Nutcharut Wongharuthai ist neue Weltmeisterin und glückliche Besitzerin einer Zwei-Jahres-Karte für die Snooker Main Tour. Sie besiegte in einem mitreißenden Finale der Weltmeisterschaft Wendy Jans mit 6–5.
Bis nach Mitternacht klebten wir am Bildschirm, bis ein sicher geglaubter Sieg von Wendy Jans durch Nutcharuts Kampfstärke und Durchhaltevermögen in einen Sieg für die junge Thailänderin gedreht war.
Zwei Finalistinnen mit vielen Erfolgen im Gepäck
Mit Wendy Jans hatte sich eine alte Bekannte ins Finale vorgearbeitet. Die 38jährige Belgierin gab 1999 ihr Debüt auf der Snooker-Tour und gewann 2003 ihren ersten Titel. Sie hat 13 EBSA European Ladies Championship Titel geholt und war 17x Belgische Meisterin. Außerdem stand sie 4x im Halbfinale einer WM. Ihre beste Weltranglisten-Platzierung war die Nr. 2, momentan steht sie auf Platz 14.
Nutcharut ‚Mink‘ Wongharuthai ist seit 2017 auf der Snooker-Tour und hat gleich in dem Jahr bei der WM mit dem Turnier-High-Break von 90 ihre Marke gesetzt. Seitdem hat sie eine beeindruckende Serie an Halbfinal- und Finalteilnahmen gehabt und einige U-21-Events gewonnen. 2019 gewann sie die Australien Open und im Januar hat sie mit den British Open ihren zweiten Titel geholt, wo sie zum ersten Mal Reanne Evans besiegte. Mink ist außerdem die einzige Spielerin, die jemals ein bestätigtes Maximum-Break gespielt hat. Sie ist die Nr. 3 der Weltrangliste.
Finale über die volle Distanz
Zu Beginn ging es zwischen Wendy und Mink immer hin und her. Mink brauchte ein paar Anläufe, bis sie den ersten Frame sicher hatte. Wendy war am Ende auf Kurs Framediebstahl und lochte dabei einige krass gute lange Bälle. Aber dann verschoss sie Pink und Mink räumte ab. Wendy glich im zweiten Frame aus und machte dabei eine 31. Im dritten Frame war Mink in Führung und Wendy brauchte schon Snooker. Unter dem Facebook-Stream fragte jemand ein bisschen naiv, warum Wendy Jans hier weiterspielen würde. Naja, was glaubte der wohl … hier standen nicht nur der Titel zur Weltmeisterin auf dem Spiel, sondern auch eine Zwei-Jahres-Tourkarte. Und nach einer guten Safety machte Mink das Foul und Wendy bekam einen Free-Ball.
Am Ende nutzte das nix und Mink ging mit 2–1 in Führung. Doch im vierten Frame haute die Belgierin einfach mal eine 84 raus und glich erneut aus. Im fünften Frame ging es auch mit Klein-Klein bis zum 44–44 hin und her mit 35 Punkten noch auf dem Tisch, bis Wendy Jans inklusive Pink zur erstmaligen Führung abräumte.
Nach der Pause, die zur Irritation aller nach dem fünften Frame stattfand, konnte Nutcharut Wongharuthai ein Break von 25 machen, bevor sie safe ausstieg. Danach war es Wendy Jans, die mehrere kleinere Breaks machen konnte, während Mink die Farben verschoss, nachdem sie rote Einsteiger gelocht hatte. Wendy baute ihre Führung auf 4–2 aus.
What an escape!! Masterclass from Wendy Jans… #womenssnooker #final pic.twitter.com/yu0rwSqtXA
— @umuttoresnookercoaching (@umuttoresnooker) February 14, 2022
Weltmeisterin im dramatischen Endspurt
Einige gute Pots, gute Safeties, aus denen Wendy nicht so kunstvoll herauskam wie im Video oben, aber vor allem Geduld ebneten Nutcharut den Weg zum Anschlussframe. Doch Wendy konterte und stellte mit 5–3 wieder den Zwei-Frame-Abstand her. Nur noch ein Frame trennten sie von Titel und Tour-Karte.
