeinander. Judd Trump und Kyren Wilson bringen vieles mit, was eine gute Rivalität ausmacht: Sie sind etwa im selben Alter, sie unterscheiden sich in Persönlichkeit und Spielstil und ihre Bilanz gegeneinander ist etwa ausgeglichen. Kyren Wilson gewann ihr Duell im Viertelfinale der WM 2020 auf seinem Weg zum Finale. Und zu Beginn der letzten Saison beendete er Judd Trumps Finalgewinnserie, als er den Titel bei der Championship League gewann. Seit dem gewann Trump alle K.O.-Spiele der beiden.

Judd Trump prägte den „frechen Snooker“. Kyren Wilson ist hingegen als Kämpfernatur bekannt. Neben den Duellen auf den Tisch, gibt es aber auch regelmäßig Schlagabtausch der beiden auf Distanz in Interviews. Vor drei Jahren beim Champion of Champions zweifelte Kyren an Judds Willen, als dieser die Pause nicht zum Training nutze, Judd konterte, er habe es ja vielleicht weniger nötig.

Wilson will’s wissen

Bisher ist Judd Trump der deutlich erfolgreichere der beiden. Aber Kyren ist heiß auf mehr. Nach der Finalteilnahme im letzten Jahr steht der WM-Titel auf seiner Wunschliste natürlich ganz weit oben. Bei den English Open nörgelte er über die Vergabe der TV-Matches. Er musste am Nebentisch spielen, Ding spielte zeitgleich am Haupttisch. Trumps Antwort folgte prompt: Er habe sich die Bevorzugung auch hart erkämpft, indem er Weltmeister und Nummer 1 der Welt geworden ist. Wilson müsse sich das erst noch erarbeiten. Richtig Kyren, gewinne erstmal so viele Weltmeistertitel wie Ding Junhui, ehe du dich beschwerst!

Eines zeigen aber alle Interviews mit Kyren Wilson: Am Willen mangelt es nicht. An Kämpferqualitäten sowieso nicht. Wir werden sehen, wohin seine Reise geht. Heute Abend könnte sie noch bis ins Finale des Champion of Champions gehen.

Trump reicht Status Quo?

Etwas ratlos lassen mich jedoch Interviews mit Judd Trump derzeit zurück. Keine Frage, elf Titel in zwei Jahren zu gewinnen ist phänomenal. Auf keinen Fall war Trumps letzte Saison enttäuschend, wie John Virgo kürzlich im Talking Snooker Podcast meinte. Dennoch betont Judd nur, was er schon alles erreicht hat. Weltranglistenerster sei er nur nicht mehr, weil die WM zu viel zähle, der beste Spieler sei er aber schon noch. Die „Triple Crown“-Turniere seien ihm nicht mehr wert, jedes Turnier sei so gut wie das andere.

Ist ihm ein weiterer WM-Titel wirklich nicht mehr wert als ein weiterer Titel bei den Gibraltar Open? Das wage ich zu bezweifeln. Wahrscheinlich spielt er das herunter. Aber was nützt es ihm? Bisher konnte er an den Titelreigen der letzten beiden Jahre noch nicht anknüpfen. Es könnte eine kurze Durststrecke sein, aber wenn er wieder die Nummer 1 sein will, muss von ihm bald was kommen.

Ein bo-11-Halbfinale

Heute Abend werden nur 6 bis 11 Frames gespielt, kein WM-Titel vergeben und es geht um keine Ranglistenpunkte. Aber es gibt eine Neuauflage eines Wettkampfes zweier Einstellungen und Stil: Trumpf und Spielfreude gegen Kampf und Ehrgeiz. Ich sehe diese Begegnung immer gerne und wie immer ist schwer Vorauszusagen, wer die Oberhand behalten wird. Nachdem PseudoRolf in die Kristallkugel geblickt hat, wissen wir aber schon, dass es Trump sein wird:

Und auf ein weiteres interessantes Halbfinale dürfen wir uns auch noch freuen. Zwischen John Higgins und Yan Bingtao kommt es zu einer erneuten Neuauflage des Masters-Finales. Für eine aus unserem SnookerPRO-Team eine ziemlich nervenaufreibende Angelegenheit. Alle anderen dürfen sich hoffentlich auf ein spannendes und gutes Match freuen.

Einen Überblick über die Zwischenstände und Ergebnisse der beiden Halbfinals, bekommt ihr wie immer auf unserer Turnierseite.

AutorIn: Målin

Målin mag Zahlen und Tabellen. Wenn sie gerade kein Snooker guckt, wirft sie wahrscheinlich einen Blick auf die Provisional Rankings. Ist durch Langeweile zum Snooker gekommen und weil sie schon in jungem Alter einen eigenen Fernseher im Kinderzimmer hatte. Neben Artikeln kümmert sich Målin bei SnookerPRO um die Spieler*innenprofile. Twitter: @esel_freund

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