Rückblick auf das Champion of Champions 2015

Der neue Champion of Champions: Neil Robertson, Foto © Monique Limbos

Bereits zum dritten Mal fand in der vergangenen Woche im englischen Coventry das Champion of Champions statt, ein Einladungsturnier mit einem exklusiven 16er-Feld, bei dem die Turniersieger der letzten zwölf Monate aufeinander treffen und eine lukrative Siegprämie von 100.000 Britischen Pfund ausspielen. Nachdem der Sender Sky Sports 2012 das Interesse an der damals in Großbritannien beliebten Premier League Snooker verloren hatte, einigte sich der Promoter Matchroom Sports zusammen mit ITV4 auf dieses neue Format.

Sowohl die TV-Berichterstattung als auch das Set-up in der Ricoh Arena erwiesen sich dabei als voller Erfolg und als Bereicherung für den Tourkalender. Turniersieger Neil Robertson sprach nach dem Finale sogar vom „vierten Major“ (nach WM, UK Championship und Masters). In Deutschland hingegen läuft das Event leider bisher noch etwas under dem Radar. Weil es nicht zum von Eurosport erworbenen Rechtepaket gehört, muss man hierzulande bislang auf TV-Übertragungen verzichten. Zeit also, sich das Ganze mal aus der Nähe anzusehen, sprich: am Austragungsort.

Die Anreise verlief dabei reibungslos. Mein Flug war zum Glück nicht vom großangelegten Streik betroffen und die Ricoh Arena liegt unweit entfernt vom Flughafen in Birmingham. Ein Hotel ist ebenfalls im Komplex vorhanden, dessen Hauptattraktion sicherlich der Fußballplatz ist. Dieser wird zurzeit aber gar nicht genutzt – zumindest nicht vom örtlichen Fußballverein, der seit einiger Zeit in einem anderen Stadion beheimatet ist, sondern nur vom Rugby-Team aus der Stadt. Die beiden Jaguar Exhibition Halls nebenan werden für Veranstaltungen aller Art verwendet, so auch in diesen Tagen für das Snookerturnier.

Die Ricoh Arena in Convetry, Eigenaufnahme

Die Ricoh Arena in Convetry, Eigenaufnahme

Zum Zeitpunkt meiner Ankunft waren einige große Namen schon ausgeschieden, u.a. Weltmeister Stuart Bingham (3-4 gegen Zhou Yuelong) und Judd Trump (2-4 gegen Kyren Wilson). Nichtdestotrotz war das erste Spiel, das ich bestaunen durfte, ein wahres Highlight. John Higgins, der kurz zuvor noch bei der International Championship glänzen konnte und zum Auftakt Ali Carter schlug, musste gegen einen starken Joe Perry die Segel streichen. Perry spielt dabei durchweg die höheren Breaks und Higgins rettete sich lediglich über sein berüchtigtes B-Spiel in den Decider. In diesem erarbeitete sich Perry die verdiente Breakchance, wurde aber auf dem Weg zum Sieg von einem Kick gestoppt. Besonders ärgerlich, denn die Bedingungen waren so gut, dass es bis dahin keine größeren Probleme mit schlechten Ballkontakten gab. Glücklicherweise entschied der Kick das Spiel nicht. Wenig später bekam „The Gentleman“ seine zweite Gelegenheit und nutzte diese zum 6-5-Erfolg.

Am dritten Turniertag lag ein Abendspiel zwischen Neil Robertson (sicheres 4-0 gegen Rory McLeod) und Shaun Murphy nahe. Letzterer unterlag aber dem erst 15-jährigen World-Cup-Sieger Yan Bingtao, der also wie schon sein 17-jähriger Teamkollege Zhou ein weiteres Ausrufezeichen setzen konnte. Bemerkenswert ist dabei auch, dass die beiden jungen Chinesen mit Bingham und Murphy die Finalisten des letzten WM-Finals aus dem Turnier warfen. Gegen Robertson ließ Yan erneut sein großes Talent aufblitzen, musste sich aber der größeren Erfahrung des Australiers beugen.