Im nächsten Frame legte Mink einen großartigen Snooker. Nur leider hatte sie ihn sich selber gelegt, als sie gerade am offenen Tisch einen guten Lauf und die Chance auf ein framegewinnendes Break hatte. Doch irgendwie kam sie zurück ins Spiel und gewann nicht nur diesen Frame, sondern erzwang auch noch den Decider. Während dieser Frames steigerte sie kontinuierlich ihre Lochquote (von 78 auf 84%) und konnte im Entscheidungsframe so weit in Führung gehen, dass Wendy beim Spiel auf die Farben Snooker brauchte. Sie lochte Gelb und Grün und versuchte dann, auf Braun die nötigen Foulpunkte zu holen. Und tatsächliche verfehlte Mink den Ball. Wendy hatte Frame- und Matchgewinn auf dem Queue. Sie lochte Braun, Blau und Pink … und verschoss dann Schwarz. Mink versenkte nach sechseinhalb Stunden Spielzeit den Ball zum Titel.
Deutliche Halbfinalergebnisse
Nachdem die Viertelfinalspiele ja doch einiges an Drama geboten haben, waren die Halbfinals etwas weniger spektakulär. Wendy Jans konnte gegen die WM-Debütantin Jamie Hunter ihre Erfahrung ausspielen. Hunter war 1–0 in Führung gegangen, doch Jans holte die nächsten drei Frames zum 3–1 zur Pause. Der nächste Frame ging auf die letzte Schwarze wieder an Hunter. Im sechsten Frame verschoss sie den Frameball und Jans räumte ab zum 4–2. Im letzten Frame machte die Belgierin aus der ersten Chance eine 73 und machte damit den Sack zum 5–2 Endstand zu. Trotz der Niederlage können wir eigentlich nur feststellen, dass das Erreichen des Halbfinales bei der allerersten WM ein ziemlich beachtliches Ergebnis für Hunter ist. Auch wenn sie selber etwas enttäuscht ist und sagt, sie hätte hier zwar streckenweise gut gespielt, aber die ganze Zeit ihre Scoringfähigkeiten nicht abrufen können.
Das andere Halbfinale zwischen Nutcharut Wongharuthai und Rebecca ‚Bex‘ Kenna sah vom Ergebnis her mit 5–1 sogar noch deutlicher aus. Aber wenn wir hier mal die Framescores bemühen, sehen wir, dass es durchaus eine knappere Sache war: Bex 41-47 Mink; 60-50; 41-57; 2-83(55); 39-78; 29-71. Wenn du Weltmeisterin werden willst, zählt aber eben doch nur, wie viele Frames du auf dem Zählbrett hast.
Die Spitze rückt näher zusammen
Was sich in der letzten Zeit durch eine breitere Anzahl an Turniergewinnerinnen ankündigte, wurde hier bei der WM bestätigt. Die Spitze besteht nicht mehr nur aus zwei oder drei Spielerinnen und dahinter kommt erstmal gar nichts. Gerade einige junge Spielerinnen haben hier ihr Potential zeigen können. Erfreulich ist auch, dass jetzt eine dritte Frau die Möglichkeit hat, auf der Main Tour der Profis zu spielen und sich dort weiter zu verbessern.
Natürlich gab es die üblichen Kommentare wie ‚poor standard‘ und ’nice womens snooker, but a tour card?‘ Ja, natürlich hagelt es hier keine Centuries und ein Best-of-11 ist schon eine etwas längerfristige Angelegenheit. Aber irgendwo müssen wir ja anfangen und die Entwicklung, die erst 2016 so langsam anfing, zeigt jetzt Erfolge. Dass die ‚üblichen Verdächtigen‘ hier recht früh ausgeschieden sind und auch auf der Main Tour noch keine Ergebnisse erzielen konnten, ist für mich ein Zeichen, dass sie wahrscheinlich am Ende ihrer persönlichen Entwicklung angekommen sind. Sie werden wohl nicht diejenigen sein, die sich auf der Main Tour etablieren können. Aber sie bereiten schon mal das Feld, auf dem dann Spielerinnen wie Nutcharut Wongharuthai, Lilly Meldrum, Emma Parker, Steph Daughtery oder Ploychompoo Laokiatphong ackern und vor allem ernten werden. Hoffnung macht mir, dass Mink kürzlich bei der Q-Tour fünf Spiele gewinnen konnte, unter anderem gegen Ex-Profils Billy Joe Castle und Daniel Wells.