Nach Wilson, Perry und Robertson zog am Freitag mit Mark Allen der Spieler ins Halbfinale ein, der sich quasi in letzter Sekunde für das Champion of Champions qualifizieren konnte und dabei auch von der Absage von Titelverteidiger Ronnie O’Sullivan profitierte. Allen hatte die gute Form aus Sofia mitgenommen und erreichte die Vorschlussrunde mit Siegen über Barry Hawkins und Stephen Maguire. Dabei fiel auf, dass der Nordire vor allem in den Schlüsselmomenten zur Stelle war. Gegen Hawkins schnappte Allen Frame vier dem Gegner vor der Nase weg, nachdem dieser den schon sicher geglaubten Framegewinn zum 3-1 durch einen verschossenen Frameball (Schwarz vom Spot) verschenkte. Maguire, der dank einer überzeugenden Leistung Mark Selby mit 4-1 geschlagen hatte, legte in seinem vierten Durchgang gegen Allen eine 68 vor und stieg mit einer guten Safety aus, doch wurde dann Zeuge davon, wie „The Pistol“ sich zurückkämpfte, den Frame mit 69-68 gewann und sich damit einen vorentscheidenden 4-0-Vorsprung herausspielte.

Beste Sicht auf die Halbfinalpartie, Eigenaufnahme

Beste Sicht auf die Halbfinalpartie, rechts: das ITV-Studio, Eigenaufnahme

Die Halbfinals wurden dann überschattet von den schrecklichen Ereignissen in Paris am Freitagabend. Nach der Schweigeminute zu Beginn des Nachmittags wirkte es während der Begegnung zwischen Robertson und Perry phasenweise bedrückend ruhig. Unter den alles andere als leichten Umständen gelang es Robertson allerdings, dem Spiel – u.a. mit einer Total Clearance von 144 Punkten, dem höchsten Break des Turniers – seinen Stempel aufzudrücken. Trainingspartner Perry schlug sich zwar erneut wacker, hatte aber am Ende mit 4-6 das Nachsehen.

Am Abend nahm Allen gegen Wilson erfolgreich Revanche für die 1-6-Niederlage im Halbfinale des Shanghai Masters. Auch hier setzte Allen zum richtigen Augenblick einen Wirkungstreffer, als er sich nach der kleineren Aufholjagd seines Kontrahenten den etwa 45-minütigen achten Frame zum 5-3 holte. Wilsons Unterstützung durch einen großen Anhang (bestehend aus Familie und Freunden) und das dauerhafte Lächeln der stolzen Großmutter in der ersten Reihe halfen am Ende nicht.

Im Finale am Sonntag sorgte Robertson aber schnell für klare Verhältnisse und ging 6-3 in die Pause zwischen den Sessions. Sicheres Breakbuilding und gute Safeties waren für „The Thunder from Down Under“, der mit einer 114 auch die höchste Aufnahme des Endspiels beisteuerte, der Schlüssel zum Erfolg. Allen spielte zwar zwei Centuries, doch mit 5-10 musste er sich recht deutlich geschlagen geben. So durfte Robertson den für ihn wichtigen Turniersieg zusammen mit seinem kleinen Sohn feiern. Für den Australier, der die drei großen Events des Sports alle schon gewinnen konnte, sicherlich eine willkommene Ergänzung seiner umfassenden Titelsammlung.

Abschließend noch ein paar Worte zum Publikum: Auch wenn sich die Halle die Woche über nie ganz füllte, fand doch jedes einzelne Match ausreichend Interesse. Überzeugend war auch das Fachsimpeln der Zuschauer. So diskutierte man auf der Tribüne z.B. über die jüngste Auseinandersetzung zwischen Stephen Hendry und Barry Hearn während der Ruhr Open, das eher durchwachsene Abschneiden vom Weltmeister in der laufenden Saison und gab Prognosen ab, wie viele WM-Titel Yan Bingtao wohl gewinnen würde. Man muss schon anerkennen, dass die Engländer hier gegenüber der wachsenden Anhängerschaft in Deutschland noch in einer anderen Liga spielen.

Weiter geht es dann schon in der kommenden Woche mit dem nächsten Highlight im Saisonkalender, der UK Championship in York. Auch das Turnier muss ohne O’Sullivan, den Sieger aus dem Vorjahr, auskommen. Ansonsten wird aber vom 24. November bis zum 6. Dezember im Barbican Centre alles vertreten sein, was im Snooker Rang und Namen hat.

AutorIn: Michael

Interessiert sich für Sport abseits des Mainstreams (überwiegend Snooker und andere Billardvarianten sowie Darts), gelegentlich aber auch für Bekannteres (wie Fußball). Versucht sich manchmal selbst daran (mit mäßigem Erfolg). Bevorzugt daher stundenlange Live-Übertragungen und Durchstöbern von altem Videomaterial, Büchern und Magazinen.

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